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„Haut ab – euch will hier keiner!“Russische Unternehmer werden angefeindet

Lesezeit 5 Minuten
Hotel Neptun Warnemünde IMAGO

Das Hotel Neptun in Warnemünde 

  1. Viele russische Unternehmer in Mecklenburg-Vorpommern erleben seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine Ausgrenzung und Hass.

„Russen raus!“ Mit Edding hatte das jemand an einen Laden in Rostock gepinselt. Kurz nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine war das. David Ashurov (23) betreibt das russische Bistro der Familie mit seiner Mutter Rina Ashurova (48). Der Vater kümmert sich um den Lebensmittelladen. Seit 1996 lebt die Familie in Rostock. David und seine Brüder sind hier geboren. Das Geschäft betreiben sie seit 2002, das Bistro Arbat, benannt nach dem historischen Stadtviertel aus dem 15. Jahrhundert im Herzen Moskaus, wo das Geburtshaus Puschkins steht, seit 2017. Die Geschäfte liefen gut. Dann kam Corona. Dann kam der Krieg.

Sie wurden gemieden. Passanten schauten scheel durchs Schaufenster, dumme Sprüche inklusive, Essenbestellungen wurden storniert. Plötzlich kamen kaum noch Bestellungen rein. Die Umsatzeinbußen – immens. David Ashurov erzählt: „Vor zwei Wochen kam ein Mann ins Bistro und schrie: ‚Haut endlich ab. Euch will hier keiner. Verschwindet!‘ Bei uns arbeiten Ukrainer, Kasachen, Russen. Unser Essen stammt aus allen Regionen der Ex-Sowjetunion. Es kommen auch Ukrainer zu uns.“

„Mit dem Krieg Putins haben wir nichts zu tun“

Hähnchen Kiever Art ist eine Spezialität aus dem Land, das Putin überfallen hat. Es gibt Schaschlik – aus dem Kaukasus. Tscheburek ist usbekisch und Manti, die gefüllten Teigtaschen gibt es von der Türkei bis Russland. Borschtsch beanspruchen Ukrainer wie Russen für sich als Spezialität. Der Bistrobetreiber: „Mit dem Krieg Putins, den wir verurteilen, haben wir nichts zu tun. Es sind schwierige Zeiten für alle. Auch für uns. Wir müssen zusammenhalten.“

Das Arbat – ein Beispiel für Unternehmen mit russischen Eigentümern. Wie geht es diesen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern? Professor Andreas Steininger vom Ostinstitut der Fachhochschule Wismar, der sieben Jahre in Russland gelebt hat, sagt: „Es ist ein schwieriges Umfeld geworden. Gemobbt werden die Menschen nicht von der Bevölkerung, gemieden werden sie von den Institutionen. Wir haben über Jahre versucht, gute Beziehungen zu Russland zu knüpfen, und jetzt so was. Was mich irritiert, ist die totale Abkehr von allem, was wir aufgebaut haben.“

Hotel Neptun in Warnemünde gehört russischer Investmentgesellschaft

Das Warnemünder Hotel Neptun gehört seit 2015 ebenso wie das Hamburger Hotel Louis C. Jacob zu einer russischen Investmentgesellschaft des Geschäftsmanns Wladimir Melnichenko. Die DSR Hotel Holding hat die Hotels an den russischen Unternehmer verkauft, zurück gepachtet und betreibt sie. Sprecherin Michaela Störr sagt: „Die Kriegssituation hat keinerlei Einfluss auf den Betrieb der Hotels. Diese werden in gewohnter Form und ohne jede Einschränkung weitergeführt. Die DSR Hotel Holding und der Mutterkonzern verurteilen die russische Aggression aufs Schärfste.“

Dr. Olga Scholtz, CEO von Nordic Yards in Wismar, das dem russischen Investor Witali Jussufow gehört, hat bisher kaum Ausgrenzung erfahren. Sie sagt: „Ich befürchte eher, dass Herr Jussufow in Russland Probleme bekommt, da wir uns im Bereich erneuerbarer Energien engagieren.“

Nordic Yards habe im Bieterverfahren um den Bau der Offshore-Umspannplattform in Warnemünde ein sehr gutes Angebot über Marktwert abgegeben. Sie sagt: „Wir sind ein deutsches Unternehmen, das Know-how für Offshore hat. Wenn wir nun trotz unseres guten Angebots abgelehnt werden, müssen wir damit leben. Dann sollten die, die das verhindern, sich aber auch hinstellen und es unseren deutschen Mitarbeitern und ihren Familien ins Gesicht sagen.“

„Da werden Tatsachen bewusst verfälscht“

Michael Liche, Geschäftsführer des Großsägewerks Ilim Nordic Timber GmbH & Co. KG mit den Standorten Wismar und Landsberg am Lech, das zur Ilim Timber Industry LLC zweier russischer Investoren mit Sitz in Sankt Petersburg gehört, hat erfahren, was Ausgrenzung bedeutet. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann, hatte einen Holzboykott für das Sägewerk gefordert, was nicht nur das Unternehmen selbst, sondern den gesamten Holzstandort Wismar in Schieflage gebracht hätte.

Liche sagt: „Die ersten Wochen nach Kriegsbeginn waren äußerst unangenehm und von Unsicherheit geprägt.“ In regionalen Medien habe es die Schlagzeile gegeben: „Drückt Backhaus bei Russland-Geschäften ein Auge zu?“ Liche: „Wenn das unser Ansatz ist zu kommunizieren, stellt dies keine Basis für einen sachlichen Austausch dar. Da werden die Tatsachen bewusst falsch dargestellt. Aber bis auf wenige Ausnahmen haben sich alle Geschäftspartner sehr schnell loyal zu unseren beiden Standorten bekannt.“

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Russen-Bashing in Mecklenburg-Vorpommern? Ein Thema, das in der regionalen Wirtschaft eher mit spitzen Fingern angefasst wird. Die IHK unterstützt die Sanktionsmaßnahmen. Die Vollversammlung appelliert aber auch „an Politik und Verwaltung, besonders von den Maßnahmen betroffene Unternehmen zu unterstützen“. Gleichzeitig bleibe es wichtig, „über bestehende zwischenmenschliche Kanäle mit russischen Geschäftspartnern und Freunden, soweit möglich und in dieser Krisensituation vertretbar, im Gespräch zu bleiben. Zugleich verwahren wir uns gegen jede mögliche Art von Ausgrenzung oder Anfeindungen, denen Menschen mit russischer Herkunft, die nichts mit dem russischen Regime zu tun haben, hierzulande ausgesetzt sein können.“

Schweigen über russische Firmenbeteiligungen

Welche Unternehmen aber in Mecklenburg-Vorpommern in der Hand russischer Eigentümer sind, darüber gibt es bei allen drei Kammern in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg keine Informationen. Dem Deutsch-Russischen Wirtschaftsverbund in Hamburg sind mehrere mittelständische Unternehmen – auch in MV – bekannt, die Probleme bekommen haben. Zwei Maschinenbauer aus Rostock und ein Lebensmittellieferant aus Hamburg mit Dependancen in Mecklenburg-Vorpommern, die russische Eigentümer haben, wollten sich zu dem Thema nicht äußern.

Dieser Text erschien zuerst in der „Ostsee-Zeitung“.