Donald Trump triumphiertChaos statt Kandidatenkür bei Demokraten in Iowa
Des Moines – Insgesamt 58 Tage hat er seit dem vorigen Herbst in Iowa verbracht, hat hunderte Reden gehalten und mehr als vier Millionen Dollar in Werbung investiert. Doch als Ex-Vizepräsident Joe Biden am Montag um 22.30 Uhr mit seiner Frau Jill die Veranstaltungsbühne der Drake-Universität in der Landeshauptstadt Des Moines erklimmt, kann er keinen Sieg verkünden.
Er kann auch nicht versuchen, ein schwaches Abschneiden zu verkleistern. Eigentlich kann der bisherige Favorit im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur gar nichts sagen.
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Seit Stunden schon schwankt die Stimmung unter den Anhängern im Raum zwischen Frust und Galgenhumor. Auf dem großen Monitor sind nämlich zwar viele Bilder des Senders CNN zu sehen – aber keine Zahlen. Vor vier Jahren waren zu dieser Zeit längst 90 Prozent der Wahlbezirke des Mini-Staats mit gerade mal 3,2 Millionen Einwohnern ausgezählt. An diesem Montag sind es: null. Nach langem Warten hat die Parteizentrale mitgeteilt, es gebe „Ungereimtheiten in den Ergebnissen“.
Nicht nur die zwölf Kandidaten, die am Abend schnell ihre Fernsehreden halten wollten, um dann weiter nach New Hampshire, dem Schauplatz der nächsten Vorwahlen zu fliegen, sind entsetzt. „Vor dem Hintergrund der Debatte um Wahlmanipulationen ist diese Ungeschicklichkeit und die Verwirrung um die Ergebnisse von Iowa ein ernsthaftes Debakel“, twittert John F. Harris, einer der Gründer der renommierten Nachrichtenseite Politico.
Abstimmung mit den Füßen in Iowa
Tatsächlich dauert es nicht lange, bis das Lager von Präsident Donald Trump den Mega-Gau der Demokraten genüsslich auskostet: „Die Demokraten schmoren in einem selbstgemachten Schlamassel mit der schlampigsten Katastrophe aller Zeiten“, ätzt Brad Parscale, der Wahlkampfmanager des Präsidenten: „Und diese Leute wollen unser gesamtes Gesundheitssystem managen?“
Tatsächlich spricht nichts für einen Hackerangriff oder eine gezielte Manipulation. Vielmehr scheint der Mythos des ersten Vorwahlstaaates mit seinem byzantinischen Wahlsystem am eigenen Transparenz-Anspruch implodiert zu sein. Anders als in anderen Bundesstaaten werden die Kandidaten in Iowa nicht durch eine normale Wahl, sondern durch eine Abstimmung mit den Füßen bei Nachbarschaftsversammlungen gekürt. Dabei gilt eine 15-Prozent-Hürde. Wer sich für einen Kandidaten mit weniger Stimmen entschieden hat, kann in einer zweiten Runde für einen stärkeren Bewerber votieren.
Das Verfahren an sich ist schon kompliziert genug. Doch erstmals sollten die Aufseher der 1700 Caucus-Lokale in diesem Jahr nicht nur das Endergebnis, sondern auch diverse Roh-Daten der Zwischenabstimmungen zur Zentrale melden. Das funktionierte offenbar mit der App nicht. Nun müssen die Zahlen abfotografiert und durchtelefoniert werden. Niemand weiß, wie lange das dauert.
Um die Größe des Desasters zu begreifen, muss man wissen, dass Iowa seit Wochen der Nabel der innenpolitischen Berichterstattung der USA ist. Die erste Vorwahl gilt als Stimmungsbarometer und löst zudem wegen des gigantischen medialen Interesses gewöhnlich eine ganz eigene Dynamik aus. Wer es in Iowa nicht unter die ersten drei Kandidaten schafft, hat traditionell keine Chance mehr auf die Spitzenkandidatur der Partei.
Sanders erklärt sich zum Sieger
Bizarrerweise musste in diesem Jahr auch die letzte Umfrage, die der Öffentlichkeit schon einmal ein Gefühl für das mögliche Ergebnis gibt, wegen methodischer Mängel zurückgehalten werden. Trotzdem sickerten am Montag Zahlen durch, die ein starkes Abschneiden des Alt-Revoluzzers Bernie Sanders und eine Niederlage von Joe Biden suggerierten. Ob es tatsächlich so gekommen ist, wird wohl frühestens im Laufe des amerikanischen Dienstags klar werden. Sanders erklärte sich zumindest schon einmal zum Sieger.
Offenbar war die Wahlbeteiligung unerwartet niedrig. Sowohl die Kampagnen des Ex-Bürgermeisters Pete Buttigieg wie der moderaten Senatorin Amy Klobuchar behaupten derweil, sie hätten gleich gut oder besser als Joe Biden abgeschnitten.
Insofern ist das Daten-Chaos vielleicht sogar noch hilfreich für den bereits seit längerem strauchelnden Favoriten. In ein paar Tagen wird von Iowa keine Rede mehr sein und die amerikanische Öffentlichkeit wird auf New Hampshire blicken. Früher als die meisten Wettbewerber tritt Biden am Montagabend denn auch vor die Kameras. „Das wird ein langer Abend“, sagt er: „Wir haben ein gutes Gefühl über unser Abschneiden.“