In mehreren Ländern Europas herrscht derzeit Dürre, dabei ist noch nicht einmal Sommer. Was bedeutet das für die kommenden Monate und wie stark ist Deutschland betroffen? Zwei Experten erklären das Phänomen und die möglichen Folgen.
Dürrewinter in EuropaWas bedeutet das für Deutschland?
In Frankreich fiel zu Beginn des Jahres so gut wie kein Regen. Gewässer wie der See Montbel in den Pyrenäen drohen deshalb auszutrocknen. Und auch in Italien machen sich die Auswirkungen einer Winterdürre bemerkbar: Im Gardasee sinkt der Pegelstand genauso wie in den Kanälen Venedigs, wo derzeit die Gondeln auf Grund laufen. In der spanischen Provinz Katalonien sollen Parks und private Gärten nicht mehr bewässert werden, die Landwirtschaft ist dort zum Wassersparen angehalten. Selbst in Ländern, in denen es normalerweise häufig regnet, herrscht in diesem Winter Dürre. So mangelt es auch in Großbritannien an Niederschlag, in Irland wurden in diesem Jahr wegen Trockenheit schon 20 Waldbrände gemeldet. Wenn aber schon der Winter so trocken ist – droht dann im kommenden Sommer die absolute Dürrekatastrophe? Und wie stark ist dann auch Deutschland betroffen?
Ein wichtiger Grund für die Winterdürre in Zentraleuropa ist der geringe Schneefall in den Alpen. „Normalerweise sammelt sich dort im Winter der Schnee und speist bei Tauwetter die großen Flüsse wie den Rhein, die Donau, die Rhone oder den Po“, erklärt Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wir nennen die Alpen deshalb auch einen Wasserturm.“ In diesem Winter liegen in den Bergen aber in vielen Regionen nur etwa 50 Prozent der üblichen Schneemenge. Nicht nur, weil es weniger geschneit hat, sondern auch, weil es schon zu Weihnachten bei milden Temperaturen eine Schmelzphase gab, in der Schnee bereits abgetaut ist.
Grundwasserpegel auf einem Rekordtief
Deutschland stehe im Vergleich zu Italien oder Frankreich derzeit noch besser da, sagt Hattermann: „Bei uns gab es im Januar und Februar ganz gute Niederschläge. Aber auch in vielen Gebieten Deutschlands befindet sich der Grundwasserpegel auf einem Rekordtief.“ Die Situation habe sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten entwickelt: „Es ist fast schon das fünfte Jahr in Folge mit Dürre, da hat sich einiges an Wasserdefiziten aufsummiert. Außerdem hat aufgrund der höheren Temperaturen die Verdunstung zugenommen.“
Wie sich die Situation bis zum Sommer weiterentwickelt, lasse sich derzeit noch nicht sicher sagen. Eine durchschnittliche Niederschlagsmenge im Frühjahr werde aber nicht genügen, um den Grundwasserspiegel aufzufüllen. Zudem herrsche Trockenheit in den unteren Bodenschichten, sodass das versickernde Wasser zu großen Teilen nicht bis zum Grundwasserspiegel durchdringt. „Im Frühjahr wird es schnell von der Vegetation aufgezehrt, wobei die Vegetationszeit wegen der höheren Temperaturen auch immer früher beginnt“, so Hattermann.
Negative Auswirkungen auch auf die Industrie
Daher steige das Risiko, dass es im Sommer zu einer stärkeren Dürre kommt, die Waldschäden und Ernteeinbußen in der Landwirtschaft zur Folge haben könne. Insbesondere die Waldschäden seien immens, da sich die Wälder anders als die Landwirtschaft nicht so bald wieder erholen. „In Brandenburg sind zum Beispiel nur 8 Prozent der heutigen Baumbestände bisher noch nicht durch Trockenheit geschädigt“, sagt Hattermann.
Niedrigstände in Flüssen, die bei anhaltender Dürre und Trockenheit drohen, könnten sich außerdem negativ auf die Industrie auswirken. So könne der Transport von Massengütern auf dem Wasserweg beeinträchtigt werden wie auch die Nutzbarkeit von Kraftwerken, die das Wasser für ihre Kühlung benötigen. Die Trockenheit werde sich in verschiedenen Gebieten Europas in Zukunft unterschiedlich entwickeln, so der Experte. „Im Westen und Norden wird es eher größere Niederschlagsmengen geben, im zentralen und südlichen Europa geringere.“ Deutschland liege zwischen diesen Zonen. „Die neuesten Szenarien deuten darauf hin, dass bei uns eher die Trockenheit zunehmen wird. Wenn es aber regnet, sind dann diese Niederschläge oft intensiver“, so Hattermann.
Prognose noch nicht möglich
Andreas Marx ist als Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) tätig und war an der Entwicklung des Dürremonitors für Deutschland beteiligt. Direkte Schäden drohten durch eine Dürreperiode im Winter erst einmal noch nicht, sagt er. Allerdings sei man für die Gefahr anhaltender Trockenheit inzwischen sensibilisiert. Frankreich fürchte einen niedrigen Gewässerpegel auch deshalb, weil das Wasser aus Flüssen zur Kühlung seiner zahlreichen Atomkraftwerke benötigt wird. In Italien sei die Sorge vor Auswirkungen auf die Landwirtschaft groß, vielleicht aber zum jetzigen Zeitpunkt noch übertrieben. „Es war die Rede von 40 Prozent Ernteeinbußen in den kommenden Monaten, das lässt sich so zu diesem Zeitpunkt aber unmöglich vorhersagen“, sagt Marx.
So seien die Böden 2021 im Frühjahr in vielen Teilen Europas schon einmal sehr trocken gewesen. „Dann kam ein Sommer ohne große Hitzewelle und mit vielen Niederschlägen. Dadurch wurden in der Landwirtschaft schließlich überdurchschnittliche Erträge erzielt.“ Richtig sei aber, dass das Risiko für eine starke Dürre im Sommer steige, wenn schon im Frühjahr der Grundwasserspiegel niedrig sei. „Wenn es dazu kommt, dann drohen tatsächlich Schäden für Land- und Forstwirtschaft“, sagt Marx.