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Pläne der EU-KommissionDeshalb könnte Ölembargo gegen Russland an Ungarn scheitern

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schwedt

Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.

Berlin – Die EU-Kommission bereitet mit Hochdruck ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland vor. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will es in den nächsten Tagen vorstellen. Darin soll dem Vernehmen nach auch ein Öl-Embargo enthalten sein.

Doch die EU-Mitgliedsstaaten sind sich nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht einig. So droht Ungarn, das in hohem Maße von russischem Öl abhängig ist, mit einem Veto.

Habeck: „Andere Länder sind nicht so weit“

Die Bundesregierung hat sich nach langem Zögern hingegen entschlossen, ein Öl-Embargo mitzutragen. Doch „andere Länder sind noch nicht so weit“, sagte Habeck am Montag kurz vor einem Treffen der Energieminister der EU-Staaten in Brüssel.

Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas betonte in einem Fernsehinterview, Ungarn werde Sanktionen gegen den russischen Öl- und Gassektor niemals unterstützen. „Da man sie nur einstimmig beschließen kann, hat es keinen Sinn, wenn die Europäische Kommission Sanktionen vorschlägt, die die derzeitigen ungarischen Importe einschränken würden“, so Gulyas.

Mögliche Übergangsfrist könnte Ungarn umstimmen

Das dürfte allerdings EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht davon abhalten, in den nächsten Tagen einen neuen Vorschlag dennoch zu präsentieren. Ob dann aber alle EU-Mitgliedsstaaten das Öl-Embargo mittragen, blieb am Montag fraglich.

Wie es in Brüssel hieß, war bis zuletzt unklar, ob die ungarische Regierung tatsächlich das Veto einlegt oder lediglich günstige Ausnahmeregelungen für sich erreichen will. Als eine mögliche Übergangsfrist bis zu einem Import-Stopp war das Ende dieses Jahres im Gespräch.

Andere Öl-Produktionsländer gewinnen an Bedeutung

Unklar war auch, ob in dem Sanktionspaket ein Preisdeckel für russisches Öl angeregt wird. Das fordern vor allem südeuropäische EU-Staaten. Die Europäer würden dann nicht mehr den Weltmarktpreis für Öl bezahlen. Das könnte allerdings dazu führen, dass Putin die Öl-Lieferungen komplett einstellt.

Bei der Frage der Auswirkungen eines Öl-Embargos sind Wirtschaftsforscher derzeit sehr zurückhaltend. Es fehlt es an Erfahrungswerten, schließlich sind die Rohölpreise zuletzt so schnell gestiegen wie niemals zuvor.

In einem Punkt besteht für Thomas Puls vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) aber kein Zweifel: „Der Weltölmarkt strukturiert sich um. Öl wird künftig verstärkt aus Afrika, vom Persischen Golf und aus Südamerika kommen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Damit würden die Transportwege für Europa länger, und es werde von der Pipeline auf Tanker umgestellt. „Aus diesem Grund lagen die Charterraten für Tanker zeitweise doppelt so hoch wie vor dem Kriegsbeginn – derzeit sind es 60 bis 70 Prozent plus“, erläutert der Experte für Verkehr und Infrastruktur. Dieser Kostenblock werde bleiben. „Das bedeutet auch, dass die Spritpreise auf absehbare Zeit zumindest auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben. Wahrscheinlich ist eher, dass sie bei Verkündung eines Embargos noch weiter steigen.“

Benzin und Diesel für zwei Euro pro Liter

Nach einer zwischenzeitlichen Entspannung kosteten Benzin und Diesel nach den Erhebungen des Verbraucherportals Clever Tanken zu Beginn der Woche im bundesweiten Durchschnitt wieder um die zwei Euro pro Liter.Puls macht derweil darauf aufmerksam, dass große Öl-Konzerne der Politik einiges vorweg genommen hätten: „Big Oil hat mit Kriegsbeginn damit begonnen, sich aus Russland zu verabschieden“, so der IW-Forscher.

So lassen sich auch hierzulande die starken Rückgänge bei den Importen von russischem Öl erklären. Deren Anteil ist von gut einem Drittel im vorigen Jahr auf inzwischen weniger als 15 Prozent geschrumpft. Die Mineralölunternehmen seien nun in der Lage, „mit einem gewissen Vorlauf“, ihren Bedarf zu 100 Prozent ohne russisches Öl abzudecken.

Die Beendigung der Abhängigkeit vom russischen Importen zum Spätsommer sei realistisch, heißt es im aktuellen Fortschrittsbericht aus Habecks Haus.

Alternative Versorgung für Raffinerie in Schwedt

Die Ausnahme macht dabei Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die vom russischen Staatskonzern Rosneft kontrolliert wird und per Pipeline mit sibirischem Öl beliefert wird. Hier sieht Puls denn auch ein „ungelöstes Versorgungsproblem“. Die Lieferungen per Rohrleitung könnten nur über Öl ersetzt werden, das über die Häfen Rostock und/oder Danzig komme.

Da die Kapazitäten aber begrenzt seien, bestehe die Gefahr, „dass in den ostdeutschen Raffinerien nicht mehr genug Öl ankommt.“ Für Schwedt soll es Insidern zufolge demnächst aber möglich sein, immerhin 55 bis 60 Prozent des Bedarfs über den Rostocker Hafen zu decken.

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Neben dem Standort Schwedt war auch die Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt), die dem französischen Total-Konzern gehört, von der Pipeline abhängig. Doch die Manager haben inzwischen die Lieferverträge umgestellt, es kommt bereits Rohöl via Danzig nach Leuna. Dort sei nun das Ende aller Lieferbeziehungen mit Russland „kurzfristig möglich“, so das Wirtschaftsministerium. Der Rest-Bedarf für Schwedt müsste künftig ebenfalls aus Danzig kommen.