In EU zugelassenSollte ich mein Baby gegen Covid-19 impfen?
Die Corona-Impfstoffe sollen bald auch für Kleinkinder zur Verfügung stehen. Am Mittwoch hatte die EU-Arzneimittelbehörde EMA empfohlen, die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna zu nutzen, um damit Kinder ab sechs Monaten zu impfen. Die EU-Kommission hatte einen Tag später die Zulassung erteilt. Beide Impfstoffe, die sich gegen den ursprünglichen Stamm des Coronavirus richten, sind bereits für Erwachsene und Kinder ab fünf beziehungsweise sechs Jahren in der EU zugelassen.Wie wichtig ist der Impfschutz für Kleinkinder und Babys? Und welche Nebenwirkungen können auftreten? Kinderärzte klären auf.
Was die Corona-Impfungen bei den Kleinkindern von den bisherigen unterscheidet, ist die Dosis. Denn die fällt deutlich geringer aus. So erhalten die unter Fünfjährigen nur drei Mikrogramm des Biontech/Pfizer-Vakzins. Zum Vergleich: Bei den 16- bis 25-Jährigen sind es 30 Mikrogramm. Auch der Impfstoff von Moderna ist niedriger dosiert – 25 statt 100 Mikrogramm, wie sie Erwachsene injiziert bekommen.
Auswirkungen auf die Wirksamkeit hat das nicht: Die Immunreaktionen auf die niedrigeren Dosen seien mit denen der höheren vergleichbar, hatte die EMA mitgeteilt – mit Verweis auf Studien der Hersteller. Der Nutzen der Impfstoffe würde die Risiken überwiegen. Doch was bedeutet das jetzt für Eltern? Sollten sie ihre Kinder gegen Covid-19 impfen lassen?
Entscheidung der Stiko ausschlaggebend
Eine wichtige Entscheidungshilfe könnte für Eltern die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) sein. Doch bisher gibt es noch keine. Jakob Maske, Bundespressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), rät, diese Entscheidung abzuwarten. „An diese Empfehlung werden wir uns dann in der Elternberatung halten“, sagte er gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Zurzeit werden wir jedoch ohne Empfehlung keine Impfung durchführen.“
Wann eine Impfempfehlung der Stiko folgt, ist unklar. Es gebe aber bereits Beratungen, ließ Fred Zepp, Kindermediziner an der Universität Mainz und Mitglied des Gremiums, im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe durchblicken. Mit einem Ergebnis sei „zeitnah in den nächsten Wochen zu rechnen“.
Krankheitslast bei Kleinkindern sehr gering
Offen ist auch noch, wie die Impfempfehlung der Stiko aussehen wird. Also ob es eine Empfehlung für alle Kleinkinder ab sechs Monaten geben wird oder nur für diejenigen mit Risikofaktoren. „Es ist durchaus denkbar, dass es nur eine Empfehlung für Risikokinder geben wird“, meint BVKJ-Sprecher Maske. Schließlich haben diese grundsätzlich ein höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Das trifft etwa auf Kinder mit Diabetes oder Herzerkrankungen zu.
Allerdings ist mit der Virusvariante Omikron die Krankheitslast in allen Altersgruppen gesunken. Es kommt seltener zu schweren Krankheitsverläufen – auch unter den Kleinkindern. Die Hospitalisierungsinzidenz bei den Null- bis Vierjährigen liegt aktuell bei 5,06. Die Kennzahl beschreibt, wie viele Covid-19-Fälle binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Krankenhaus behandelt werden müssen. Von den Corona-Erkrankten auf den Intensivstationen sind nur knapp 2 Prozent zwischen null und 17 Jahre alt. Das geht aus dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervor.
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Ein Argument für die Corona-Impfung war bei Kindern bislang immer auch PIMS. Die Abkürzung steht für das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, eine schwere Entzündungsreaktion, die bei Kindern und Jugendlichen nach einer Infektion mit dem Coronavirus auftritt. Bei Kleinkindern gebe es aber fast keine PIMS-Fälle mehr, erklärte Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, vor wenigen Tagen im Interview mit dem „Tagesspiegel“. Auch Long Covid, also die Corona-Spätfolgen, würden kein Problem in dieser Altersgruppe darstellen.
Kinderarzt erwartet geringe Impfbereitschaft
Dass die Stiko eine Corona-Impfung für alle Kleinkinder empfiehlt, ist somit unwahrscheinlich. Vielmehr könnte es darauf hinauslaufen, dass die Impfung bei gesunden Kinder von der individuellen Entscheidung der Eltern abhängen wird – in Verbindung mit der Aufklärung durch den Kinderarzt oder die Kinderärztin.
BVKJ-Sprecher Maske rechnet aber schon jetzt mit einer geringen Impfbereitschaft. „Wir sehen in der Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen nur eine sehr niedrige Beteiligung, die im Moment bei circa 22 Prozent liegt“, sagte er. „In der Altersgruppe der 0,5- bis Vierjährigen erwarten wir keine höhere Beteiligung, auch wenn es zu einer Empfehlung durch die Stiko kommt.“
Eine „gute Nachricht“ aus den USA
Eine niedrige Impfbereitschaft zeichnet sich auch in den USA ab. Seit Juni können dort Kinder zwischen sechs Monaten und fünf Jahren gegen Covid-19 geimpft werden. Einen vollständigen Impfschutz haben bisher nur knapp 2 Prozent der unter Zweijährigen, wie Daten der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zeigen. Rund 5 Prozent haben zumindest eine Impfdosis erhalten.
Eine gute Nachricht sei, dass bei den Corona-Impfungen in den USA bislang keine gravierenden Nebenwirkungen aufgetreten sind, erläuterte Kinderarzt Dötsch. Diese Ergebnisse decken sich mit den Impfstoffstudien der Hersteller: Dort waren Reizbarkeit, Schläfrigkeit, Appetitlosigkeit, Hautausschlag und Empfindlichkeit an der Injektionsstelle die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen. „Allerdings haben wir noch keine systematisch über einen längeren Zeitraum erhobenen Daten“, gab Dötsch zu bedenken. „Darauf warten wir für diese Altersgruppe noch.“