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Neffe von JFK wird MinisterImpfgegner Robert Kennedy Jr. – Der falsche Gesundheitsapostel

Lesezeit 8 Minuten
Robert F. Kennedy Jr., Kandidat für das Amt des Gesundheitsministers von US-Präsident Trump.

Robert F. Kennedy Jr., Kandidat für das Amt des Gesundheitsministers von US-Präsident Trump.

Robert F. Kennedy Jr. soll der neue amerikanischer Gesundheitsminister werden. Seine Familie, viele Ärzte und selbst Republikaner sind beunruhigt.

Das Holz und der Marmor an den Wänden verleihen dem Senats-Ausschusssaal G 50 eine ehrwürdige Atmosphäre. Diskret wachen Polizisten in schwarzen Uniformen über die Ordnung. Doch als um kurz vor zehn Uhr ein Mann mit schmaler Krawatte und kräftigem Bizeps unter dem Anzugsjackett den Raum betritt, bricht auf den Zuschauerbänken lauter Jubel aus. „I love you, Bobby“, ruft eine Frau, als sei sie bei einem Popkonzert.

Tatsächlich gibt es an diesem Morgen ein bisschen Glamour im Washingtoner Kapitolsgebäude. Robert F. Kennedy Jr. ist zur Anhörung mit seiner Frau Cheryl Hines erschienen. Viele Amerikaner kennen die Schauspielerin aus der Sitcom „Curb Your Enthusiasm“, wo sie die Ex des Komikers Larry David verkörpert, der Donald Trump einen „Soziopathen“ nennt. Nun hält sie die Hand des Politikers, der als Gesundheitsminister in dessen Kabinett die Kliniken, die medizinische Forschung und die Krankenversicherungen der USA überwachen soll.

Robert F. Kennedy Jr.: Impfgegner wird US-Gesundheitsminister – 71-Jähriger gilt als umstrittene Persönlichkeit

Im schrägen Panoptikum des Präsidenten gehört Kennedy zu den umstrittensten Persönlichkeiten. Der charismatische 71-Jährige mit der durch eine Kehlkopferkrankung verursachten Reibeisenstimme war einst heroinsüchtig, hatte einen Wurm im Gehirn, verbreitet krudeste Verschwörungsmythen, bewarb sich zunächst als Demokrat, dann als Unabhängiger um die Präsidentschaft - um nun seinem einstigen Widersacher Trump zu dienen. Seine Fans sind ihm treu. Doch die prominente Kennedy-Familie hat sich von ihrem schwarzen Schaf distanziert: Seine Cousine Caroline warnt vor dem „Raubtier“, das „süchtig nach Aufmerksamkeit und Macht“ sei.

In den nächsten Tagen muss der Senat über die Bestätigung des obersten amerikanischen  Gesundheitshüters entscheiden, dem ein Mammut-Budget von 1,7 Billionen Dollar untersteht. Die Sache steht auf Messers Schneide. Nur drei Abweichler in der Parlamentskammer können sich die Republikaner erlauben. Einige Konservative haben Vorbehalte geäußert. Die Frage ist: Riskieren sie den Konflikt mit dem mächtigen Partei-Paten im Weißen Haus und einen möglichen Aufstand der eigenen Basis?

Der Neffe des 1963 ermordeten demokratischen Präsidenten John F. Kennedy ist nicht leicht einzuordnen. Seinen ursprünglichen Nimbus in linken Kreisen verdankt er neben dem prominenten Familiennamen vor allem seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Anwalt für Umweltrecht. Bei den Rechten aber hat der Querdenker, der Falken züchtet und staatliche Institutionen anzweifelt, mit seinem vehementen Protest gegen Impfungen, Maskenvorschriften und Reiseeinschränkungen während der Coronapandemie mächtig gepunktet.

Kennedy selbst steckt voller Widersprüche: Er hat als Katholik eine frühere Ehefrau, die sich später das Leben nahm, dutzende Male betrogen. Mit dem vermeintlich mutigen Kampf gegen Konzerne verdient er Millionen. Und als einstiger Umweltschützer sammelte er für den Klimaleugner Trump Stimmen.

