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Groko-Talk bei Anne WillAKK und Dreyer verzichten auf Kriegsgeheule

Lesezeit 4 Minuten
Karrenbauer dpa neu

Annegret Kramp-Karrenbauer

Berlin – Oh. Mein. Gott. Was war im Vorfeld des Kompromisses zur Grundrente nicht alles gemutmaßt worden. Den Casus Belli hatten sie ausgerufen, der die GroKo zerstören und zu Neuwahlen führen würde. Die Grundrente habe das Zeug dazu, die bisweilen müde und luftleer agierenden Koalitionäre von Union und SPD vollends zu entzweien und die Lust zur gegenseitigen und eigenen Zerstörung in neue Höhen zu befördern.

Neun lähmend lange Monate hatte niemand dem anderen jenseits des Schützengrabens auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel gegönnt.

Keine Spur von Kriegsgeheule

Von all dem Kriegsgeheul war im ARD-Talk von Anne Will am Sonntagabend an diesem Abend plötzlich nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Da saßen sich mit Malu Dreyer und Annegret Kramp-Karrenbauer auf einmal zwei Parteivorsitzende gegenüber, die versöhnlicher nicht hätten klingen können. Oder soll man sagen: langweiliger?

Die Einigung sei ein Zeichen, ein klares Signal, ein Impuls, der große Durchbruch. Die CDU sei koalitionsfähig und -willig, sagte die eine. Die SPD habe viele Akzente gesetzt und die Koalition ganz schön viel geliefert, sekundierte die andere. Spätestens nach fünf Minuten überkam den Zuschauer der Drang, entweder zur Fernbedienung zu greifen oder endgültig einzuschlafen. Darf‘s vielleicht noch ein Kilo mehr sein an Stanzen und Phrasen?

Das Schlimmste jedoch: Mit jeder Minute der Sendung wurde die innere Frage immer lauter, warum um alles in der Welt Dutzende von Nachtsitzungen, zahlreiche Verbal-Entgleisungen und ungezählte Drohungen mit dem Aufkündigen des Regierungsbündnisses nötig waren, um am Ende zu dieser Friede-Feuer-Eierkuchen-Inszenierung zu führen.

Journalist Nico Fried platzt der Kragen

Irgendwann hielt es der Journalist Nico Fried von der „Süddeutschen Zeitung“ nicht mehr aus: „Wenn ich höre, mit welcher Begeisterung die Damen das hier vortragen, könnte es ja noch was werden“, sagte er ironisch, und das Publikum überkam wenigstens ein Hauch von Amüsement.

„Kompromisse fühlen sich immer wie halbe Niederlagen an, nicht wie halbe Siege“, klagte Kramp-Karrenbauer. Dieses Gefühl wäre sicherlich vermeidbar gewesen, wären beide Seiten nicht von Anfang an auf den höchsten Baum geklettert, den sie im Grundrenten-Streit hatten finden können. Letztlich war es den Spitzenfrauen beider Lager vorbehalten, den Schaum, den zuweilen ihre männlichen Kollegen angerührt hatten, wieder zu glätten. Warum nicht gleich so?

Das Land ist müde angesichts immer neuer GroKo-Sticheleien und ausgemachter Sollbruchstellen. Oder wie es „Welt“-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld formulierte: „Wir erleben ein politisches Tauziehen, bei dem man sich wünscht, das Seil möge in der Mitte reißen, damit es endlich zu Ende ist.“

Für den Politologen Herfried Münkler war die Sache klar: „Ein Problem der Koalition ist, dass sie auch dort, wo sie Erfolge erzielt, diese offensiv schlecht kommuniziert“, sagte er und schob die Begründung gleich hinterher: „Weil immer eine Seite als Gewinner und eine als Verlierer dargestellt wird.“

Dreyer und Kramp-Karrenbauer droht der Gang nach Canossa

Bei Anne Will wurde sorgfältig vermieden, diesen Eindruck zu verstärken. Kramp-Karrenbauer redete nicht mehr von „Bedürftigkeitsprüfung“, sondern nur noch von „Bedarfsprüfung“, Dreyer neben ihr vermied tunlichst jede Form von Siegermiene. Und dann der schönste Satz des Abends von der CDU-Chefin: „Wir sind nicht gewählt worden, damit wir uns wie ein Therapiezirkel mit uns selbst beschäftigen.“ In diesem Augenblick hätte man sie am liebsten in den Arm genommen.

Denn durch sind die beiden Frieden stiftenden Frauen noch lange nicht. Beiden droht der Gang nach Canossa. Kramp-Karrenbauer muss erst die Zustimmung der murrenden Fraktion einholen, um dann Ende November auf dem CDU-Parteitag den aufmüpfigen Friedrich Merz abzuwehren.

Dreyer vermochte nicht klar zu sagen, wie sich eine neue mögliche SPD-Spitze aus den GroKo-Zweiflern Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken - wenn sie denn gewählt werden - auf den Fortbestand der mühsam geretteten Zwangsehe aus Union und SPD auswirken wird. Bei Dreyer hörte sich das so an: „Wir werden einen Beschluss vorlegen, der sinngemäß in die Richtung geht, wie die Große Koalition zu bewerten ist.“ Auweia.

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Diese Anne-Will-Sendung zählte eher zur Kategorie Bitte-nicht-noch-mal-so. Sie passte sich mühelos dem Bild an, das die GroKo bis zur Halbzeitbilanz präsentiert hat: müde, lustlos routiniert und zum Wegschauen.