Thüringen-Talk bei Maybrit Illner„Es gibt nur einen Gewinner – die AfD“
Berlin – Die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen hat ein politisches Beben in Deutschland ausgelöst. Thomas Kemmerich (FDP) war am Mittwoch überraschend zum Regierungschef gewählt worden - mit den Stimmen der AfD. Er hatte sich damit gegen den bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von den Linken durchgesetzt. Es war das erste Mal überhaupt, dass die AfD einem Ministerpräsidenten ins Amt half.
Die Reaktionen waren heftig: Die bislang in Thüringen regierende Linkspartei sprach von einem „Dammbruch“. SPD und Grüne reagieren schockiert, dass CDU und FDP „gemeinsame Sache“ mit der AfD machten. Nach bundesweiter Kritik machte Kemmerich am Donnerstag schließlich eine Rolle rückwärts: Er hat seinen Rücktritt in Aussicht gestellt und angekündigt, dass seine FDP-Fraktion die Auflösung des Thüringer Landtages beantragen will.
Doch was bedeuten diese Geschehnisse für Thüringen, für die politische Kultur im Land und für die Große Koalition in Berlin? Darüber hat Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen unter der Überschrift „Über Rechtsaußen an die Macht - Tabubruch in Thüringen“ diskutiert.
Die Gäste
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident in Sachsen, und Robert Habeck, Parteivorsitzender der Grünen, positionieren sich klar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD.
Für Janine Wissler, stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, ist die Ministerpräsidentenwahl eine Schande für die CDU und FDP.
Nach Einschätzung von Linda Teuteberg, Generalsekretärin der FDP, sind Neuwahlen das Beste für die Situation in Thüringen.
Für Alexander Gauland, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der AfD, war die Ministerpräsidentenwahl demokratisch und „normal“.
Laut Dagmar Rosenfeld, „Die Welt“-Chefredakteurin, haben die Thüringer Thomas Kemmerich (FDP) und Mike Mohring (CDU) ihren Parteien einen schweren Schaden zugefügt.
Darüber wurde diskutiert
In einem Punkt verhielten sich fast alle der geladenen Gäste gleich: Sie versuchten sich in ihren Eingangsstatements möglichst stark von der AfD zu distanzieren. Laut FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg hätten AfD und FDP „nichts gemein“. Für sie sei die Wahl von Kemmerich ein Makel, aber keine Absicht gewesen.
Das stimmt in den Augen von Robert Habeck nicht: Für ihn ist billigend in Kauf genommen worden, dass das passiert. „Ich habe heute nur faule Ausreden und keine Entschuldigungen von der FDP gehört“, sagte er in der Talkrunde. Und auch nach Dagmar Rosenfeld könne zwar niemand etwas dafür, von wem er gewählt wird. „In dem Moment, als er die Wahl angenommen hat, aber, ist er aber einen Pakt mit der AfD eingegangen.“
Enorme Folgen für FDP und CDU
Die Folgen der Ministerpräsidentenwahl seien dabei enorm. Die Führungen von CDU und FDP hätten laut Habeck nun massive Probleme: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ein Autoritäts- und Christian Lindner (FDP) ein Glaubwürdigkeitsproblem. Vor allem für die FDP sei der Schaden kollateral.
Geht es nach Michael Kretschmer, hätte die Wahl erst gar nicht so passieren dürfen. „Dieser Ministerpräsident kann nichts bewegen. Er ist schließlich auf die Leute angewiesen, die ihn wählen“, sagte Sachsens Ministerpräsident. Bei der Wahl hätte es nur einen Gewinner gegeben und das sei die AfD. Mittwoch sei deshalb kein guter Tag für die Demokratie gewesen.
„Dammbruch“ nach rechts
Janine Wissler formuliert das noch deutlicher: „Was dort gestern passiert ist, ist ein Dammbruch nach rechts. Der Faschismus wurde relativiert.“ Tosender Applaus aus dem sonst eher zurückhaltenden Publikum. Das einzig gute Signal am Donnerstag sei nach Wissler das große Ensetzen in der Öffentlichkeit gewesen.
Für Alexander Gauland hingegen war die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen eine „normale Wahl“ und kein Putsch, wie andere es darstellen würden. „Wenn ich sehe, dass wir mit unserem Kandidaten keine Mehrheitschance haben, ist doch klar, dass wir einen anderen Kandidaten wählen, der uns näher als die Linke steht.“ Demokratie bedeute für ihn Kompromiss.
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Fazit
Nach einer teils hitzigen Diskussion bringt Dagmar Rosenfeld die Debatte auf einen Punkt: Das Wahlergebnis könne nicht mehr rückgängig gemacht werden, man könne nur damit umgehen. Wie genau das funktionieren soll, weiß aber keiner der Gäste bei Illner so genau zu formulieren. Für Rosenfeld steht fest: „In Erfurt gibt es keine gute Lösung mehr.“ (rnd)