Vor allem hat er in den vergangenen Jahren unzählige Verschwörungslegenden verbreitet: Angeblich sollen WLAN-Strahlungen krebserregend sein, Antidepressiva die Waffengewalt in den USA befördern und Chemikalien im Wasser Transgeschlechtlichkeit bei Jugendlichen hervorrufen. Kennedy zweifelte den Zusammenhang von HIV und Aids an, er behauptete, dass Impfungen zu Autismus führen und das Coronavirus gezielt so konstruiert sei, dass es aschkenasische Juden und Chinesen verschone. Keine dieser Mythen hat eine wissenschaftliche Basis.

Doch über seine konspirativen Hirngespinste redet Kennedy deutlich seltener, seit er sich für das Ministeramt warmläuft. Stattdessen präsentiert sich der 71-Jährige als Vorkämpfer eines effizienteren Gesundheitswesens und einer gesunderen Ernährung. Eher allgemein  prangert er riesige Ineffizienzen im System an und kritisiert die unzähligen Ergänzungsstoffe in amerikanischen Nahrungsmitteln, die Übergewicht und Diabetes befördern. „Wir werden die Epidemie der chronischen Krankheiten beenden und die Nation zurück auf den Pfad der Gesundheit bringen“, verspricht der Mann, der sich im Wahlkampf mit nacktem Oberkörper beim Hanteltraining fotografieren ließ.

Das kommt gut an - auch im Saal G 50, wo seine Anhänger immer wieder applaudieren, obwohl Meinungsäußerungen der Zuschauer offiziell verboten sind. Mike Crapo, der republikanische Vorsitzende des Finanzausschusses, lässt die Kennedy-Unterstützer großzügig gewähren, während er eine Gegendemonstrantin in Krankenschwestern-Kluft sofort des Raums verweist. So sind die neuen Spielregeln in Trumps Amerika.

Ohnehin ist der Fan-Block in der Überzahl. Dort trägt ein junger Mann eine Kappe mit der Aufschrift „Make America Healthy Again“. Ein paar Stühle weiter hält jemand seine beiden zu einem Herzen geformten Hände in die Luft. Die meisten Kennedy-Anhänger sind drahtige Frauen jenseits der 50 Jahre, die in Deutschland gut in das Publikum eines Kirchentages passen würden.

Robert F. Kennedy Jr. bei einer Anhörung im Senat.

Robert F. Kennedy Jr. bei einer Anhörung im Senat.

Doch der nette Herr Kennedy hat ein anderes, dunkles Gesicht. Als Kind, so berichtete vor wenigen Tagen seine Cousine Caroline, habe er mit Vergnügen Küken und Mäuse in einen Mixer gestopft, um Futter für seine Falken herzustellen: „Eine perverse Szene der Verzweiflung und Gewalt.“ Eine seiner Töchter schilderte vor zehn Jahren, wie der Politiker den Kopf eines auf der Halbinsel Cape Cod gestrandeten Wals mit einer Säge abgetrennt und auf dem Dach seines Minivans nachhause transportiert habe.

Kurz vor der Enthüllung durch ein Magazin hat Kennedy im vorigen Sommer gestanden, dass er den Kadaver eines sechs Monate alten Bären, der im Hudson Valley von einem Auto überfahren worden war, mit seinem Pickup nach New York fuhr und im Central Park auf ein Fahrrad setzte, weil er das „amüsant“ fand.

Bei der Anhörung wollen sich denn auch einige Senatoren auf dem Podium von der freundlichen Fassade des Gesundheitsapostels nicht täuschen lassen. „Bitte antworten Sie mit Ja oder Nein“, fordert ihn der Demokrat Michael Bennet auf, der den Bundesstaat Colorado vertritt. Der folgende Schlagabtausch ist typisch für die gesamte Anhörung.

Ob Kennedy glaube, dass das Coronavirus gezielt gegen nicht-jüdische Menschen gerichtet sei? „Ich habe nur eine Studie zitiert“, erwidert der designierte Minister. Ob er die durch Zeckenbisse übertragene Borreliose-Krankheit für eine militärische Biowaffe halte? „Das habe ich möglicherweise gesagt.“ Fördern Pestizide die Transgeschlechtlichkeit? „Das habe ich so nicht gesagt“, leugnet er frühere Aussagen.

