Kommentar zu HalleGefahr von Rechts wurde viel zu lange relativiert
Noch wissen wir vieles nicht, was in Halle geschah. Offenbar aber galt der Angriff des mutmaßlichen Täters Stephan B. der jüdischen Gemeinde in der Stadt. B. ist nicht der islamistischen, sondern der rechtsextremistischen Ecke zuzuordnen. Es war ein Terroranschlag, vermutlich von einem radikalisierten Einzeltäter. Und zwar in einer Stadt, die vielen Experten als ein Zentrum der rechtsextremen Szene gilt.
In Halle betreibt die Identitäre Bewegung mitten in der Stadt ein Haus – jene Identitäre Bewegung, die das Bundesamt für Verfassungsschutz im Sommer als eindeutig rechtsextrem eingestuft hat und die unter anderem Kontakte zu Teilen der AfD unterhält.
In Sachsen-Anhalt – genauer: in Tröglitz – war es auch, wo im Frühjahr 2015 eine Flüchtlingsunterkunft brannte und der tapfere Bürgermeister Markus Nierth zurücktrat. Die Landesregierung hat die Gefahren von Rechts später immer mal wieder unter dem Eindruck des Erstarkens der AfD relativiert – fatalerweise.
Erst Mord an Walter Lübcke rüttelte Deutschland auf
Was für Halle gilt, gilt für das ganze Land. Die Militanz der rechtsextremistischen Szene wächst. Sie tritt immer unverhohlener auf und sickert teilweise sogar in die Sicherheitsbehörden ein. Eigentlich hätte schon die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) der Republik vor Augen führen müssen, was die Stunde geschlagen hat. Doch es bedurfte des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, einem Christdemokraten, um dem Letzten klar zu machen, dass Islamismus und Rechtsextremismus längst gleichermaßen bedrohlich sind.
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Extremisten sind nicht allein eine Gefahr für Menschen mit Migrationshintergrund oder Kommunalpolitiker von der CDU. Sie sind auch eine Gefahr für das jüdische Leben, das immer noch und mehr denn je geschützt werden muss. Es gibt keine Synagoge in Deutschland, die dieses Schutzes nicht bedürfte. Nur diese Schutzmaßnahmen haben in Halle offenbar ein größeres Blutbad verhindert.
Das einen Monat vor dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938 diagnostizieren zu müssen, ist bitter für das ganze Land. Es ist ein Irrtum zu glauben, der Antisemitismus sei nur noch auf der islamistischen Seite zu finden. Er ist nach wie vor auch da, wo er immer war: rechts außen.
Das Bundesinnenministerium hat das mittlerweile erkannt. Die Sicherheitsbehörden werden aufgestockt, ihre Kompetenzen erweitert. Ob das wirklich reicht, muss man abwarten. Wer den Ernst der Lage nach den Ereignissen von Halle nicht begreift, dem jedenfalls ist nicht zu helfen. Stattdessen muss man klammheimliche Sympathien vermuten.