Bundesinnenministerin in KatarNancy Faeser auf rutschigem Terrain
Doha – Dietmar Schäfers kennt sich in Katar mittlerweile aus wie wenige andere in Deutschland. 15-Mal war der Vizepräsident der Bau- und Holzarbeiter Internationale in dem Emirat am Golf, in dem in drei Wochen die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt.
„Katar hat bezüglich der WM-Baustellen erhebliche Fortschritte gemacht – auch wegen unserer Inspektionen. In den letzten Jahren waren die Arbeitsbedingungen wie in Deutschland oder den USA auf einem hohen Standard“, sagt er. Einerseits. Andererseits gebe es in der Wirtschaft erhebliche Widerstände gegen Reformen. Und das Kafala-System, demzufolge Wanderarbeiter ihren Arbeitsplatz nicht einfach so wechseln und nicht selbst entscheiden könnten, ob sie das Land verließen, sei zwar „formal abgeschafft“. Doch manche Arbeitgeber täten so, als existiere es weiter.
Sportministerin sorgt in Katar für Empörung
Schäfers ist am Montag erneut von Frankfurt am Main nach Katar aufgebrochen, diesmal auf Einladung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die wiederum vom Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Bernd Neuendorf, begleitet wird. Nach ihrer Ankunft sagte Faeser: „Für mich ist wichtig, mir vor Ort einen Eindruck geben zu lassen.“ Dabei gehe es vor allem um das Thema Menschenrechte. Dies sei besser, als das Championat selbst zu belasten. Allerdings sei es „nicht das Ziel der Reise, Forderungen aufzustellen“.
Die Sportministerin bewegt sich auf rutschigem Terrain. Sie hatte dem ARD-Magazin „Monitor“ zuvor gesagt, es sei für die Bundesregierung „total schwierig“, dass die WM in Katar stattfinde. Bei der Vergabe internationaler Sportveranstaltungen müsse künftig stärker auf menschenrechtliche Aspekte geachtet werden. Daraufhin wurde der deutsche Botschafter in Doha ins Außenministerium einbestellt – aus Zorn.
Faeser trifft Premierminister und FIFA-Chef
Faeser flog am Montag trotz allem. Doch die Begleitumstände bleiben heikel.Das lässt sich am Programm ablesen. Zwar wird die Ministerin mit Scheich Khalid bin Khalifa bin Abdulaziz Al-Thani, dem katarischen Premier- und Innenminister, zusammentreffen. Doch Bilder von der Begegnung soll es ebenso wenig geben wie ein gemeinsames Pressestatement. Das sei in Katar einfach „nicht üblich“, heißt es. Ein Treffen mit dem Präsidenten des Fußballweltverbandes (FIFA), Gianni Infantino, ist ebenfalls geplant. Der Schweizer hat mittlerweile einen Nebenwohnsitz in Katar. Immerhin: Mit ihm soll es ein Foto geben.
Tatsächlich gibt es viel zu besprechen. Neuendorf hat die Idee eines Entschädigungsfonds für Wanderarbeiter ins Gespräch gebracht. Sie schufteten zumindest in den ersten Jahren nach Vergabe der WM unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es soll mehr als 6500 Tote gegeben haben. Folgt man Schäfers, verdient ein Einheimischer 100.000 Dollar pro Jahr – ein Wanderarbeiter 3.000. Trotzdem sei dies deutlich mehr Geld, als sie zu Hause bekommen könnten, betont er.
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Max Tunon, Büroleiter der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Doha und am Montag einer von Faesers Gesprächspartnern, sagt, die eingeleiteten Reformen würden gewiss über die WM hinausreichen. Denn Katar wolle für Wanderarbeiter dauerhaft attraktiv sein.
Faeser will Sicherheit für alle Fans
Ein weiteres Thema ist, wie es Schwulen und Lesben während der WM ergeht. Deshalb ist auch Bernd Reisig Teil der Delegation, Vorsitzender der Initiative „Liebe kennt keine Pause – gegen Homophobie in Katar“. „Wenn man sich wie Katar eine Weltmeisterschaft ins Land holt, dann holt man sich auch Weltoffenheit und Toleranz ins Land“, sagt er. „Tatsächlich wird Homosexualität in Katar immer noch mit Gefängnis bestraft, nach islamischem Recht sogar mit der Todesstrafe. Das kann man nicht hinnehmen.“ Faeser will jedenfalls erreichen, dass sich alle Fans sicher fühlen können.
Dietmar Schäfers von der Bau- und Holzarbeiter Internationale sagt, für einen Boykott der WM sei es zu spät. Auch helfe er den Wanderarbeitern nicht, die stolz seien auf das Geleistete. Am Ende sei für die Bewertung der WM aber entscheidend, wie nachhaltig Veränderungen seien, fährt er fort. „Und wir haben bisher noch nicht erlebt, dass Sportgroßevents zu einer großen Nachhaltigkeit geführt haben.“(RND)