US-VorwahlenDer extraleise Triumph des Joe Biden
Washington – Kein begeisterter Anhänger jubelte, und es gab kein Gedränge in einem überfüllten Partysaal. Nur per Livestream meldete sich der Sieger des Abends gleichsam aus dem Off zu Wort. Schlecht ausgeleuchtet stand da Joe Biden ganz alleine vor zwei amerikanischen Flaggen und einer schwarzen Wand. Sein Gesichtsausdruck war ernst. Und es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis der Ex-Vizepräsident den Erdrutschsieg bei drei Vorwahlen zumindest beiläufig erwähnte.
Sanders nicht mehr gefragt
Die Corona-Pandemie mit inzwischen mehr als 100 Toten in den USA hat die Kandidatenkür der Demokraten spürbar an den Rand gedrückt. Und sie erlaubt kein lautes parteipolitisches Triumphgeheul - nicht nur aus Rücksicht auf die öffentliche Stimmung. Mindestens ebensowichtig ist der praktische Schutz vor einer Ansteckung, weswegen Biden und sein linker Rivale Bernie Sanders sämtliche Kundgebungen abgesagt hatten.
Das hat ganz offensichtlich dem Alt-Revoluzzer Sanders, der auf die Mobilisierug seiner jungen Anhängerschaft setzt, deutlich mehr geschadet als Biden, der sich überzeugend als Staatsmann und Krisenmanager in Szene setzt. Die Ergebnisse aus dem wichtigen Swing-State Florida und dem von der Autoindustrie geprägten Illinois im Mittleren Westen sprechen eine eindeutige Sprache: Dort hat Biden jeweils fast zwei Drittel der Stimmen auf sich vereint. Sanders hingegen schnitt dieses Mal schlechter ab als bei dem Duell mit Hillary Clinton vor vier Jahren.
Stolperstart, jetzt das Comeback
Nach den Primaries in der Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten steht damit der Herausforderer von Präsident Donald Trump so gut wie fest: Es wird der 77-jährige Biden sein. Nach einem katastrophalen Stolperstart in Iowa und New Hampshire hat der populäre Ex-Obama-Vize seit drei Wochen ein spektakuläres Comeback hingelegt, die afro-amerikanischen Wähler und das Establishment der demokratischen Partei hinter sich versammelt und inzwischen einen Vorsprung von rund 300 Delegiertenstimmen eingefahren, der nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufzuholen ist.
Im Grunde ist das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur damit vorbei. Die nächsten Vorwahlen in Ohio, Georgia, Louisiana und Kansas sind wegen der Corona-Krise um Wochen verschoben und interessieren ohnehin niemand mehr. Das Land hat andere Probleme als die endlose Kandidatenkür der Demokraten, deren Ausgang festzustehen scheint. Die Frage ist nur, wann der eigensinnige Sanders das einsieht und aus dem Rennen ausscheidet. Der moderate Biden hat mit der Übernahme linker Forderungen zum kostenlosen Studium und dem Schutz von Privatleuten vor einer Insolvenz schon wichtige Friedensangebote an den anderen Flügel gemacht. "Ich höre Euch. Ich weiß, was auf dem Spiel steht", rief er am Dienstagabend den Sanders-Anhängern zu.
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Man kann nur hoffen, dass der 78-Jährige seine Niederlage akzeptiert und die Größe zu einem baldigen Abgang hat. Endlose weitere innerparteiliche Personaldiskussionen bis zum Wahlkonvent im Juli würden den Demokraten im derzeitigen Ausnahmezustand des Landes massiv schaden. Räumt der linke Senator aber honorig das Feld, kann sich die Partei endlich auf die Auseinandersetzung mit dem Mann konzentrieren, der jeden Tag ein Stück mehr die Demokratie in Amerika zu zersetzen droht: Donald Trump.