In der Partei wurden die Tage von Mario Czaja schon gezählt: Nun muss er als Generalsekretär zurücktreten, dafür steigt Carsten Linnemann auf. Wie tickt der neue CDU-General?
Carsten LinnemannWofür der neue CDU-Generalsekretär steht
An einem Tag im Juni sitzt Carsten Linnemann in seinem Bundestagsbüro, telefoniert mit einem CDU-Mitglied. Eigentlich sollte er jetzt ein Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) führen, doch das Gespräch will er noch eben in Ruhe beenden. Das CDU-Mitglied beschwert sich über den Kurs der Bundesregierung, Linnemann nickt und hört zu. Das macht der Paderborner, der aus einer bodenständigen Buchhändlerfamilie stammt, oft: Er ist gerne im Austausch mit CDU-Mitgliedern. Sogar seine Mails koordiniert er selber und antwortet den Mitgliedern persönlich. Zum Ärger seiner Mitarbeiter.
Bald wird Linnemann mit dem schnellen Schritt, der oft aufgeregt und stets leidenschaftlich wirkt, noch viel häufiger mit der Basis in Kontakt stehen. Wie die CDU am Dienstag bekannt gab, wird der Christdemokrat, der bereits Parteivize und Chef der Grundsatzprogrammkommission ist, den Generalsekretärsposten übernehmen. Denn es ist das passiert, was viele in der CDU schon geahnt und manche Parteileute auch herbeigewünscht haben: Mario Czaja muss seinen Schreibtisch räumen.
Dass nun Linnemann an seine Stelle tritt, überrascht nicht: Zuletzt hieß es von vielen insbesondere konservativen CDU-Leuten immer wieder, dass Linnemann eigentlich der geeignetere General sei. Die Abteilung Attacke beherrsche er, hieß es dann als Erklärung. Linnemann war schon immer dafür gut, mal einen rauszuhauen, was Twitter-Deutschland in Wallung bringt und die Konservativen in der Partei erfreut: Kopftuchverbot, verpflichtende Sprachtests für Vorschulkinder und längere Lebensarbeitszeit.
Anders als Czaja hat er ein echtes Vertrauensverhältnis zu Merz. Keiner verteidigt den CDU-Vorsitzenden im Berliner Regierungsviertel mit so viel Verve wie Linnemann. Eigentlich war er seit Merz Amtsantritt schon der heimliche Generalsekretär der CDU.
Innerparteiliche Opposition gegen Angela Merkel
Der Mann aus Nordrhein-Westfalen sitzt seit 2009 im Bundestag und hat sich einen Namen als Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) gemacht. Von 2013 bis 2021 war er der Chef des CDU-Wirtschaftsflügels und bildete damit die innerparteiliche Opposition unter anderem gegen Angela Merkel. Als Friedrich Merz Parteichef wurde, holte der Sauerländer den Westfalen ins Konrad-Adenauer-Haus. Seit 2021 verantwortet er die inhaltliche Neuaufstellung der Partei, die sich ein neues Grundsatzprogramm geben will. Seither lädt Linnemann zu Diskussionsveranstaltungen mit der Basis ein und koordiniert Partei-Fachgruppen für verschiedene Themen von Wohlstand bis hin zur Rente.
Carsten Linnemann sprudelt vor Ideen. Jobpflicht, Aktiv-Rente und steuerfreie Überstunden - in den vergangenen Wochen machte er Schlagzeilen mit immer neuen Forderungen. Parteifreunde applaudierten auf Twitter. Er stellte Czaja damit in den Schatten, der Schwierigkeiten hatte die Arbeit als Generalsekretär mit den Aufgaben im Wahlkreis unter einen Hut zu bringen. Der Ostberliner hatte den Wahlkreis in Marzahn von den Linken aus dem Stand erobert. Das imponierte Merz, der ihn wegen dieser Leistung, seinem ostdeutschen Hintergrund und seiner Zugehörigkeit zum Sozialflügel als Generalsekretär wollte.
Doch Czaja überzeugte nicht. Zuletzt wurde die Kritik in der Partei an ihm immer lauter. Er sei nicht gut vernetzt und stimme sich nicht ausreichend ab, hieß es. Er komme kaum in der Öffentlichkeit vor und sei bisher blass geblieben, lautete der Vorwurf. Ein anderes Problem: Czaja und Merz haben divergente Meinungen darüber, wie die Partei Probleme in der Gesellschaft ansprechen soll.
Während Merz in einer seiner Newsletterausgaben davon sprach, dass Wählerinnen und Wähler wegen Gendersprache in Nachrichtensendungen der Öffentlich-Rechtlichen zur AfD wanderten, mahnte Czaja an, keine Kulturkampfthemen in den Mittelpunkt zu stellen. Der Riss zwischen beiden wurde in den vergangenen Monaten immer deutlicher.
Linnemann gilt als konservativ
Bei Linnemann dürfte das anders werden. Er gilt als konservativ, scheut sich nicht davor, kontroverse Position einzunehmen, formuliert gerne zugespitzt. Ähnlich wie Merz übt er auch scharfe Kritik an den 16 Jahre Regierungszeit von Altkanzlerin Angela Merkel. Sie habe eklatante Fehler gemacht, sagte er vor einigen Monaten. Was man Linnemann zugutehalten muss: Er hat das auch schon gesagt, als Merkel noch Kanzlerin und Parteichefin war - auf Kosten der eigenen Karriere.
Der 45-Jährige ist ebenso wie Merz der Meinung, dass sich die Bundes-CDU klar von der Ära Merkel abgrenzen muss, statt ihre Nähe zu suchen. Er findet auch, dass die CDU die Grünen als Hauptgegner im demokratischen Spektrum sehen sollte. Mehr noch: Linnemann ist davon überzeugt, dass Friedrich Merz der nächste Kanzlerkandidat der Union werden sollte.
Linnemann kann austeilen und einstecken. Kritik nimmt der begeisterte Anhänger des SC Paderborn sportlich - es sei denn, die Kritik wird beleidigend. Deswegen hat er vor einigen Jahren seinen Twitter-Account gelöscht. Den muss er als CDU-General nun wohl wieder aktivieren. (RND)