InfektionsschutzgesetzÄrzte, Verbände und Kommunen kritisieren neue Corona-Pläne
Berlin – Die ab Oktober geltenden Corona-Regeln zu Impfschutz und Nachweiskontrollen haben bei Ärzteverbänden, Kommunen und Branchenvertretern für Verunsicherung und Kritik gesorgt. „Der Gesetzgeber legt damit nahe, dass sich die Menschen alle drei Monate impfen lassen sollten. Das ist natürlich nicht der Fall“, sagte der Chef des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das deckt sich weder mit der Stiko-Empfehlung noch glaube ich, dass die Verantwortlichen in der Politik dies im Sinn haben“, erklärte er.
„Zum jetzigen Stand ist mit der Drei-Monate-Regelung ein sehr guter Schutz gegeben“
Das Bundesgesundheits- und Bundesjustizministerium hatten in dieser Woche die neuen Pandemiemaßnahmen im Infektionsschutzgesetz für den Herbst und Winter vorgestellt. Unter anderem können die Länder Maskenpflichten etwa in der Gastronomie und Kulturbereich einsetzen, wenn sie das für nötig erachten. Ausnahmen gibt es für Getestete, frisch Geimpfte und Genesene. Als frisch geimpft gelten Menschen, die mindestens eine Drittimpfung erhalten haben und deren Impfung höchstens drei Monate her ist. Auf RND-Anfrage teilte das Gesundheitsministerium mit, dass bei neuen Impfstoffen künftig auch ein längerer Zeitraum möglich sein könne. Aber: „Das hängt von den weiteren Erkenntnissen ab“, sagte eine Ministeriumssprecher.
„Zum jetzigen Stand ist mit der Drei-Monate-Regelung ein sehr guter Schutz gegeben.“ In der Konsequenz bedeutet das, dass Menschen, die ohne Maske beispielsweise auf ein Konzert gehen wollen, entweder getestet oder gerade genesen oder geimpft sein müssen. Für viele, die ihre Drittimpfung Anfang des Jahres bekommen haben, wird dann im Herbst die nächste Impfung nötig. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine vierte Impfung allerdings erst für Menschen ab 70 Jahren sowie Personen mit unterdrücktem Immunsystem, Pflegeheimbewohnende und Personal medizinischer Einrichtungen.
Impflücke immer noch groß
Weigeldt zeigte sich verwundert über die Regel und forderte stattdessen, die bestehenden Impflücken zu schließen und die Viertimpfung für besonders gefährdete Menschen voranzutreiben. „Das muss Priorität haben“, mahnte er. „Natürlich werden sich einige Menschen fragen, weswegen sie sich impfen lassen sollten, wenn die Impfung nach drei Monaten schon an Wert verliert. Das ist genau das falsche Signal.“
Kritik daran äußerte auch der Deutsche Landkreistag. Präsident Reinhard Sager hat „erhebliche Zweifel, ob es richtig ist, auch Geboosterte zumindest de facto zu einer weiteren vierten Impfung zu zwingen“. Weiter sagte er: „Die bisherigen medizinischen Empfehlungen zielen lediglich auf Menschen über 60 Jahre und medizinisches Personal ab.“
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Für die Durchsetzung der Regeln sind die verschiedenen Branchen verantwortlich: Sie sollen nach Willen der Ampel die Nachweise kontrollieren und auch dafür sorgen, dass die Betroffenen ihren Masken auch noch während Veranstaltungen und nicht nur beim Einlass tragen. Doch laut Städte- und Gemeindebund ist das im Alltag nur sehr schwer umzusetzen. „Gerade bei großen Menschenansammlungen wäre es ein kaum zu bewältigender Aufwand, im Einzelfall den Status zu kontrollieren und zu prüfen, ob der jeweilige Nachweis wirklich korrekt ist“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem RND.
Wegen möglicherweise notwendiger Auffrischimpfungen könnten auch auf die Impfzentren neue Aufgaben zukommen, ergänzte Landsberg. Bei Bedarf und großem Andrang könnten sie verstärkt hochgefahren werden. „Dabei ist es selbstverständlich, dass die Kosten von Bund und Ländern getragen werden müssen“, forderte er.
Maskenpflicht für Kulturbetriebe?
Es wäre einfacher gewesen, ab einem bestimmten Infektionsgeschehen eine Maskenpflicht für Kulturbetriebe festzulegen, statt Ausnahmen vorzusehen, meint der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. „So entsteht natürlich ein erheblicher Mehraufwand für die Kulturbetriebe“, sagte er dem RND. Man könne mit dem Hausrecht zwar eine Maskenpflicht einführen, aber diese müsse auch durchgesetzt werden können. „Hier wird die Verantwortung einfach auf die einzelnen Einrichtungen übertragen“, bemängelte Zimmermann.
Derweil gab es Kritik daran, dass die Länder nach eigenem Ermessen eine Maskenpflicht im Nahverkehr erlassen können. „Wir fordern bundeseinheitliche Regelungen für die Maskenpflicht auch für den Nahverkehr. Wenn das Infektionsschutzgesetz das nicht vorsieht, müssen sich die Länder auf ein einheitliches Vorgehen einigen“, forderte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio, Ralf Damde. „Bereits jetzt steigen die Übergriffe auf Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuer wegen Maskenkontrollen in den Zügen wieder an. Uneinheitliche Regelungen machen jede Kontrolle noch schwieriger.“