Berlin – In der Frage der Regierungsbildung hängen noch große Nebelschwaden über Bundestag und Kanzleramt. Durch die dicke weiße Luft sieht man allerdings schon das schwache Leuchten einer roten Ampel. So offen die Lage auch noch ist, spricht doch vieles dafür, dass sich SPD, Grüne und Liberale zu Koalitionsgesprächen zusammenfinden.
FPD und Grüne sind gerade dabei, im Eiltempo die bislang liebevoll gepflegten Hürden zwischen ihren Parteien umzustoßen. Die Sozialdemokraten erheben zu Recht den Anspruch, die Regierung anzuführen. Die Union wiederum sitzt noch mit am Tisch beim Machtpoker, ist aber zu wenig geschlossen, um in eine starke Verhandlungsposition zu kommen.
Jungbrunnen für die SPD
Das Zusammengehen von Grünen und Liberalen ist für die SPD Chance und Risiko zugleich. Je mehr sich diese vor allem kulturell so unterschiedlichen Parteien annähern, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine gemeinsame Regierung schaffen.
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Die beiden Parteien, die vor allem bei den jungen Wählerinnen und Wählern punkten konnten, bieten den Sozialdemokraten zugleich einen Jungbrunnen. In den Jahren großkoalitionärer Behäbigkeit hat auch die SPD es verlernt, Innovationen und Reformen zu treiben. Das Risiko für die SPD: Die möglichen Kompromisse von Grünen und FDP werden einen hohen Preis haben und den müssen die Sozialdemokraten zahlen.
Viele Übereinstimmungen bei Sicherheit und Bildung
Inhaltlich könnte eine Ampelkoalition viel leisten für das Land. Die Republik einmal durchlüften – den digitalen und ökologischen Wandel beschleunigen, Gründergeist entfachen und zugleich den Aufbruch sozial ordentlich austarieren. Die Gemeinsamkeiten von SPD, Grünen und Liberalen erschöpfen sich zum Glück nicht in dem Plan, Cannabis zu legalisieren.
Auf den Feldern der inneren und äußeren Sicherheit und bei der Bildung gibt es viele Übereinstimmungen. Doch um auch bei Finanzen, Steuern, Klima und Sozialem zusammenzukommen, müssen alle drei Parteien einen weiten Weg gehen, viele Kompromisse schließen und manches gegen den Widerstand der eigenen Basis durchsetzen.
Erneute Groko wäre eine Kapitulation
Ausgemacht ist es also keineswegs, dass sich die Gewinner-Parteien der Bundestagswahl auch zu einem Bündnis zusammenschließen. Zumal CDU-Chef Armin Laschet zwar angeschlagen ist, aber nicht so schwach, dass er nicht FDP-Chef Christian Lindner eine Schulter zum Ausweinen und Stützen bieten könnte, wenn dieser sich doch von SPD und Grünen über den Tisch gezogen fühlt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Jamaika-Bündnis kommt, wenn die Ampel scheitert, ist dennoch nicht hoch. Denn wieso sollten sich Grüne und Liberale noch einmal an einen gemeinsamen Verhandlungstisch setzen, wenn sie doch gerade im Streit davon aufgestanden sind? Da ist es eher denkbar, dass Olaf Scholz dann der Union die Regierungsbeteiligung anbietet. Es wäre wie 2017 der weniger komplizierte Weg. Das wäre dann aber mehr eine Kapitulation als eine Koalition.