Kommentar zur UnionEs gibt gute Gründe für ein Tempolimit
Jedes Land ist einzigartig, das ist ja klar, aber in einem Punkt ist Deutschland sehr speziell: Es gibt kein Tempolimit auf Autobahnen. Überall sonst in Europa gilt Tempo 120, 130 oder 140. Selbst in den USA, wo sich Bürger mit dem Hinweis auf ihre Freiheit bis an die Zähne bewaffnen dürfen, ist die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Highways eine Selbstverständlichkeit.
Deutschland darf sich in einer Liga fühlen mit der britischen Isle of Man, die kein Tempolimit kennt – allerdings auch keine Autobahnen hat und überhaupt nur ein Straßennetz mit einer Länge von 800 Kilometern.
Zentraler Streitpunkt im Wahlkampf
Das deutsche Alleinstellungsmerkmal hat nun alle Chancen, zu einem der zentralen inhaltlichen Streitpunkte im Wahlkampf zu werden. Der Fuß auf dem Gaspedal ist schließlich viel alltagsnäher als ein CO2-Preis. Und bei der Fahrgeschwindigkeit verlaufen die Fronten deutlich klarer als beim Benzinpreis, wo Union und SPD schlichtweg lügen, wenn sie eine Erhöhung allein den Grünen in die Schuhe schieben.
Beim Tempolimit auf Autobahnen sagt die Union Nein, die Grünen sagen Ja – schwups ist die Welt wieder übersichtlich. Und es lässt sich so hübsch emotionalisieren: Hier die Freiheitsfreunde, da die Verbotsjünger – ein Traumthema für Wahlkampfmanager also.
Grüne sind beweglicher
Die Union dürfte sich an dieser Stelle als unbeweglicher erweisen als die Grünen. Die Ablehnung eines Tempolimits ist einer der wenigen konkreteren Punkte in ihrem Wahlprogramm. Logisch ist daran allerdings wenig. Abgesehen davon, dass sich nahezu jedes Gesetz als ein Verbot von irgendetwas interpretieren lässt: Der CO2-Ausstoß würde mit Tempo 130 geringer, die Verkehrssicherheit nähme zu.
Der Umweltaspekt lässt sich nicht mit dem Verweis auf Elektro-Autos zur Seite wischen. Verbrennungsmotoren wird es noch eine ganze Weile geben. Die Grünen haben nur angekündigt, ab 2030 keine Neu-Fahrzeugen mit Diesel-Motoren mehr zuzulassen. Die Union hat sich zu einem konkreten Datum nicht durchringen können.
Überhöhte Geschwindigkeit ein Unfallrisiko
Und der Bremsweg eines Autos wird nicht kürzer, nur weil es mit Batterie fährt statt mit einem Tank. Autobahnen gelten zwar mangels Ampeln und Gegenverkehr als sicherer als Landstraßen. Aber überhöhte Geschwindigkeit ist auch da ein Unfallrisiko. Und es müssen nicht immer gleich Tote sein: Wie entspannt wäre das Fahren ohne Drängler. Wer ohnehin nicht schneller als 130 fahren kann, muss sich auch nicht mehr ungeduldig an Stoßstangen hängen. Und nur als Erinnerung: Auch die 1976 eingeführte Gurtpflicht galt mal als inakzeptable Freiheitsbeschränkung.
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Weil die Union nach Jahren der Konzentration auf Personaldebatten nicht viele weitere Identifikationsthemen hat, dürfte sie sich unter anderem ans Tempolimit hängen wie an einen rettenden Strohhalm. Bei ihrem letzten Strohhalm, der Ehe für alle, hat die Union auch irgendwann ihren Widerstand aufgegeben. Und dann war es plötzlich kein Problem mehr.