Robert F. Kennedy Jr.: Impfung seiner Kinder rückgängig machen? „Ich würde jeden Preis dafür bezahlen.“

So geht das den ganzen Vormittag: Mal kann sich Kennedy nicht erinnern, mal fühlt er sich falsch verstanden. Meist weicht er einer direkten Antwort aus wie bei der politisch heiklen Frage nach dem Recht auf Abtreibung, das er früher einmal unterstützte, mit Rücksicht auf die republikanischen Wählern nun aber nicht mehr ansprechen möchte. „Jede Abtreibung ist eine Tragödie“, lautet nun seine stereotype Erwiderung. „In diesem Job geht es um Fragen von Leben und Tod“, hält ihm Bennet irgendwann aufgebracht entgegen: „Das ist zu wichtig für die Spielchen, die Sie spielen.“

Ernsthaft beunruhigend ist die Haltung des potentiellen obersten Gesundheitsschützers zu Impfungen. „Alle meine Kinder sind geimpft. Ich glaube, dass Impfungen Millionen Leben gerettet haben“, beteuert er eingangs vor dem Senatsausschuss. Vor vier Jahren aber hatte er in einem Podcast noch erklärt: „Keine Impfung ist sicher“. In einem anderen Interview sagte er, er würde alles tun, um die Impfung seiner Kinder rückgängig zu machen: „Ich würde jeden Preis dafür bezahlen.“

Immer wieder hat Kennedy ohne wissenschaftliche Belege behauptet, dass die obligatorischen Kinderimpfungen gegen Polio und Masern zu Autismus führen könnten und ihre Gefahren den Nutzen übersteigen. „Ich habe wirkliche Bedenken wegen ihrer irreführenden Statements der Vergangenheit“, bittet ihn nun Bill Cassidy beinahe flehentlich um eine Klarstellung.

Der Republikaner ist Vorsitzender des Senats-Gesundheitsausschusses, doch von Hause aus auch Arzt und weiß um die Bedeutung der Immunisierung zum Schutz vor schweren Erkrankungen und Tod: „Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie sagen könnten, dass die Masern-Impfung keinen Autismus verursacht.“ Doch Kennedy windet sich erneut: „Das werde ich gerne machen, wenn die Daten das hergeben.“

Der mutmaßliche künftige Ober-Aufseher der für offizielle Impfempfehlungen zuständigen Gesundheitsbehörde CDC hat knallharte materielle Interessen, Zweifel an den Immunisierungen zu nähren. Mit seinen verschwörungsideologischen Büchern hat er viel Geld verdient.

Die von ihm gegründete impfskeptische Organisation Children's Health Defense konnte während der Coronapandemie ihre Einnahmen von jährlich drei Millionen auf 16 Millionen Dollar erhöhen. Bis heute verkauft sie Baby-Strampler mit dem Aufdruck: „Keine Impfung - kein Problem“. Der linke Senator Bernie Sanders lässt während einer bizarren Szene der Anhörung ein Plakat mit einem Werbefoto hochhalten. „Unterstützen Sie diese Strampler?“, fragt er den Kandidaten. Kennedy schweigt.

Kein Wunder: Der Jurist hat seinen Kampf gegen die Pharmakonzerne zum lukrativen Geschäftsmodell gemacht. Von einer auf Impfklagen spezialisierten Anwaltsfirma erhält er zehn Prozent Gewinnbeteiligung für jeden vermittelten Fall. Je mehr Eltern er überzeugt, dass ihr Kind unter Nebenwirkungen eines Vakzins leidet, desto reicher wird er. Alleine in den vergangenen drei Jahren hat er so 2,5 Millionen Dollar verdient.

In buchstäblich letzter Minute hat er nun zwar angekündigt, diesen Deal auf seinen ältesten Sohn zu übertragen. Doch der Interessenkonflikt bleibt bestehen: Als Minister kann Kennedy den Haftungsschutz für Impfhersteller reduzieren und damit die Entwicklung von Vakzinen zum unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiko machen, während er gleichzeitig die Kläger mit internen Informationen der Gesundheitsbehörde versorgt.

„Robert F. Kennedy ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit“, hat das konservative „Wall Street Journal“ deshalb vor wenigen Tagen einen mahnenden Leitartikel überschrieben. 75 Nobelpreisträger und 17.000 amerikanische Ärzte, die sich mit Brandbriefen an den Kongress gewandt haben, sehen das ähnlich. Doch ob das die republikanischen Senatoren überzeugt, ist offen.

Donald Trump jedenfalls sieht nicht den geringsten Grund, seinen fragwürdigen Kandidaten zurückzuziehen. Warum auch? Er wolle niemand sein Essen vorschreiben, versichert Kennedy im Senat mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das Lieblingsgericht des Präsidenten: "Wenn Du einen Cheeseburger von McDonald's und eine Cola Light magst, dann sollst Du sie bekommen."