AboAbonnieren

Polen bereits betroffenWarum es beim Gasstopp für Deutschland Ende Mai ernst wird

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Der Gasimporteur Uniper mit Hauptsitz in Düsseldorf

Berlin – In Europa geht die Angst um. Die Angst vor dem Ende russischer Gaslieferungen. Nachdem Kremlherrscher Wladimir Putin in dieser Woche Polen und Bulgarien den Hahn zugedreht hat, kursiert in vielen Hauptstädten die bange Frage, welches Land wohl als nächstes an der Reihe sein könnte.

Für Deutschland kommt die Nagelprobe Ende Mai. Dann muss der größte Gasimporteur Uniper, in dem die frühere E.ON Ruhrgas aufgegangen ist, die nächste Rechnung für russisches Erdgas bezahlen. Dass Uniper bezahlen wird, ist unstrittig, die Frage ist, in welcher Währung das Unternehmen die Rechnung begleicht.

Unsicherheit ist groß

Die Unsicherheit ist groß, seit Putin Ende März per Dekret verkündet hat, dass ausländische Importeure Gas in Rubel bezahlen müssen, obwohl die Verträge für 97 Prozent aller Lieferungen eine Abrechnung in Euro oder US-Dollar vorsehen. Die EU wirft Russland deshalb Vertragsbruch vor und hat ihre Unternehmen aufgerufen, nicht auf die Forderung des Kremls einzugehen.

Auf den höchsten Ebenen von Staat, Wirtschaft und Zentralbanken findet seither ein Verwirrspiel um Zahlungs­modalitäten und die Frage statt, wer zu welchem Zeitpunkt welche Währung umtauscht.

Nach Moskaus Willen sollen Gaskäufer bei der russischen Gazprombank, gegen die keine EU-Sanktionen verhängt wurden, zwei Konten eröffnen – das eine für Euro, das andere für Rubel. Im ersten Schritt soll ein Gaskäufer seine Rechnung wie bisher auch in Euro bezahlen. Allerdings tauscht die Gazprom­bank das Geld danach mit Hilfe der russischen Zentralbank in Rubel um und überweist es auf das Rubelkonto. Von dort würde dann in einem zweiten Schritt die Rechnung beglichen.

Sanktionsbruch bei Zahlung in Rubel

In der EU hatte das von Russland vorgesehene Modell zu einer strittigen Diskussion geführt, ob Gaskäufer Sanktionen brechen, wenn sie sich auf diese Zahlungs­bedingungen einlassen. Nach Ansicht der EU-Kommission ist es kein Sanktionsbruch, wenn Importeure ein Euro- oder Dollar-Konto bei der Gazprombank haben. Denn die Lieferverträge lauteten schließlich auf Euro und Dollar. „Was die Russen danach mit dem Geld machen, entscheiden sie selbst“, sagte ein hochrangiger Beamter der Kommission.

Anders sieht es bei dem zweiten Konto, dem Rubel-Konto, aus. Würden sich die Unternehmen aus der EU darauf einlassen, dann wäre das ein Sanktions­bruch. Die Brüsseler EU-Behörde argumentiert, dass die Importeure damit der unter Sanktionen stehenden Zentralbank quasi ein Darlehen gewähren und die Kontrolle über das Geld abgeben. Denn das Dekret Putins sehe keinen Zeitpunkt vor, bis zu dem die Euros oder Dollars von der Gazprombank in Rubel umgetauscht werden.

Die EU-Kommission empfiehlt den Importunternehmen deshalb, nach der Überweisung in Euro oder Dollar eine Erklärung abzugeben, wonach die Rechnung als beglichen angesehen werde. Ein Sprecher des deutschen Gasimporteurs Uniper sagte inzwischen, es werde weiterhin in Euro gezahlt. Man werde nicht gegen Sanktionsregeln verstoßen.

Uniper-Chef Klaus-Dieter-Maubach hatte zuvor in der „FAZ“ erklärt, sein Unternehmen bereite sich darauf vor, über die „Zwei-Konten-Lösung“ zu bezahlen: „Das heißt, wir zahlen weiterhin in Euro und es findet, orchestriert über die Gazprombank, eine unmittelbare Konvertierung in Rubel statt. Dass die Russen dann sagen, wir hätten in Rubel bezahlt, damit müssten wir dann leben.“

Ob das alles so klappt, kann derzeit niemand genau sagen. Wenn nicht, ist nicht auszuschließen, dass der Kreml Ernst macht und kein Gas mehr nach Deutschland liefert.

Speicherstand für Gas in Deutschlandmomentan höher als im Winter

Tatsächlich sind die Speicherstände in Deutschland derzeit höher, als dies noch im Winter der Fall war, erläutert Charlie Grüneberg vom Branchen­verband Zukunft Gas. Dennoch bleibe die Lage fragil.

Wie aus der Übersicht des Verbandes der europäischen Gasinfrastruktur­betreiber auf der Plattform Agis hervorgeht, betrugen die Füllstände in Deutschland am Freitagmittag 33,7 Prozent. Das ist zwar weniger, als viele andere EU-Länder gebunkert haben, Deutschland hat dafür aber wesentlich größere Füllmengen eingelagert, weil hierzulande der Verbrauch viel höher ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zum Vergleich: Portugal hat aktuell Speicherfüllstände von 88 Prozent, das entspricht aber nur einer Kapazität von drei Terawattstunden (TWh). Deutschlands 33 Prozent entsprechen 80 TWh.

Deutschland verbraucht im Jahr 1016 Terawattstunden Gas. Die gesamte Speicherkapazität hierzulande beträgt 240 TWh. Wenn alle Speicher zu 100 Prozent gefüllt wären, würde das ein Viertel des deutschen Jahresverbrauches abdecken.

Damit sich eine Situation wie zu Beginn des Winters nicht wiederholt, als die deutschen Speicher weitgehend leer waren, haben Bundestag und Bundesrat Anfang April im Eiltempo ein Gesetz beschlossen, das Mindestfüllstände vorsieht. Zum 1. August müssen 65 Prozent der Speicher gefüllt sein, zum 1. Oktober 80 Prozent, zum 1. Dezember 90 Prozent und zum 1. Februar 40 Prozent. Das Gesetz tritt zum 1. Mai in Kraft.