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Wissenschaftlerin im InterviewMai Thi Nguyen-Kim: „Die denken, ich weiß alles“

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Mai Thi Nguyen-Kim

Mai Thi Nguyen-Kim ist die wohl bekannteste Wissenschaftsjournalistin Deutschlands, spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie wurde die promovierte Chemikerin zur viel gefragten Expertin in den Medien. In ihrer Wissensshow „Maithink X“ (neue Folgen ab Sonntag, 22.15 Uhr bei ZDF neo) beleuchtet sie Themen von Meinungsfreiheit über Ernährung bis Zeitumstellung.

Frau Nguyen-Kim, in den neuen Folgen Ihrer Show wollen Sie wieder wissenschaftliche Themen unterhaltsam an die Leute bringen. Wie waren die Reaktionen auf die erste Staffel?

Nguyen-Kim: Die waren total positiv, das hat uns sehr gefreut. Ich hatte mich zuvor gewappnet, auch böse Zuschriften zu bekommen, weil wir ja sehr bewusst auch Themen gewählt hatten, die kontrovers diskutiert werden, aber es war ein Superstart.

Welche Rolle wird die Corona-Pandemie in den neuen Folgen spielen?

Dadurch, dass wir die Sendung vorher aufzeichnen, ist es als Thema nicht so gut geeignet, da sich in der Corona-Wissenschaft laufend so vieles ändert. Und ehrlich gesagt bin ich auch dankbar, wenn ich mich mal nicht mit Corona beschäftigen muss.

Hat die Corona-Krise das allgemeine Interesse des Publikums an Wissenschaft verstärkt?

Das Interesse und die Aufmerksamkeit sind definitiv stark gestiegen. Das ist aber nicht nur positiv. Es gibt ja den Spruch „Es gibt keine schlechte PR“. Jede Art von Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit ist gut. Aber das stimmt für Wissenschaft nicht. Die Wissenschaft ist in der Corona-Krise auf eine öffentliche Bühne geraten, wo ein unglaublich grelles Spotlight scheint. Aber Wissenschaft ist dazu nicht gemacht. Man braucht Zeit, man braucht das Einerseits-Andererseits, Nuancen, Methodik. Manchmal ist es schlechter, wenn ganz viele Leute auf Wissenschaft schauen und dabei ein falsches Bild bekommen.

Halten die Leute Sie eigentlich für eine Besserwisserin?

Ja, ganz schlimm. Es gibt Menschen, die denken, ich weiß alles, was natürlich Quatsch ist. Ich merke das auch oft an Medienanfragen, da werde ich um einen Experten-O-Ton zu einem Thema gebeten, wo ich sage: Es gibt so viele ausgewiesene Fachleute, die sich explizit damit beschäftigen, warum fragt ihr denn jetzt mich? Aber ich will mich nicht beschweren. Viele Frauen in der Öffentlichkeit haben das Pro­blem, dass ihnen die Kompetenz abgesprochen wird, und das passiert mir nicht. Aber das Klischee der Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers als Genie empfinde ich als falsch.

Warum?

Es macht Wissenschaft sehr elitär, es sendet eine Message an Kinder und Jugendliche, die sich im Chemieunterricht verloren fühlen und denken: Das ist was für irgendwelche Sheldon Coopers, aber nichts für Normalsterbliche. Und das ist genau das Falsche. Ich glaube an eine wissenschaftliche Allgemeinbildung, die für eine breite Bevölkerung zugänglich ist. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber dafür ist es nötig, solche Klischees zu brechen.

Wann fing bei Ihnen die Wissenschaftsliebe an?

Ich bin tatsächlich ein Opfer der Begeisterung meines Vaters. Er ist Chemiker und wusste immer unglaublich viel. In dem Alter, in dem Kinder so neugierig sind, konnte mir mein Papa erstaunlich viel erklären. Er hat mir zum Beispiel im Drogeriemarkt die Inhaltsstoffe von Shampoos erklärt. Für mich war Chemie deshalb immer Alltagswissen – und Chemie ist ja wirklich unglaublich alltagsnah, leider kommt das in der Schule gar nicht so rüber. Mein eigener Chemieunterricht war auch sehr abstrakt, ohne meinen Papa wäre ich kaum auf die Idee gekommen, Chemie zu studieren.

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Eine der Rubriken in Ihrer Show heißt „Ask Mai Anything“, da dürfen die Leute Ihnen Fragen stellen. Welche Frage würden Sie selbst gern stellen, zum Beispiel dem allwissenden Computer aus dem Kultroman „Per Anhalter durch die Galaxis“?

Da hätte ich die Qual der Wahl. Eine der großen Fragen wäre: Was ist außerhalb des Universums? Geht es unendlich weiter, oder ist irgendwann nichts? Beides ist unvorstellbar. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass es irgendwo im Weltall Leben gibt. Ich würde schon gern wissen, wie das aussieht.