Der amerikanische Handelskonflikt mit seinen Nachbarländern droht viele Waren für US-Bürger zu verteuern. Vor allem Lebensmittel und Autos sind betroffen.
Mexiko erreicht Zoll-VerschiebungTrump pokert mit hohem Risiko –„Dümmster Handelskrieg in der Geschichte“
Eigentlich beschäftigt sich Douglas Irwin nur akademisch mit der Geschichte von Handelskonflikten. Doch seit dem Wochenende ist der Wirtschaftsprofessor am renommierten Dartmouth College in New Hampshire plötzlich persönlich betroffen. Da schickte ihm der Energieversorger Irving, von dem er das Propangas für seine Heizung bezieht, eine unmissverständliche Mail. Er habe wahrscheinlich von den jüngsten Zöllen für Öl und Gas aus Kanada gehört, stand da: „Die Zölle werden auf ihren Festpreis aufgeschlagen.“
Den Ökonomen Irwin überraschte das Schreiben nicht. Doch vielen Amerikanern droht nach der Überzeugung von Experten schon sehr bald ein böses Erwachen, nachdem Präsident Trump Zölle von 25 Prozent für Einfuhren aus den Nachbarländern Mexiko und Kanada sowie 10 Prozent für Importe aus China angekündigt hat. „Falls jemand noch Zweifel hat: Die Zölle werden an die Konsumenten weitergegeben“, kommentierte Irwin auf der Plattform X.
Erster Schreck für US-Bürger mit Aktien – Kanada verhängt Vergeltungszölle
Einen ersten Schreck erlebten die US-Bürger, die ihre Altersvorsorge größtenteils in Aktien anlegen, bereits am Montagmorgen. Der NASDAQ-Index gab bei Eröffnung der New Yorker Börse rund 1,8 Prozent nach. Das dürfte nicht die einzige Auswirkung bleiben, wenn der Handelskrieg voll ausbricht. Mehr als ein Drittel der US-Importe stammen aus den drei betroffenen Ländern und dürften sich dann verteuern. Kanada hat umgekehrt bereits Vergeltungszölle verhängt.
Doch für Mexiko scheint es nun zumindest eine Atempause zu geben. Er werde die Zölle gegen das südliche Nachbarland für einen Monat aussetzen, kündigte Trump am Montag mittag überraschend nach einem Telefonat mit Präsidentin Claudia Sheinbaum an. Trump zeigte sich zufrieden, dass Mexiko 10.000 Soldaten an der Grenze zur Bekämpfung des Schmuggels mit Fentanyl stationieren wolle. Es war zunächst unklar, ob dies tatsächlich eine neue Zusage ist, denn das Nachbarland hatte bereits in der Vergangenheit seine Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze verstärkt.
Zölle gelten für Kanada und China und schweben wie ein Damoklesschwert über Mexiko
Doch für Kanada und China gelten die Zölle weiter, und über Mexiko schweben sie nun wie ein Damoklesschwert. Das konservative „Wall Street Journal“ beschreibt den Konflikt als „dümmsten Handelskrieg in der Geschichte“ und sagt schwere Verwerfungen für die amerikanische Autoindustrie voraus, die ihre Fahrzeuge zu großen Teilen jenseits der beiden Grenzen fertigt. Im Handel mit Agrargüterrn befürchtet das Blatt ein „Chaos“.
Das sehen viele Experten ähnlich. Nach Schätzungen der Steuerexperten bei der Beratungsfirma EY dürfte die amerkanische Inflation, die im Dezember bei 2,9 Prozent gelegen hatte, durch die Zölle um 0,4 Prozentpunkte steigen. Das Peterson-Institut erwartet gar einen Aufschlag von 0,54 Prozent. Die steigenden Preise werden einen US-Durchschnittshaushalt nach Berechnungen des Budget Lab der Yale Universität jährlich mit mindestens 1000 Dollar belasten. James Knightley, der Chefökonom der ING-Bankgruppe, ist deutlich pessimistischer. Er sieht auf Familien eine Zusatzlast von 3342 Dollar zukommen.
US-Bürger werden Preisanstiege im Supermarkt bemerken
Am schnellsten würden die Konsumenten die Preisaufschläge beim Einkauf im Supermarkt spüren. Ein Viertel aller Lebensmittel der USA wird in Mexiko angebaut - vor allem Avocados, die gar zu 90 Prozent aus dem südlichen Nachbarland stammen, Tomaten und Erdbeeren. Zudem sind mexikanische Biere und der für Margarita-Cocktails unverzichtbare Tequila-Schnaps sehr beliebt. „Wir stehen vor einem interessanten Experiment über die amerikanische Preistoleranz, nachdem die Guacamole, das Cerveza (Bier) und der Tequila teurer geworden sind“, hatte Joseph Brusuelas, der renommierte Chefökonom der Wirtschaftsberatungsfirma RSM, vor der überraschenden Verschiebung der Zölle kommentiert.
Die Lebensmittel sind nur der Anfang. Aus Kanada importiert die USA neben Fleisch und Ahornsirup vor allem ein Viertel ihres Öls sowie Holz und Autoteile. Der Fahrzeugbauer General Motors bezieht 40 Prozent der Bestandteile seiner Fahrzeuge hierher und aus Mexiko. Ein durchschnittliches amerikanischen Autos dürfte sich nach Schätzungen der Analysefirma Wolfe Research um rund 3000 Dollar verteuern.
Zudem hat Kanada bereits Vergeltungszölle verhängt, die etwa amerikanische Hersteller von Stahl und Möbeln, aber auch von Bourbon-Whiskey und Orangensaft treffen, die exportiert werden. Die beiden kanadischen Provinzen Ontario und British Columbia haben US-amerikanischem Wein und Spirituosen ganz aus den Verkaufsregalen verbannt. Unter möglichen mexikanischen Gegenmaßnahmen würden besonders amerikanische Farmer leiden, die Mais und Ferkel in das Nachbarland verkaufen.
Derweil ist zunehmend unklar, was Trump eigentlich erreichen will. Ursprünglich hatte er sich über die irreguläre Migration und die Einfuhr von Fentanyl aus den Nachbarländern beklagt. Am Montag monierte er bei „Truth Social“ plötzlich, Kanada erlaube US-Banken keine Geschäftstätigkeit. Schon am Sonntag hatte er die amerikanische Bevölkerung darauf eingestellt, dass die Zölle „etwas Schmerz“ verursachen könnten: „Aber wir werden Amerika wieder großartig machen, und es wird den Preis wert sein, der gezahlt werden muss“, versprach der Präsident.