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ContainerschiffeChinesische Reederei will Teil von Hamburger Hafen – Debatte tobt

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Cosco-Frachter am Hamburger Terminal Tollerort (Archiv).

  1. Die chinesische Reederei Cosco will einen Teil eines Hamburger Hafenterminals kaufen.
  2. Befürworter halten den Deal für wirtschaftliche Normalität, Kritiker fürchten Macht und Einfluss Pekings.
  3. Macht sich Deutschland erneut von zweifelhaften Partnern wirtschaftlich abhängig?

Der Besuch war sehr ergiebig. Mehr als 50 Kilogramm wogen die Geschenke, die Olaf Scholz, damals noch Erster Bürgermeister von Hamburg, bei seinem Besuch 2015 in China bekommen hat, darunter Tee der Marke „Grüner Drachenbrunnen“, ein Porzellan-Service mit Bechern, fünf Flugzeugmodelle und zwei Containerschiff-Modelle in Glaskästen. Es war so viel, dass Scholz, so berichteten Hamburger Medien damals, gar nicht alles mit nach Hause nehmen konnte.

Scholz im Konflikt mit Grünen

Wichtiger aber wohl ohnehin etwas anderes: die freundliche Atmosphäre zwischen ihm und seinen chinesischen Gastgebern. Ein Foto von damals zeigt Scholz mit Li Yunpeng, Vorstandschef der Staatsreederei Cosco, im Hochglanz-Foyer der Hauptzentrale, beide einträchtig nebeneinander. Die Geschäfte liefen danach weiter prächtig, die Cosco-Containerschiffe sind bis heute die häufigsten und wichtigsten Gäste im Hamburger Hafen.

Nur dass ein Herzenswunsch von Cosco dem heutigen Bundeskanzler Scholz neben einem Konflikt mit seinem Koalitionspartner, den Grünen, auch noch eine schwierige Grundsatzdebatte eingebracht hat: Wieviel Einfluss wollen wir China auf unsere kritische Infrastruktur gestatten? Sind wir womöglich dabei, uns wirtschaftlich erneut von einem Land abhängig zu machen, dem westliche Werte fremd sind – und das uns im Zweifel dominieren will? Machen wir den gleichen Fehler wie bei der Energieversorgung aus Russland wieder?

Annalena Baerbock warnt: „Hamburger Hafen ist nicht irgendein Hafen“

Die deutsche Außenministerin warnt jedenfalls schon mal genau davor. „Der Hamburger Hafen ist ja nicht irgendein Hafen, sondern einer der Schlüsselhäfen nicht nur für uns als Exportnation, sondern für Europa insgesamt“, sagte Annalena Baerbock jetzt der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir müssen uns bei jeder Investition in deutsche kritische Infrastruktur fragen, was das in jenem Moment bedeuten könnte, in dem sich China gegen uns als Demokratie und Wertegemeinschaft stellen würde.“

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Hamburger Skyline mit Hafenkränen.

Dabei ist das Containerterminal Tollerort, benannt nach einer früheren Zollstation, nur eines von vier Terminals im Hamburger Hafen – und dazu noch das kleinste: Vier Liegeplätze, gut 1000 Meter Kaimauer, 14 Containerbrücken.

Cosco wünscht Minderheitsbeteiligung am Terminal Tollerort

Mit ihrem Wunsch nach einer Beteiligung aber macht die chinesische Staatsreederei Cosco nun ausgerechnet aus dem kleinen Tollerort, gelegen auf einer Kaizunge zwischen den Elbinseln Steinwerder und Waltershof, zum Symbol der Debatte um Grenzen und Gefahren der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.

35 Prozent an der Tollerort-Betreibergesellschaft will Cosco nun von der Hamburger Hafen und Logistik, kurz HHLA, übernehmen. Ein Deal, der im vergangenen Jahr schon besiegelt schien, bis jetzt Bedenken des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck laut wurden. „Ich tendiere dazu, dass wir das nicht erlauben“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. China könne Einfluss auf den Handel nehmen – und generell finde er, „dass wir kritischer gegenüber chinesischen Investments in Deutschland sein sollten“.

Somit sind die Konflikte da: Baerbock und Habeck gegen Scholz, der gerade wieder vor einer wirtschaftlichen „Entkopplung“ von China gewarnt hat. Grüne gegen die Hamburger Wirtschaft, die noch größere Probleme für den Hafen fürchtet, sollte sich Cosco neue Ziele suchen. Und die Grünen in der Bundesregierung gegen die Hamburger Regierungsspitze.

Hamburgs Bürgermeister sieht Sicherheit durch Investment nicht gefährdet

Im Hamburger Hafen jedenfalls hält man die deutsche Außenministerin für in diesen Fragen ahnungslos: „Grob vereinfacht“ habe Baerbock, wirft ihr ein HHLA-Sprecher vor, schließlich gehe es um eine Minderheitsbeteiligung der Chinesen, die keinen Zugriff auf die Infrastruktur des Hafens erhielten. Und auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hält die Bedenken für abwegig: „Eine Ablehnung der Cosco-Beteiligung durch die Bundesregierung ist im Hinblick auf die nationale Sicherheit und Unabhängigkeit nicht begründbar“, sagt der SPD-Politiker.

Alles übertrieben also? Sind die Grünen-Einwände nichts als Signale an die eigene Basis, um deren Wunsch nach ethischer Eindeutigkeit zu stillen?

Tatsächlich sieht sich China im Systemkonflikt mit dem Westen – und nutzt gezielt Investitionen in die Infrastruktur vor allem von Schwellenländern, um seinen Einfluss zu vergrößern. Straßen bauen, Betriebe kaufen, all das ist weltweit die Strategie, die China unter Xi Jinping offensiv verfolgt. „Der Osten steigt auf und der Westen steigt ab, daran gibt es in ihrem Denken keinen Zweifel“, sagt der frühere China-Analyst der CIA, Christopher K. Johnson.

