Ein Korruptionsskandal erschüttert die ukrainische Regierung. Vor allem die Bevölkerung ist bitter enttäuscht von ihren Vertretern.
„Menschen sind empört“Korruptionsvorwürfe erschüttern Ukraine – Ermittlungen bringen neue Details
Nach den schweren Korruptionsvorwürfen in mehreren Fällen gegen ranghohe Beamte der ukrainischen Regierung haben die Ermittlungen der Behörden begonnen. Nach Angaben der ukrainischen Antikorruptionsbehörde NABU soll Vizeminister Wasyl Losynskyj Schmiergelder in Höhe von 400.000 US-Dollar angenommen und im Gegenzug mit einem Unternehmen Verträge für überteuerte Stromgeneratoren abgeschlossen haben.
„Damit alles reibungslos lief, schaltete der Unternehmer zwei weitere Personen ein, die ihm dabei halfen, ein Angebot für das Ministerium mit Preisen um 25 bis 30 Prozent über dem Marktdurchschnitt zu erstellen“, teilte Nabu mit. Damit dies nicht auffliegt, sollen bei der Kostenüberwachung Angaben gefälscht worden seien.
Korruptionsskandal in der Ukraine: Überhöhte Preise für Soldatenverpflegung
In einem anderen Fall soll es Verträge mit überhöhten Preisen für die Verpflegung der Soldaten gegeben haben. Ob es sich dabei um Korruption handelt, ist unklar. Der zuständige Direktor der Beschaffungsabteilung des Verteidigungsministeriums sei entlassen worden, teilte die Leiterin des Antikorruptionsausschusses der Werchowna Rada, Anastasia Radina, am Mittwoch mit. Sie kündigte einen Gesetzentwurf an, wonach künftig die Preise für eingekaufte Produkte veröffentlicht werden müssen.
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„Diese Fälle haben die Gesellschaft erschüttert“, sagte die ukrainische Politikerin Inna Sovsun dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Gerade in Zeiten des Krieges ist es völlig inakzeptabel, dass manche Menschen an ihre persönliche Bereicherung denken.“ Für sie seien die Fälle auch sehr persönlich. „Ich kann nicht verstehen, wie Menschen so etwas tun können, denn mein Partner kämpft im Krieg und ich kenne viele Menschen, die jeden Tag ihr Leben riskieren.“
„Die Menschen sind sehr enttäuscht über diese eklatanten Fälle von Korruption“, sagt Sovsun weiter. Gleichzeitig zeigten die Fälle, dass das System der Korruptionsbekämpfung in der Ukraine funktioniere. Früher sei es oft vorgekommen, dass Journalisten Missstände aufgedeckt hätten, es aber keine Konsequenzen gegeben habe. Das sei heute anders, sagte Sovsun und verwies auf die Verhaftung mehrerer Verdächtiger. Die Reaktion sei angemessener als in der Vergangenheit. „Das gibt uns allen Hoffnung.“
Korruption in der Ukraine: Wolodymyr Selenskyj entlässt zahlreiche Gouverneure
Die jüngsten Korruptionsvorwürfe hatten am Mittwoch zu einer Reihe von Entlassungen geführt. Fünf Gouverneure regionaler Militärverwaltungen sowie vier Vizeminister wurden mit sofortiger Wirkung ihrer Ämter enthoben. Viele Fragen sind aber noch ungeklärt.
Offen ist unter anderem, ob auch westliche Hilfsgelder für den Kauf der überteuerten Stromgeneratoren ausgegeben wurden. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, erklärte am Dienstag, der US-Regierung sei „kein Missbrauch amerikanischer Hilfsgelder“ in der Ukraine bekannt. Price betonte, dass die Gelder aus den USA sorgfältig überwacht würden. „Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst, eine angemessene Aufsicht über alle Formen der amerikanischen Hilfe für die Ukraine zu gewährleisten“, sagte er.
Einer der Gründe für die Korruption ist nach Einschätzung von Transparency International Ukraine, dass in den vergangenen Monaten andere Prioritäten gesetzt wurden. „Unsere oberste Priorität in den letzten elf Monaten war das Überleben“, sagte Andrii Borovyk, Geschäftsführer von Transparency International Ukraine, dem RND. Das sei das Hauptziel vieler Menschen im Land und natürlich auch von Selenskyj gewesen. Jetzt werde das Thema Korruption und die Aufarbeitung der Fälle viel weiter oben auf der Prioritätenliste stehen, ist sich der Transparency-Geschäftsführer sicher. „Ich denke, das wird in der Öffentlichkeit eher positiv als negativ aufgenommen.“
Akzeptanz von Korruption in der Ukraine extrem niedrig
Die Akzeptanz von Korruption in der Ukraine ist extrem niedrig, bestätigen Borovyk und Sovsun dem RND. Die ukrainische Parlamentsabgeordnete Sovsun führt dafür noch einen weiteren Grund an: „Jetzt, wo Korruptionsfälle unsere Verteidigung und unseren sozialen Zusammenhalt untergraben, ist das völlig inakzeptabel. Die Menschen sind empört.“
Sovsun glaubt, dass die große Öffentlichkeit der aktuellen Korruptionsvorwürfe eine Signalwirkung hat. „Ich hoffe, dass diese Welle von Skandalen nun neue Skandale verhindert, dass die Menschen sehen, dass der Kampf gegen Korruption funktioniert und dass sie sehr vorsichtig sind.“ Jeder, der in der Ukraine Entscheidungen trifft, sollte das jetzt verstanden haben, so Sovsun. (RND)