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„Da war nichts“Olaf Scholz vor dem Hamburger Cum-ex-Ausschuss

Lesezeit 4 Minuten
Olaf Scholz im U-Ausschuss

Will sich nicht erinnern können: Olaf Scholz

Hamburg – Nach gut drei Stunden entfaltet die Befragung des Zeugen Olaf Scholz vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft ihr kabarettistisches Potenzial. Ob er, natürlich nur auf freiwilliger Basis, mit einer Hypnose einverstanden sei, um seine verschütteten Erinnerungen freizulegen, fragt CDU-Ausschussobmann Richard Seelmaecker. Scholz antwortet trocken: „Ihre Frage legt die komödiantische Ebene offen, auf der wir inzwischen angekommen sind“.

Da hatte Scholz schon stundenlang seine Kernaussage variiert, sich an keinerlei Details seiner Termine mit den Bankiers des Hamburger Bankhauses Warburg zu erinnern.

Scholz antwortet im Plenarsaal der Hamburgischen Bürgerschaft von der Regierungsbank aus. Hier saß er viele Jahre als Erster Bürgermeister. Auf dem Schild vor ihm steht heute etwas anderes: Olaf Scholz. Zeuge.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Der Bundeskanzler zieht lächelnd einen Stapel Papier aus seiner Aktentasche, es sind Presseberichte zum Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. Scholz hat aus seiner Sicht entlastende Artikel zum Skandal um die Steuerbetrügereien der Warburg-Bank ausgewählt, auch diese gibt es.

Kann sich Scholz wirklich nicht erinnern?

Thema der Befragung sind drei Treffen von Scholz mit den Hamburger Bankier Christian Olearius und Max Warburg in den Jahren 2016 und 2017. Scholz hatte die Treffen zwar bei seiner ersten Vernehmung vor dem Ausschuss im April 2021 eingeräumt, aber angegeben, sich an Gesprächsinhalte nicht mehr erinnern zu können. Dabei bleibt er auch am Freitag. Wieder und immer wieder gibt er an, keine konkrete Erinnerung an diese Treffen zu haben. Für ihn reiche: „Ich unterhalte mich gern und weiß, dass ich mich rechtstreu verhalte. Das gibt für alle Gespräche, die ich führe.“

Nach den ersten Treffen hatte Scholz laut Aussage von Olearius empfohlen, ein Verteidigungsschreiben der Bank an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu schicken.

Tschentscher hatte das Schreiben mit der „Bitte um Informationen zum Sachstand“ an die Finanzverwaltung weitergereicht, wo man sich kurze Zeit später entgegen ursprünglichen Plänen entschloss, die Forderung in die Verjährung laufen zu lassen. Auch eine weitere Forderung über 43 Millionen Euro wurde ein Jahr später erst kurz vor Eintritt der Verjährung und auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums erhoben.Tschentscher hatte die Weiterleitung des Schreibens vor dem Ausschuss bestätigt. Den Vorwurf einer Einflussnahme aber als „haltlos“ bezeichnet.

Fünf bis sechs Varianten von „Da war nichts“

Es habe zu keinem Zeitpunkt politischen Einfluss von Scholz auf die Entscheidung der Finanzbehörde gegeben, so lässt der heutige Bundeskanzler seit zweieinhalb Jahren wiederholen, seit seine Gespräche mit den Warburg-Bankiers bekannt wurden.

In seinem halbstündigen Eingangsstatement wiederholt er diese Aussage nicht einmal, nicht zweimal, sondern gleich fünf bis sechs Mal in unterschiedlichen Varianten. „Da war nichts“, sagte Scholz mit Blick auf die bekannt gewordenen Tagebucheinträge von Warburg-Bankier Olearius. Und nach zweieinhalb Stunden noch einmal, drängender: „Wir könnten jetzt langsam mal zum Punkt kommen. Da war nichts.“

War das wirklich nichts? Olearius schrieb am 26. Oktober 2016 nach einem Treffen mit Scholz laut verschiedenen Medien über den damaligen Ersten Bürgermeister: „Er fragt, hört zu, äußert keine Meinung, lässt nichts durchblicken, was er denkt und ob und wie er zu handeln gedenkt. Ich verstehe das, will ja auch nicht drängen und ihn in irgendeiner Weise kompromittieren.“

„Lunch als Dank für die Hilfestellung“

Diesen Tagebucheintrag zitiert Scholz in seinem Statement, zwei andere hingegen nicht: Am 9. November teilt Scholz Olearius laut dessen Aufzeichnungen mit: „Schicken Sie das Schreiben ohne weitere Bemerkung an den Finanzsenator.“ Olearius fährt fort: „Ich frage nichts, danke und lasse das Schreiben H. Tschentscher überbringen.“

Am 17. November wird der Warburg-Bank eine Zahlung von 47 Millionen Euro erlassen. Am 22. Dezember lädt Olearius laut Tagebucheintrag seine SPD-Lobbyisten Alfred Pawelczyk und Johannes Kahrs zum „Lunch als Dank für die Hilfestellung“ ein.

Scholz aber bleibt bei seiner Linie: Es gebe keinen Hinweis, dass er oder Tschentscher sich in das Steuerverfahren eingemischt haben, „weil es ihn auch nicht geben kann“.

Gespräche dienten der Meinungsbildung

Sein Eingangsstatement beendet Scholz mit folgenden Worten: „Ich hege die leise Hoffnung, dass diese Mutmaßung und Unterstellung nun aufhört, denn sie hat keine Grundlage.“

Dass er sich dreimal in zwei Jahren mit den Warburg-Chefs getroffen hat, sei „keine Vorzugsbehandlung“: Auch mit den Chefs der Hamburger Sparkasse und der anderen großen hanseatischen Privatbank Berenberg habe er sich im selben Zeitraum jeweils dreimal getroffen.Solche Gespräche dienten zur Meinungsbildung, sagte Scholz. „Ich gebe keine Zusagen und verspreche auch nichts, ich bin da ausgesprochen zurückhaltend.“ Er habe sich stets „korrekt verhalten“.

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Die Opposition schäumt: „Ich finde Ihr Eingangsstatement anmaßend“, sagt Linken-Obmann Norbert Hackbusch. Er kritisiert Scholz scharf: „Ihre Art und Weise der Nicht-Erinnerung führt dazu, dass es Spekulationen gibt. Und Sie werfen uns vor, dass wir diese Spekulationen nicht beweisen können. Das möchte ich zurückweisen.“ CDU-Obmann Seelmaecker bezeichnet die Aussagen des Zeugen Scholz schlicht als „unglaubwürdig“.

Erinnern kann er sich immerhin an sein letztes Treffen mit Johannes Kahrs. Das sei bei der traditionellen Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD im Juni auf dem Berliner Wannsee gewesen. „Ich habe ihm guten Tag gesagt“, sagt Scholz aus. Konkreter wurde es an diesem Tag nicht.