Cosco: vom chinesischen Staat kontrolliertes Unternehmen

So warnt auch Jacob Gunter vom Mercator Institut für Chinastudien gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland davor, naiv auf die chinesischen Beteiligungswünsche zu schauen. „Cosco ist kein normales Unternehmen“, betont er. „Cosco wird vom chinesischen Staat kontrolliert, massiv subventioniert und ist auf dem heimischen Markt vor Konkurrenz geschützt.“

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Containerstellplätze auf dem Hafengelände in Hamburg.

Gunter glaubt nicht an Spionage-Ambitionen von Cosco; Geheimdienstler, die vom Containerkran aus den Hafen ausspionieren, seien eine eher naive Vorstellung. Für ihn geht es darum, dass China seiner Reederei mit ungleichen Mitteln den ökonomischen Aufstieg ermöglicht. Derzeit ist Cosco mit 475 Schiffen die viertgrößte Reederei der Welt, die Ambitionen gehen jedoch weiter. Das ökonomische Problem sei die fehlende Gegenseitigkeit: „Chinesische Unternehmen dürfen in Deutschland Dinge tun, die deutsche Unternehmen in China nicht dürfen.“

China interessiert sich auch für Binnenschifffahrt in Europa

So werde Cosco vermutlich in Deutschland auch weitere Unternehmen gründen, um zum Beispiel Binnenschifffahrtslinien zu betreiben – was China deutschen Firmen im Gegenzug nicht gestatten würde. „Deutschland und die EU müssen entscheiden, wie viel von diesem ökonomischen Ungleichgewicht es akzeptiert“, sagt Gunter. Die Idee eines freien Marktzugangs sei gut – die Frage sei nur, ob sie auch gegenüber China klug ist.

Jacob Gunters Sympathie ist dabei eindeutig: Es muss nicht gleich der Ausschluss sein – aber die Behörden müssten genauer schauen, mit wem sie es zu tun haben.

Dänische Reederei Maersk ist an Terminals beteiligt

Beim Einstieg von Cosco im Hamburger Hafen könnte es dafür schon zu spät sein. 2,2 Millionen Standardcontainer sind 2021 aus China in Hamburg gelandet, die China-Dienste sind für Hamburg die mit Abstand wichtigsten. 100 Millionen Euro will Cosco für die 35-Prozent-Beteiligung zahlen – viel Geld für einen Hafen, der nach der schwierigen Pandemiezeit wieder Anschluss an die erfolgreicheren Konkurrenten in Rotterdam und Antwerpen suchen muss.

So sieht Jan Wedemeier vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut in der Cosco-Beteiligung auch eher einen späten Schritt zur Normalisierung. Unternehmen wie die weltgrößte Reederei Maersk seien längst an Terminals beteiligt, auch Cosco hat sich nahezu europaweit in Häfen eingekauft: Neben der Komplettübernahme des griechischen Hafens Piräus, in der Finanzkrise gleichsam zum Sonderpreis, halten die Chinesen auch Minderheitsbeteiligungen in Rotterdam und Antwerpen; in Valencia, Zeebrügge und Bilbao halten sie die Mehrheit. „Erstaunlich ist eher“, sagt Wedemeier, „dass es in Hamburg erst jetzt zu einer Beteiligung kommt.“

Wer Cosco und die Chinesen aus europäischen Häfen heraushalten will, der kommt jedenfalls zu spät: Sie sind längst da.

Entzündet sich Einstiegsdebatte an einem falschen Beispiel?

Vorteile bietet das Geschäft beiden: Cosco, das sich eine bevorzugte Abfertigung seiner Schiffe sichert. Und dem Hafen, der sich Ladung sichert – und damit Arbeit. Die Bedeutung der Verbindung für Hamburg und den Hafen sei jedenfalls sehr groß. Letztlich gehe es in Tollerort auch nicht um die Infrastruktur, sondern, so Wedemeier, um „Suprastruktur“, also Gebäude und Kräne. „Deshalb sehe ich diese Beteiligung nicht besonders kritisch.“

Folgt man ihm, dann wäre das Containerterminal letztlich der falsche Ort für eine im Grunde richtige und nötige Debatte.

In Duisburg, das sich bis vor Kurzem stolz als China-Stadt und Endstation der „Neuen Seidenstraße“ vermarktete, hat Cosco bereits 30 Prozent an einem Hafenterminal übernommen. In der vom Strukturwandel noch immer gebeutelten Stadt war das Problembewusstsein weit kleiner als in Hamburg – zumal alles vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine geschah.

Bundeskabinett entscheidet über Investment in Tollerort

Über Tollerort und die Chinesen muss nun das Bundeskabinett entscheiden. Die Position der Grünen ist deutlich. Vom Kanzler heißt es, seine Bedenken seien deutlich kleiner. Aber eine Bestätigung gibt es dafür nicht. Zu laufenden Investitionsprüfungsverfahren äußere sich das Bundeskanzleramt nicht, erklärt ein Regierungssprecher. Eine Entscheidung sollte eigentlich spätestens im Oktober fallen. Doch das gilt kaum mehr als realistisch. Cosco selbst, des Hin und Hers allmählich überdrüssig, drängt auf eine Entscheidung bis spätestens Ende Dezember.

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Im Hafen hoffen sie jedenfalls auf ihren früheren Ersten Bürgermeister. Für den November plant Scholz eine China-Reise. Dort, so glauben sie im Hafen, werde er wohl kaum mit einer Absage an Cosco anreisen und die Chinesen auf diese Art düpieren – sondern möglicherweise eher ein anderes Geschenk im Gepäck haben.