Kommentar zur UkraineEs braucht mehr Waffen gegen Putin
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Berlin – Man kann nicht entsetzt über Kriegsverbrechen in Butscha sein und den Aggressor in Moskau dann weiter gewähren lassen. Auch Deutschland muss Kiew jetzt schweres Gerät liefern. Und sollte Putin Giftgas einsetzen, muss die Nato handeln – sonst hätte nicht nur die Ukraine verloren.
Olaf Scholz hat eine Zeitenwende ausgerufen, die auch diese Einstellung der Bundesregierung in ein Vorher und ein Nachher teilt: in ein Nein zu Waffenlieferungen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine und ein Ja nach Putins Invasion am 24. Februar. Es war eine grundsätzliche Entscheidung.
Für Putin ist Deutschland längst Kriegspartei
Aber wer eine solche 180-Grad-Wende vollzieht, sollte das mit voller Wucht tun. Schutzhelme und Flugabwehrraketen sind wichtig – wirken angesichts russischer Gräueltaten jetzt aber nur noch wie ein lächerliches Trostpflaster für die Ukrainer.
Aus Putins Sicht ist Deutschland längst Kriegspartei. Diesen Damm hat Scholz mit seiner Rede drei Tage nach Kriegsbeginn selbst gebrochen. Der Aggressor in Moskau mag sich aufs Neue provoziert fühlen, wenn Berlin dazu überginge, auch schweres Gerät zu liefern.
Schützenpanzer anstatt Helme
Aber um Deutschland zum Feind zu erklären, reichen dem Diktator im Kreml auch die genehmigten Haubitzen aus sowjetischer Produktion und Beständen der DDR-Volksarmee aus.Für die Ukraine und ihre vom Tod bedrohten Zivilisten, für den Westen, die Nato und Deutschland und natürlich für russische Truppen ist es jedoch ein riesiger Unterschied, ob ukrainische Soldaten deutsche Schutzhelme auf dem Kopf haben oder in einem Schützenpanzer sitzen.Mag Scholz anfangs bei Waffenlieferungen Skrupel gehabt haben, weil sie den Krieg verlängern, den Kiew nach ursprünglicher Einschätzung westlicher Experten längst hätte verloren haben müssen – jetzt ist die Situation eine andere.
Waffenstillstand oder bedingungslose Unterstützung für Ukraine
Entweder ist der Westen, sind die USA oder die Vereinten Nationen oder Vermittler oder wer auch immer in der Lage, einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu erreichen – Einzelbesuche in Moskau wie von Österreichs Bundeskanzler werten Putin in Russland leider nur auf und sind deshalb dringend zu unterlassen.
Oder die Ukraine muss mit allem unterstützt werden, was sie für die Chance braucht, um den russischen Nachschub an der Ostflanke abzuwehren, der Tod und Verderben bringen wird.Natürlich wäre es das Beste, Putin zu fassen, als Kriegsverbrecher anzuklagen und zu verurteilen und bis zu seinem Lebensende zu inhaftieren. Aber solange das nicht gelingt, muss der Ukraine jetzt geholfen werden, sich gegen ihn zu verteidigen.
Russische Kriegsverbrechen erschüttern bis ins Mark
Ukrainische Soldaten könnten keine modernen Schützenpanzer fahren, sagen deutsche Militärs. Es war ihnen aber auch nicht zugetraut worden, sechs Wochen dem Angriff einer eigentlich übermächtigen Armee standzuhalten.Die russischen Kriegsverbrechen in Butscha und anderswo erschüttern bis ins Mark. Aber alle verbalen Reaktionen auf die Gräueltaten mitten in Europa sind leeres Gerede, wenn man Putin dann nicht zu Leibe rückt.
Es ist so dramatisch, wie die Warnung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj klingt: Je länger Waffenlieferungen dauern und je mehr Zeit dadurch verloren geht, desto mehr Ukrainer verlieren ihr Leben und ihre Freiheit.In EU- und Nato-Staaten hat Putin mit diesem Krieg schon für derart viel Verunsicherung und Wirtschaftseinbußen gesorgt, dass er seinen Genuss daran haben dürfte.
Nato muss reagieren, wenn Putin rote Linie überschreitet
Und es ist ihm zuzutrauen, dass er in einer ersten Welle eigene, junge Soldaten in den Kämpfen einfach so verpulverte mit dem Wissen, dass er noch viel mehr Soldaten und Waffen in der Hinterhand hat. Ihm ist ohnehin alles zuzutrauen, auch der Einsatz von Chemiewaffen.
Spätestens dann muss die Nato reagieren. Scholz hat Putin bereits vor zwei Wochen mit diesen Worten gewarnt: „Versuche es nicht, wir sind stark genug.“ Es wäre die rote Linie, die die Militärallianz nicht so nennen will. Wenn Putin sie überschreitet, und die Nato wäre nicht „stark genug“ für eine Reaktion, hätte nicht nur die Ukraine verloren. (rnd)