- In der Corona-Politik droht sich die Ampel erneut zu verkeilen.
- Dabei ist klar, dass Deutschland sich auf den Herbst vorbereiten muss.
- Die Bundesregierung sollte die Warnungen des Expertenrats ernst nehmen, sonst hätte sie ihn nicht einsetzen müssen.
Eine erneute Selbstblockade der Ampelregierung in der Corona-Politik kann niemand gebrauchen. Weder das Land, noch seiner Bürger und schon gar nicht die Beschäftigten in den Arztpraxen und Kliniken, die seit mehr als zwei Jahren am Anschlag arbeiten.
Doch leider sind die Koalitionspartner auf dem besten Weg, jenes unwürdige Schauspiel aus dem Frühjahr zu wiederholen – nur, dass es dieses Mal um den Herbst geht. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD und auch die Grünen auf weitere Schutzmaßnahmen für die kalte Jahreszeit pochen, wollen sich die Liberalen gar nicht erst auf die Debatte einlassen. Das ist unverständlich – und ermüdend.Stellungnahme ist Auftrag für konstruktive Debatte.
Doch der Corona-Expertenrat macht in seiner Stellungnahme deutlich, dass eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen auch im dritten Pandemieherbst nötig sein wird. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nennen Maskenpflicht, Testkonzepte und eventuell auch Kontaktbeschränkungen als womöglich notwendige Regeln. Die Regierungsparteien sollten die Vorschläge des Gremiums als Auftrag verstehen, jetzt konstruktiv zu diskutieren und einen Fahrplan zu entwickeln. Tut sie es nicht, stellt sich die Frage, warum die Ampel den Expertenrat überhaupt eingesetzt hat.
Im September laufen Corona-Regeln aus
Ein Problem der Bundesregierung ist, dass der Bremser der drei Koalitionspartner das Tempo bestimmt. In der Corona-Politik ist das die FDP. Die Liberalen wollen erstmal auf die gesetzlich verankerte Evaluierung der bisherigen Maßnahmen warten, bevor sie sich mit der zukünftigen Pandemiebekämpfung überhaupt wieder auseinander setzen wollen. Die Evaluierung ist richtig und sollte beachtet werden, gleichzeitig muss aber klar sein, dass Hygienestandards wie Masken vor Ansteckung schützen. Dieser wissenschaftliche Grundsatz gilt nach wie vor.
Die Corona-Regeln im Infektionsschutzgesetz laufen Ende September aus. Das Mindeste wäre, die Hotspotregel über den Winter hinaus zu verlängern. Mit ihr können die Länder bei Überlastung der Kliniken etwa die Maskenpflicht im Innenräumen beschließen. Pauschale, bundesweite Grundrechtseinschränkungen könnten so vermieden werden. Konkrete Schwellenwerte, ab wann eine Überlastung droht, sollten jedoch nachgearbeitet werden und im Gesetz verankert werden. Für die Länder lassen sich so Hürden zur Aktivierung der Hotspotregel abbauen, falls sie erforderlich wird.
Bundesregierung sollte Hauruck-Aktionen vermeiden
In den Städten und Gemeinden geht bereits die Angst um, die Ampel könne wieder kurz vor knapp über Corona-Werkzeuge entscheiden. Bei der letzten Verlängerung des Infektionsschutzgesetz ist genau das geschehen. Die Bundesregierung sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und Hauruck-Aktionen vermeiden. Es wäre eigentlich die Aufgabe des Bundeskanzlers, in den Kommunen und der Gesellschaft für Klarheit zu sorgen.
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Doch Olaf Scholz ist in der Corona-Frage weitgehend abgetaucht. Das ist kaum zu verstehen, immerhin hatte der Sozialdemokrat die Pandemiepolitik mit Einsatz des Expertenrats im Kanzleramt zur Chefsache erklärt. Doch davon ist schon lange nicht mehr viel zu spüren. Jüngst ließ der Sozialdemokrat bei der Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche keine eigene Position in der Frage künftiger Corona-Regeln erkennen.
Schlimmer noch: Der Kanzler lässt es zu, dass die Koalitionspartner wieder aufeinander losgehen statt einen Kompromiss zu suchen. Scholz hatte Führung versprochen und lässt die Dinge nun schleifen. Dabei ist neuer Schwung in der Pandemiepolitik und ihrer Kommunikation nötig: Zum Beispiel muss die Impfkampagne angekurbelt werden, um die Impflücke der Boosterquoten zu schließen – und auch eine Verbesserung der Datenlage fordert der Expertenrat. Scholz muss jetzt handeln.