Berlin – Die SPD hatte ihren Anspruch auf Plakate gedruckt: „Gemeinsam für NRW und Deutschland“ stand darauf – neben NRW-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty lächelte Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Kanzlerbonus sollte es also sein, geworden ist es im langjährigen SPD-Stammland das schlechteste historische Ergebnis der Partei. Scholz habe „nicht geholfen“, stellte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn zufrieden fest und freute sich über das „tolle Ergebnis“ der CDU. Das der SPD hingegen sei historisch schlecht. Wer bei einem solchen Ergebnis Regierungsansprüche stelle, „dem ist nicht zu helfen“, sagte Spahn in Richtung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.
Denn die SPD bemühte sich, dem Abend früh einen anderen Spin zu geben. „Die bisherige Landesregierung ist klar abgewählt“, verkündete Generalsekretär Kevin Kühnert mit Blick auf das Regierungsbündnis von CDU und FDP, für das es nun keine Mehrheit mehr gibt. Es sei durchaus nicht gesagt, dass die CDU nun regiere, schließlich gebe es auch Mehrheitsmöglichkeiten für die SPD gemeinsam mit den Grünen. Und dafür spreche auch etwas: „Rot-Grün war die Lieblingsregierung in Nordrhein-Westfalen“, sagte Kühnert – zumindest in den Umfragen vor der Wahl.
Schockstarre bei der FDP
Die SPD setzt also auf Abwarten. Die letzte NRW-Wahl ist schließlich noch in Erinnerung, bei der sich im Verlauf von Stunden die SPD immer weiter an die CDU heranschob. Parteichefin Hannelore Kraft war da schon zurückgetreten, die Sozialdemokraten quasi nicht mehr handlungsfähig. Und noch eine andere Erinnerung gibt es: Vor 18 Jahren leitete eine NRW-Wahl das Ende von Gerhard Schröders Kanzlerschaft ein – nach der Niederlage seiner SPD kündigte dieser Neuwahlen im Bund an, die er dann gegen Angela Merkel verlor.
Von Olaf Scholz sind solche Harakiri-Aktionen nicht zu erwarten. Sein Schwerpunkt als Kanzler ist der Krieg gegen die Ukraine und dessen Auswirkungen. Aber schwieriger könnte es werden – denn neben Frust bei den Genossen gibt es da ja noch die Koalitionspartner und von denen ist der eine massiv gestärkt und der andere deutlich geschreddert.
Lindner: „Es ist für uns ein sehr trauriger Abend.“
Bei der Bundes-FDP war zunächst erst einmal Schockstarre angesagt angesichts eines Absturzes Richtung Fünf-Prozent-Hürde. Parteichef Christian Lindner verfolgte Hochrechnung nach Hochrechnung, bevor er sich über eine Stunde nach Schließung der Wahllokale zu einem Statement durchrang: „Eine desaströse Niederlage“, stellte er dann fest. „Es ist für uns ein sehr trauriger Abend.“
Schnell erinnerte er auch an seine eigene Spitzenkandidaturen im Land - 2017 hatte die FDP mit ihm ein Rekordergebnis eingefahren. Ob so ein Hinweis Personaldebatten abfangen kann, ist offen. Vor allem in der Union heißt es, dass der Ruf der FDP darunter leide, wegen des Ukraine-Kriegs immer weitere Ausgaben zu verantworten statt eines Sparkurses. Und Finanzminister ist Lindner.
Grüne können sich behaupten
Die Ampel im Bund also findet sich wieder mit einer taumelnden FDP. Und mit erstarkten Grünen Erst am Wochenende nahm Außenministerin Baerbock (Grüne) diesen Vorwurf auch öffentlich auf und stichelte Richtung Kanzler- freilich ohne ihn zu nennen: „Passivität oder Zaudern und Zögern“ könne man sich nicht leisten und man könne auch nicht „am Ende gar nichts sagen“.
In einem knappen Duell der größten Parteien haben die Grünen in NRW als möglicher Ministerpräsidenten-Macher im Wahlkampf ihren Platz behauptet. Es half, dass in Berlin Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck mit ihrer Entschlossenheit im Ukraine-Krieg zu den beliebtesten Koalitionspolitikern wurden. Grünen-Geschäftsführerin Emily Büning bemühte sich noch am Wahlabend um Harmonie: „Im Kabinett gibt es wichtigere Dinge zu besprechen als die Auswirkungen der Wahlen in NRW“, sagte sie im ZDF. „Wir arbeiten gut zusammen.“ Und die Grünen-Minister seien „in sehr gutem Dialog mit Olaf Scholz.“
Die Bundes-CDU, nach der Niederlage bei der Bundestagswahl zutiefst erschüttert, zeigte sich hochzufrieden und betonte die Rolle von CDU-Chef Friedrich Merz. Dieser habe seit seiner Wahl an die Spitze durch sein Bemühen um Geschlossenheit der Bundes-CDU zum guten Ergebnis in NRW beigetragen, verkündete Generalsekretär Mario Czaja. Nach dem Sieg der CDU in Schleswig-Holstein vergangene Woche beeilten sich führende Parteipolitiker, den Glorienschein von Spitzenkandidat Daniel Günther auf Merz auszudehnen: Beide ähnelten sich in ihrem Stil, hieß es überraschend – sie seien einfach konziliante Typen.
Spahn: Froh, nach der Bundestagswahl wieder „so stabil“ zu sein
Verbunden ist mit den Wahlsiegen allerdings noch ein weiteres: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und der nordrhein-westfälische Wahlsieger Hendrik Wüst sind neue starke Figuren in der CDU – und damit mögliche Aspiranten auf die Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2025. Merz sei „der starke Mann der Union“, versicherte Czaja. Und einer, der sich auch schon mal kurz vor der Spitze gesehen hat in der Partei, sprang bei: Konkurrenz sei „nicht die Kategorie, in der die CDU denkt“, sagte Unions-Fraktionsvize Jens Spahn. Man freue sich einfach, dass man nach der Bundestagswahl jetzt schon wieder „so stabil“ sei.
Das ist – in anderen Dimensionen – auch das Stichwort, das die AfD für sich in Anspruch nimmt. Man sei nicht „in Gänze zufrieden“, freue sich aber, wohl im Landtag zu bleiben, sagte Parteichef Tino Chrupalla. Und jetzt brauche es wohl einen „West-Beauftragten“ für die Partei.