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Machtwort des Kanzlers„Das zeugt nicht von großer Führungsstärke“

Lesezeit 4 Minuten
Scholz 181022

Bundeskanzler Olaf Scholz 

Berlin – Die Koalitionsfraktionen müssen sich am Dienstag erst einmal schütteln. Der sonst so auf Ausgleich bedachte Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein Machtwort gesprochen. Vielmehr: Er hat es geschrieben. Auf Papier mit Briefkopf „Bundesrepublik Deutschland“ und „Der Bundeskanzler“ und besiegelt mit seiner Richtlinienkompetenz nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung.

Wochenlang hatten Politiker und Medien gefragt, welche Haltung eigentlich der Kanzler in dem Atomstreit der Ampel einnehme, er müsse doch eine Lösung finden. Hat er nun getan. Aber die Atom-Debatte ist nicht zu Ende. Und die über den Zustand der Koalition beginnt wieder neu.

Machtwort gesprochen: Olaf Scholz sichert Entscheidung mit Richtlinienkompetenz ab

Der große Teil der Ampel-Parteien wurde von der Entscheidung des Bundeskanzlers am Montagabend überrascht. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen haben wohl gewusst, was kommt. Jedenfalls ungefähr. Denn darüber, wann ihnen klar war, dass Scholz nicht einfach nur eine Entscheidung fällt, sondern diese mit der Richtlinienkompetenz absichert, gibt es unterschiedliche Lesarten. Die einen glauben, den beiden Ministern sei das Ausmaß klar gewesen, die anderen sagen, sie hätten erst am Montag erfahren, dass er das schwerste Schwert der Kompromissfindung ziehen wird.

Bereits am Rande des Grünen-Parteitags in Bonn war zu hören, den Konflikt könne nun nur noch der Kanzler lösen. Der müsse „jetzt auch mal sagen, was er will“. Aber von Richtlinienkompetenz war da noch nicht die Rede.

Machtwort von Olaf Scholz: Wirkung für manche erschreckend

An vielen Stellen in den drei Parteien heißt es am Dienstag, dass Scholz´ Vorgehen „Wumms gemacht hat“. Manche sind über die Wirkung erschrocken. Im August hatte Scholz selbst in seiner ersten Sommer-Pressekonferenz auf eine Frage zu seiner Richtlinienkompetenz gesagt: „Es ist gut, dass ich sie habe, aber natürlich nicht in der Form, dass ich jemandem einen Brief schreibe und bitte: Herr Minister, machen Sie das Folgende. Es ist meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Regierung die wichtigen Entscheidungen trifft, die uns in die Lage versetzen, auf diese Krise zu reagieren.“

In dem Brief von Scholz steht nun: „Ich bitte darum, im Rahmen der Geschäftsverteilung die entsprechenden Regelungsvorschläge dem Kabinett nun zeitnah vorzulegen, über die dann der Gesetzgeber entscheidet.“

Positionierung von Olaf Scholz in Atomfrage war nicht immer klar

Die grüne Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic klagt: „In der Vergangenheit war nicht klar, wie sich der Kanzler in der Atomfrage eigentlich positioniert. Jetzt spreche er plötzlich ein Machtwort. „Das zeugt nicht von großer Führungsstärke. Das muss künftig anders werden“, sagt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Bei der SPD geben sie sich nach außen zufrieden mit dem Bundeskanzler. Er sei doch oft mit seiner früheren Bemerkung aufgezogen worden, wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch. Nun mache er genau und es werde geklagt, dass man sich das in dieser Härte nicht habe vorstellen können. Jetzt sei klar, heißt es bei der SPD, dass alle drei letzten Atommeiler bis Mitte April 2023 laufen - und der Atomausstieg damit endgültig besiegelt sei.

Unruhe bei den Grünen – Warnung an die FDP?

In der FDP-Fraktionssitzung nimmt man Scholz´ Entschluss hin, der ihre Forderung nach einem Weiterbetrieb der Kernkraftwerke bis 2024 und der Anschaffung neuer Brennstäbe einkassiert hat. Und bei den Grünen herrscht Unruhe.

Noch am Montagabend kommt es zu Krisengesprächen. Bei ihnen gibt es aber offenkundig ein Spiel mit verteilten Rollen – sodass manche mutmaßen, das Machtwort des Kanzlers könne mit den Parteioberen abgesprochen gewesen sein. Die grünen Kabinettsmitglieder signalisieren schnell Zustimmung.

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Hier wie dort wurde nach Bekanntwerden des Briefes schließlich auffällig ähnlich - wie bei der SPD - stets aufs Neue betont, dass der Atomausstieg zum 15. April 2023 nun endgültig besiegelt sei. Es klingt wie eine Warnung an die FDP, dass sie das Fass nicht wieder aufmachen solle.

Machtwort von Olaf Scholz muss nun in Gesetz gegossen werden

Die Grünen-Bundestagsfraktion ist aufgescheucht. Kein Wunder, weil es ja nun darum geht, das Machtwort in ein Gesetz zu gießen. Und Abgeordnete sind bekanntlich frei und lassen sich ungern herumkommandieren. So unterstreicht Fraktionschefin Britta Haßelmann, die Fraktion sei durch die Kanzler-Entscheidung „nicht gebunden; das Parlament insgesamt auch nicht“ – wenngleich sie empfehle, dem zu folgen. Sie stellt zugleich offen infrage, ob der Verweis auf die Richtlinienkompetenz „das richtige Stilmittel“ sei. Davon könne man sicherlich nicht oft Gebrauch machen.

Aus der Fraktion verlautet, es werde „auf jeden Fall einige Nein-Stimmen geben“. Das wiederum bringt die SPD auf die Palme. Erst manövrierten die Grünen gemeinsam mit der FDP die Ampel in diese Sackgasse und seien dann nicht in der Lage, den Kanzler beim Wendemanöver zu unterstützen, heißt es. Offiziell hat es Grünen zufolge keine Verhandlungen mit Scholz gegeben, die in das Ergebnis vom Montagabend mündeten. Vielmehr, sagt Haßelmann, sei man „konfrontiert mit einer Entscheidung des Bundeskanzlers“. Zweifel daran bleiben.

Scholz Vorgängerin Angela Merkel (CDU) hat übrigens in 16 Jahren nie ihre Richtlinienkompetenz genutzt. Und der frühere SPD-Chef Franz Müntefering hatte 2005 erklärt: „Wer das macht in einer Koalition, der weiß, dass die Koalition zu Ende ist.“ In der SPD sagen sie heute: Das waren andere Zeiten.