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Debatte um NachholfaktorWie sich Corona auf die Höhe der Rente 2022 auswirken wird

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Rente

Im Juli steigen die Renten im Osten und im Westen um mehr als 5 Prozent. 

Berlin – Die Renten werden im kommenden Jahr stark steigen. Laut einer offiziellen Schätzung sollen die Renten im Juli in Westdeutschland um 5,2 Prozent steigen – und damit so stark, wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Im Osten soll sich die Steigerung nach den derzeitigen Berechnungen auf 5,9 Prozent belaufen, also im Zuge der Angleichung an den Westen noch etwas stärker ausfallen. Das geht aus dem Entwurf des Rentenversicherungsberichts 2021 hervor.

Für einen Rentner mit 1000 Euro Rente würde dies im Westen eine Erhöhung auf 1052 Euro, im Osten eine Erhöhung auf 1059 Euro bedeuten. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestätigte die Zahlen, wies allerdings darauf hin, dass die endgültige Berechnung erst im März kommenden Jahres vorliegen werde.

Corona-Krise schlug 2020 auf die Rente

Die Unsicherheiten seien in dieser Hinsicht gerade mit Blick auf die Corona-Krise noch etwas größer als sonst. „Eine Abweichung von einem Prozentpunkt oder mehr ist durchaus im Bereich des Möglichen – genauso, wie es auch zu einer Punktlandung kommen kann“, sagte Alexander Gunkel vom Vorstand der Rentenversicherung auf Nachfrage am Mittwoch vor Journalisten in Berlin.

Die Frage, ob und wie stark die Renten erhöht werden, orientiert sich jeweils an der Lohnentwicklung des Vorjahres. So gab es im laufenden Jahr eine Nullrunde für die Rentner, weil die Corona-Krise voll bei den Renten durchgeschlagen ist. Im Jahr 2022 wird sich bei den Renten dann bemerkbar machen, dass es aktuell schon wieder aufwärts gegangen ist. Auch für 2023 sind die Aussichten damit gut: Momentan gehen viele Forscher davon aus, dass die Wirtschaft in Deutschland dann kräftig wachsen wird.

Debatte um Nachholfaktor neu entfacht

Die kräftige Rentenerhöhung dürfe auch die Debatte über die Aussetzung des sogenannten Nachholfaktors wieder beleben. Dank einer Schutzklausel ist ausgeschlossen, dass es zu Rentenkürzungen kommt – selbst wenn sie sich rechnerisch ergeben sollten. Das war zum Beispiel im laufenden Jahr der Fall: Es gab eine Nullrunde für die Rentner, aber keine Rentenkürzung. Ursprünglich gab es mal einen Nachholfaktor, der vorgesehen hätte, dass dafür die nächste Rentenerhöhung geringer ausfällt.

Dieser Nachholfaktor ist aber von der großen Koalition ausgesetzt worden. In kommenden Jahren könne es allerdings auch wieder zu geringeren Erhöhungen und Nullrunden kommen, hieß es seitens der Rentenversicherung. Bei den Steigerungen der Rentenhöhe habe man es mit einer Wellenbewegung zu tun, die über mehrere Jahre betrachtet werden müsse, sagte Gunkels Vorstandskollegin Anja Piel.

Beiträge sollen zunächst stabil bleiben

Der Beitrag zur Rentenversicherung bleibt zunächst stabil, wie Piel auf Grundlage der Finanzschätzung vom Oktober dieses Jahres sagte. „Der Beitragssatz von 18,6 Prozent wird bis 2023 voraussichtlich beibehalten werden können und steigt danach bis 2025 auf 19,7 Prozent“, sagte sie. Bis 2025 gilt für den Beitragssatz nach derzeitigem Recht eine Haltelinie von 20 Prozent, die nicht überschritten werden darf.

Piel räumte allerdings ein, dass die Rente es bald stärker mit den Herausforderungen durch den demografischen Wandel zu tun bekommen werde. „Gleichwohl ist natürlich nicht zu übersehen, dass trotz der Reformen der vergangenen Jahre langfristig mehr Rentner auf 100 Beitragszahler entfallen werden“, sagte sie. „Deshalb wird der Beitragssatz steigen müssen“, fügte sie hinzu.

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Ökonomen wie Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München mahnen, die Politik müsse sich jetzt darum kümmern, dass die Weichen für eine stabile Rente in der Zukunft gestellt würden. „Da die Babyboomer bald in großer Zahl in Rente gehen, erwartet uns in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025 ein Finanzierungsschock“, hat er mehr als einmal gewarnt.

Bei den Reformanstrengungen darf aus seiner Sicht auch das Thema Renteneintrittsalter nicht ausgespart werden. Dieses steigt durch die Einführung der Rente mit 67 momentan ohnehin an. Für die Zeit ab 2030 fordert der Ökonom, das Rentenalter solle an die Steigerung der Lebenserwartung gekoppelt werden. Die Devise: Wenn die Menschen älter würden, müssten sie einen Teil dieser Zeit auch arbeiten.