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Arbeitgeberpräsident kritisiert Regierung„Wir erleben fast schon ein Staatsversagen“

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Olaf Scholz und Angela Merkel stehen in der Kritik.

Seit vier Monaten ist Rainer Dulger Präsident des Arbeitgeberverbandes BDA. Schon in seiner vorigen Funktion als Präsident von Gesamtmetall, dem Dachverband der Arbeitgeber in der Metall- und Elektroindustrie galt Dulger als Freund klarere Worte. Das hat sich auch in der neuen Funktion nicht geändert. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland ärgert sich der Arbeitgeberpräsident über Politiker, die Corona-Impfstoff oder Tests zu spät bestellten und gleichzeitig der Wirtschaft strenge Auflagen vorschreiben wollten. Er besteht darauf, dass Arbeitgeber alleine darüber entscheiden müssen, ob Mitarbeiter ins Homeoffice dürfen oder nicht. Und er übt scharfe Kritik an SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Herr Dulger, wenn die Entscheidungsfindung in einem kriselnden Unternehmen ähnlich ablaufen würde wie in der Ministerpräsidentenkonferenz, wäre die Firma schnell pleite – oder?

Rainer Dulger: Das lässt sich schwer vergleichen. In einem Unternehmen sind sie als Chef ganz anders handlungsfähig als in einer Bundesregierung in Abstimmung mit 16 Länderchefs. Egal, um was es bei uns im Unternehmen geht – ob Produktion, Strategie oder Tagesgeschäft –, kommen wir schnell an den Punkt, an dem es darum geht, dass einer irgendwann entscheiden muss und dann auch die Verantwortung dafür trägt.

Was ist Ihr Rat an die Politik?

Wir müssen die Impfkampagne beschleunigen! Seitens der Unternehmen haben wir schon vor Wochen angeboten, dass wir mit unseren 6000 Betriebsärzten in den Startlöchern stehen, um beim Impfen zu helfen. Auch müssen die zehntausenden Hausärzte so schnell wie möglich mit eingebunden werden. Wir müssen aus dem Bummelzug beim Impfen in den ICE umsteigen. Es ist kurz vor 12.

Dafür fehlt der Impfstoff.

Ja, der Impfstoffmangel ist ärgerlich. Die Beschaffungspolitik durch die Europäische Union hat nicht gut funktioniert. Deshalb ist die Politik jetzt gefordert, bei jeder Impfstoffquelle zu prüfen, ob da nicht noch mehr drin ist. Wir sollten einen Teil des Impfstoffs, den wir aus Europa exportieren, hier behalten können. Unabhängig davon muss die Politik dafür sorgen, dass die Verteilung funktioniert hier bei uns im Land und auf keinen Fall mehr auch nur eine Impfdose weggeworfen wird. Das sture Festhalten an einer Impfreihenfolge ist derzeit nicht mehr akzeptabel. Wenn Dosen übrig sind, müssen spontane Nachrücker drankommen – egal, wie alt sie sind und was sie beruflich machen.

Fließen die Wirtschaftshilfen inzwischen?

Mein Eindruck ist, dass der Bundestagswahlkampf bereits wichtige Entscheidungsprozesse lähmt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier bemüht sich redlich darum, die stockenden Auszahlungen an die Unternehmen voranzutreiben, aber Finanzminister Olaf Scholz wirft ihm immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Das verschärft die Not in den betroffenen Unternehmen. Mit dieser destruktiven Art der Profilierung sollte der SPD-Kanzlerkandidat dringend Schluss machen.

Für Antragsstellung und Abschläge war der Wirtschaftsminister zuständig, die reguläre Auszahlen übernehmen die Länder. Was werfen sie Scholz vor?

Der Finanzminister hat die Auszahlungsbedingungen so verkompliziert, das die Gelder nur noch sehr langsam fließen. Er wollte damit Betrug bekämpfen, dabei wäre das die Sache der Staatsanwaltschaften gewesen. Jetzt werden alle Unternehmen in Not für eine Handvoll Betrüger in Haftung genommen.

Bewegen die Arbeitgeber sich beim Thema Testen schnell genug – oder braucht es gesetzliche Änderungen?

Wenn man, wie der Berliner Bürgermeister Michael Müller meint, man müsse der Wirtschaft Beine machen, dann empfinde ich das nicht nur als respektlos, sondern auch anmaßend. In Wahrheit erleben wir doch gegenwärtig fast schon ein Staatsversagen, und jetzt soll die Wirtschaft es richten. Die Wirtschaft – und das sind letztlich wir alle - denn jeder von uns ist ein Teil der Wirtschaft, hält dieses Land am Laufen und leistet einen riesigen Beitrag. Unternehmen testen doch aus Eigeninteresse, weil wir alle die Menschen weiter pandemiegeschützt in Arbeit halten wollen – denn nur mit Wertschöpfung können wir unsere Sozialsysteme am Leben halten, die im Moment alle versorgen.

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass viel mehr Arbeit aus dem Homeoffice möglich ist, als man bislang gedacht hat. Was spricht noch gegen ein Recht auf Homeoffice?

Es gibt auch viele Arbeitsplätze, die nicht Homeoffice-fähig sind. Die Menschen in Fertigungsbetrieben und im Dienstleistungsbereich haben diese Möglichkeit nicht. Und: Was soll ich machen, wenn ein Mitarbeiter zu mir kommt und sagt: „Ich habe zwei kleine Kinder, ich kann zu Hause nicht vernünftig arbeiten?“ Oder wenn es einfach an einem leistungsfähigen Internetanschluss fehlt? Der Staat soll lieber eine gute digitale Infrastruktur liefern als ein weiteres Bürokratiemonster über die Unternehmen auszuschütten. Klar ist: Die Entscheidung darüber, wo die jeweilige Arbeit erbracht wird, liegt allein beim Arbeitgeber und muss dort auch bleiben. Deutschland wird mehr und mehr zum Regulierungsstaat – und diese Entwicklung macht mir große Sorgen. Wir haben alle gelernt, dass Planwirtschaft nicht funktioniert, und nun lesen sich die Wahlprogramme von SPD und Grünen so, als wenn sie auf dem besten Weg dorthin wären.

Jetzt übertreiben Sie…

Schön wäre es. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere persönlichen und unternehmerischen Freiheiten nicht leichtfertig opfern. Nehmen Sie die populistische Debatte über den Mindestlohn: SPD und Grüne fordern jetzt zwölf Euro, die Linke ist schon bei 13, die AfD wird wahrscheinlich bald 14 Euro fordern. Ich nenne das Tarifpopulismus. Wir haben einen Mindestlohn, der gut ist und der funktioniert. Die Höhe bemisst sich an der allgemeinen Lohnsteigerung. Die Politik sollte sich da raushalten.