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Kommentar

Gastbeitrag von Philipp Lahm
Die Kimmich-Frage stellt sich nicht

Lesezeit 3 Minuten
Philipp Lahm

Philipp Lahm

Als Weltmeister und langjähriger Nationalspieler hat Philipp Lahm einen besonderen Blick auf die Leistungen des DFB-Teams in Katar. Ein Gastbeitrag zur sportlichen Situation vor dem Spiel gegen Spanien.

Nach der unnötigen Niederlage gegen Japan steht Deutschland bereits im zweiten Spiel unter maximalem Druck. Wir müssen Spanien schlagen – es gibt wahrlich leichtere Aufgaben im Weltfußball. Beim 7:0 gegen Costa Rica hat man den typisch spanischen Fußball gesehen, den diese junge Mannschaft, bestückt mit Spielern von Real Ma drid, vom FC Barcelona und von Manchester City, zeigen kann: mit Spielfreude, hoher Spielintelligenz, mit Passgenauigkeit, vielen technisch herausragenden Akteuren. Es wird für das DFB-Team eine ganz andere Partie als gegen Japan, das Spiel wird deutlich mehr in unserer Hälfte stattfinden.

Umso mehr geht es nun darum, aus einer kompakten Defensive zu agieren. Ich habe ja bereits geschrieben, dass ich aus diesem Grund Günter und Ginter aufstellen würde, dazu ein kompaktes Mittelfeld mit Gündogan, Kimmich und Goretzka. Die Frage, ob man Kimmich aus dem Zentrum rausnimmt und auf die rechte Seite stellt, stellt sich für mich nicht. Es ist einfach seine beste Position, da kann er der Mannschaft am meisten geben. Von Ginter kann man nicht erwarten, dass er die Außenbahn rauf und runter marschiert, das muss er auch gar nicht. Aber er ist ein ex trem zuverlässiger, verantwortungsvoller Spieler, ein Stabilisator. Goretzka, der mal in die Box geht und den Angriff unterstützt und auch mal selbst den Abschluss sucht, könnte im Zentrum in der etwas offensiveren Rolle helfen mit seiner Körperlichkeit.

Insgesamt würde ich trotz des verlorenen Spiels nicht zu viel verändern, denn Stabilität entsteht nun mal durch Kontinuität. Auch deshalb würde ich Kai Havertz weiter vertrauen. Er ist ein toller Spieler, der auch schon bei Chelsea bewiesen hat, dass er mit Drucksituationen umgehen kann – unter anderem mit seinem entscheidenden Treffer im Champions-League-Finale. Zudem ist er ein guter Kopfballspieler, genau wie Rüdiger, Süle oder Goretzka – wenn er denn spielen sollte. Daher können auch Standards ein probates Mittel zum Erfolg sein.

Die erfahrenen Spieler müssen jetzt Verantwortung übernehmen

Zu meiner Zeit haben wir zwar die Auftaktspiele immer gewonnen, standen dafür aber sowohl 2010 gegen Ghana als auch 2014 gegen die USA beim letzten Gruppenspiel unter Druck. In Südafrika wäre es das erste Mal gewesen, dass eine deutsche Mannschaft nach der Vorrunde ausscheidet. Das hast du schon im Kopf, gerade als junger Spieler. Jogi hat damals auf Routine gesetzt und auf defensive Stabilität. Auch am Sonntag wird es darauf ankommen, so wenig Chancen wie möglich zuzulassen, denn das gibt dir ein gutes Gefühl.

Die erfahrenen Spieler müssen jetzt Verantwortung übernehmen. Unter Druck entstehen bekanntlich Diamanten. Nun wäre ein guter Zeitpunkt, zum Diamanten zu werden. Eine Mannschaft braucht schwierige Situationen, die man gemeinsam löst. 2014 war das Vertrauen untereinander auch deshalb so groß, weil wir eine eigene Geschichte hatten. Vielleicht fängt diese Geschichte für die aktuelle Mannschaft ja am Sonntag an.