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Kommentar zur Corona-KriseVordrängler beim Impfen richten sehr viel Schaden an

Lesezeit 3 Minuten
Impfzentrum_Koeln

Das Impfzentrum in der Köln-Deutzer Messe

Wenn sich Bürgermeister, Stadträte, Kirchenobere oder auch Pflegeheimleiter inklusive ihrer Angehörigen außerhalb der Reihe impfen lassen, richten sie sehr viel Schaden an. Sie nehmen nicht nur alten und kranken Menschen eine Impfdosis weg. Sie sorgen mit ihrem verwerflichen Verhalten auch dafür, dass sich die öffentliche Stimmung verschlechtert.

Wer schon immer der Meinung war, dass „die da oben“ ohnehin tun, was sie wollen, wird sich bestätigt sehen. Auch wenn sich eine große Mehrheit der Verantwortungsträger korrekt verhält, ist der Imageschaden da. Zudem lässt dieses Verhalten den Durchhaltewillen der Menschen in seiner solch langen Krise sinken. Die Vordrängler beim Impfen beschädigen die Solidarität in der Gesellschaft. Es besteht die Gefahr, dass sich mit diesem schlechten Vorbild vor Augen immer mehr Menschen aus der Solidarität verabschieden und ihrerseits versuchen, frühzeitig an den Impfstoff zu gelangen. Damit wäre der mühsam ausgehandelte gesellschaftliche Kompromiss zur Impffolge hinfällig.

Existenzsorgen, Einsamkeit, Gereiztheit

Eine solche Entwicklung ist insbesondere in einer Zeit gefährlich, in der nach wochenlangem Shutdown und fehlender Perspektive auf eine Wiederbelebung des öffentlichen Lebens die Stimmung vieler Menschen tief getrübt ist. Existenzsorgen, Einsamkeit, Gereiztheit, Überfordertsein und Leere - zumindest einen dieser Zustände werden die meisten im Laufe des Pandemie-Jahres erlebt haben.

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Was die Lage so schwer zu ertragen zu macht: Auch nach einem Jahr Pandemie-Erfahrung gibt es keinen Königsweg, mit dieser Krise zu leben, so lange keine Herdenimmunität existiert. Wir wissen heute nicht, welchen Weg das Coronavirus und seine Mutationen morgen nehmen. Diese Pandemie ist ein Schicksalsschlag. Umso mehr gilt die alte Redensart: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Die Gesellschaft muss zusammenhalten, damit sie die Herausforderungen aushält. Genau deshalb wirkt das unsolidarische Vordrängeln beim Impfen so zersetzend.

Gegen die Vordrängler muss es Sanktionen geben

Gegen die Vordrängler muss es Sanktionen geben. Die Impfungen sind die einzige Möglichkeit, den Kampf gegen das Virus zu gewinnen. Wenn die Politik in diesem Bereich eine Entsolidiarisierung zulässt, kann das einen Flächenbrand auslösen, der die gesamte Strategie der gemeinschaftlichen Krisenbewältigung in Frage stellt.

Wenn man auf die Mehrheit der Bevölkerung schaut, funktioniert der Zusammenhalt zum Glück recht gut: Die Maßnahmen zum Schutz des Lebens anderer Menschen stoßen immer noch auf Akzeptanz. Arbeitgeber und Arbeitnehmer arrangieren sich zwischen Verpflichtungen am Arbeitsplatz und den Nöten mit Kinderbetreuung und Homeschooling. Und obwohl alle wissen, dass die gesamte Gesellschaft für diese Krise noch viele Jahre bezahlen werden, stellt niemand die Milliardenhilfen in Frage.Bisher sind wir mit mit dem Sich-an-Regeln-halten recht gut durch die Pandemie gekommen. Es gab eine Reihe von Fällen, in denen der Bogen überspannt wurde - beispielsweise das Verhängen von Bußgeldern für gemeinsames Sitzen auf Parkbänken oder auch das Anschwärzen von Nachbarn, bei denen man mehr als die zulässige Zahl an Personen im Haushalt vermutet. Unter dem Strich aber hat uns der Konsens auf und die Achtung der sich immer wieder ändernden Regeln gut durch die Krise getragen.

Je klarer und nachvollziehbarer die vielen Maßnahmen sind, desto größer die Chance, dass sie auch beachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen der Ministerpräsidenten inzwischen zur offenen Flanke geworden. Je weniger es ihnen gelingt, mit einer Stimme zu sprechen, desto weniger ernst werden ihre Beschlüsse genommen und desto mehr werden sie an Rückhalt in der Bevölkerung verlieren.