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Kommentar zur AtomkraftRobert Habeck gelingt ein cleverer Schachzug

Lesezeit 3 Minuten
Habeck 060922

Robert Habeck

CDU, CSU und FDP zürnen. Die Stimmung bei den Grünen war hingegen schon mal schlechter. Der Grund dafür ist hier wie dort der aktuelle Stand im Streit um die Verlängerung der Laufzeiten der drei verbliebenen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2.

Während der erstgenannte Meiler komplett vom Netz gehen soll, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die beiden anderen bis zum Frühjahr in eine Notreserve überführen. Die Kraftwerke sollen Stand-by gehalten werden, um sie bei Bedarf kurzfristig hochfahren zu können. Was den bürgerlichen Parteien zu wenig ist, erscheint der Ökopartei gerade noch zumutbar. Wer diesen Konflikt gewonnen und wer ihn verloren hat, das wird sich erst im Rückblick sagen lassen.

Union und FDP unglücklich mit Habecks Entscheidung

Unter Umständen hätten sich die Konfliktparteien auf einen Kompromiss verständigen können: nämlich auf einen Streckbetrieb aller drei Werke bis 2023 oder gar eine moderate Laufzeitverlängerung mit neuen Brennelementen bis 2024. Es ist nicht sicher, dass sich die Grünen dazu hätten breitschlagen lassen. Aber es wäre, wenn man in die Partei hinein hört, auch nicht völlig ausgeschlossen gewesen.

Freilich ging es Union und FDP nicht allein darum, eine etwaige oder tatsächliche Stromlücke zu schließen, die im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise eventuell entsteht. Hinter der sachlichen Erwägung lugte das macht- und parteipolitische Interesse deutlich hervor. Für die größte Oppositionsfraktion und den kleinsten Koalitionspartner war der Streckbetrieb auch der Fuß in der Tür, um zunächst eine Laufzeitverlängerung und dann womöglich einen echten Wiedereinstieg in die Atomenergie folgen zu lassen.

Für die Grünen ist Atomkraft ein Grundsatzthema

Die Grünen mussten unterdessen schon allerlei Federn auf ihrem Kerngebiet – der Ökologie – lassen. Sie holen Kohlekraftwerke aus der Reserve und stimmten einer Verschiebung der CO2-Preis-Erhöhung um ein Jahr zu. Auch bat Habeck bei den Menschenrechtsverletzern in Katar – letztlich vergeblich – um Gas. Sein Kabinettskollege Cem Özdemir wiederum traf die Entscheidung, die Stilllegungspflicht von Ackerflächen und Vorgaben zu Fruchtfolgeregeln im kommenden Jahr auszusetzen. Die Erwartung, die Grünen könnten jetzt noch ihr eigentliches Tafelsilber, den Atomausstieg, verscherbeln, musste fehlschlagen. Deshalb haben sie auf das taktische Kalkül der Gegenseite mit einem eigenen taktischen Kalkül reagiert.

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Das ist clever, da die Grünen machtpolitisch am längeren Hebel sitzen. Sicher, in der Ampelkoalition gibt es wieder Zoff. Schön ist das nicht. Doch die Grünen haben die SPD an ihrer Seite. Und sie stellen mit Habeck den Minister, der den Gesetzentwurf vorlegen kann. Wenn die Liberalen dem nicht zustimmen, haben sie den Schwarzen Peter. Dann würden alle drei Meiler zum Jahresende entsprechend dem gültigen Atomgesetz vom Netz gehen. Die Grünen stünden erneut als die Verantwortungsbewussten da.

Grüne gehen mit Atomkraft-Entscheidung Risiko ein

Ungewiss ist, wer die öffentliche Auseinandersetzung gewinnt. Bürgerinnen und Bürger dürften schließlich mehrheitlich denken, wie der FDP-Vorsitzende Christian Lindner denkt: „In diesen Zeiten sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, den Strompreis für die Menschen und die Betriebe zu reduzieren. Das ist aus meiner Sicht ein wirtschaftspolitischer Stresstest, der neben dem energiepolitischen Stresstest auch eine Rolle spielen muss.“ Jede Strompreiserhöhung lässt sich dann – zurecht oder zu Unrecht – den Grünen in die Schuhe schieben.

So gesehen gleicht ihr Manöver dem Ritt auf der Rasierklinge. Es kann sein, dass die Sieger von heute die Verlierer von morgen sind. Wie so vieles in diesen Tagen ist auch das unwägbar.