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Plötzlich KönigWie sich das Leben von Charles III. jetzt ändern wird – und muss

Lesezeit 7 Minuten
Charles Elizabeth

Queen Elizabeth II. und ihr Sohn Prinz Charles (l.) bei der offiziellen Ernennung zum Prince of Wales.

  1. Die Queen ist tot, es lebe der König: Mit einer feierlichen Zeremonie hat Großbritannien nun auch offiziell Charles III. zum neuen Monarchen ausgerufen.
  2. Seine ersten Auftritte sowie seine Reden erhielten viel Lob. Wie aber wird die Regentschaft von König Charles III. aussehen?

London – Als die Trompeter auf dem Balkon des Saint James’s Palace treten, zücken die Besucher schnell ihre Smartphones. Schließlich wirkt die Zeremonie mit altertümlichen Uniformen und Botschaften, die von einem Pergament abgelesen werden, wie aus der Zeit gefallen.

Tausende sind gekommen, um bei Charles’ Proklamation, wie das Ritual genannt wird, dabei zu sein. Zwei Tage nach dem Tod seiner Mutter, Queen Elizabeth II., ist Charles III. am Samstag mit Fanfaren auf dem Palast-Balkon in London als britischer König ausgerufen worden. Die eigentliche Zeremonie fand vorher statt, innerhalb des Gebäudes. Es folgten Salutschüsse im Hyde Park, dem Tower und an anderen Orten.

Alle sollten es wissen: Charles ist König. Dabei handelte es sich um einen formalen Akt. Denn der 73-Jährige war bereits mit dem Tod seiner Mutter am Donnerstag König geworden, ganz automatisch.

Elizabeth II und Charles 2018 (1)

Die gestorbene Königin Elisabeth II. mit Kronprinz Charles im Mai 2018.

Viele Britinnen und Briten hatten sich vor dem Tag gefürchtet, an dem Charles König wird, dem Moment des Übergangs der Krone von Königin Elizabeth II. auf ihren Sohn. Hier die beliebte Queen, dort der über die Jahre eher mit Argwohn Langzeit-Thronfolger. Am vergangenen Freitag aber, als der neue König das erste Mal vor dem Buckingham-Palast erschien, kam alles anders als erwartet. Der Monarch zeigte sich nahbar, ließ sich umarmen und küssen. Die Menge jubelte ihm zu und sang „God Save the King”, Gott schütze den König.

Am selben Abend hielt er eine emotionale Rede an die Nation, die unter anderem wegen seiner liebevollen Worte über seine Mutter überschwänglich gelobt wurde. „Der Monarch und seine Beziehung zum Volk haben sich verändert“, resümierte eine britische Journalistin. Das Eis zwischen der königlichen Familie und den Menschen im Land sei geschmolzen. Camilla Tominey, Kolumnistin der Tageszeitung „The Telegraph“, bezeichnete Charles' Rede als eine der „beeindruckendsten der Geschichte“.

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Tritt man einen Schritt zurück, reibt man sich angesichts solcher Äußerungen jedoch verwundert die Augen. Schließlich waren noch im Mai dieses Jahres einer YouGov-Umfrage zufolge nur 32 Prozent der Britinnen und Briten davon überzeugt, dass Charles ein guter König sein würde. Hat das Volk tatsächlich so schnell seine Meinung über ihn geändert?

Pauline MacLaran, die sich an der Royal-Holloway-Universität in London mit dem Bild der königlichen Familie befasst, glaubt, dass das nicht unbedingt der Fall ist. „Das ist eine Art Honeymoon-Phase“, sagte sie gegenüber dieser Zeitung. „Die Menschen trauern gerade um die Queen und fühlen mit dem König mit, der sich ja selbst sehr emotional zeigte.“ Die Rede sei überdies elegant formuliert gewesen. „Er gab sich bescheiden und pflichtbewusst, als eine Fortsetzung der Queen“, sagte sie. „Er hatte einen guten Start.“ Dass das so weitergehe, sei jedoch zweifelhaft.

Denn für Charles III. macht die Tatsache, dass er sein ganzes Erwachsenenleben lang Zeit hatte, sich auf diesen Moment vorzubereiten, die Herausforderung umso größer. Während seine Mutter die längste Zeit ihres Lebens Monarchin und damit eine fast sphärische Person war, von der man wenig wusste und die damit auch zu einer perfekten Projektionsfläche für unterschiedliche Werte und Ideale wurde, war Prinz Charles in der Wahrnehmung vieler deutlich weltlicher.

„Britinnen und Briten haben im Laufe der Jahrzehnte seine politischen Ansichten und Schwächen kennengelernt“, betont Almuth Ebke, Historikerin zur britischen Geschichte der Gegenwart. Dadurch sei es vielen schwergefallen, sich ihn als König vorzustellen.

Tatsächlich kennt die ganze Nation Charles’ Meinungen, seine Interessen, ganz zu schweigen von schlüpfrigen Details aus seinem früheren Privatleben. Man denke nur an die Mitschriften der intimen Telefonate zwischen ihm um Camilla, die an die Öffentlichkeit gerieten, auch wenn diese Gespräche schon lange her sind, mehr als 30 Jahre. „Was auch immer er jetzt tut, Briten werden ihn an dem Bild messen, welches sie sich in den vergangenen Jahrzehnten von ihm gemacht haben“, betonte die Tageszeitung „The Times“ kurz nach dem Tod von Königin Elizabeth II.

Charles Diana Prinzen

Prinz Charles mit Prinzessin Diana und den Söhnen Harry und William.

Doch was für ein Bild ist das? Fragte man die Menschen in Großbritannien noch vor einiger Zeit, dann hielten sie den Prinzen Charles für spleenig. Pilgerreisen nach Griechenland, Gerüchte um seine verzweifelte Suche nach dem perfekt gekochten Ei? Für viele passte das nicht zu einem zukünftigen König. Im Zuge eines Interviews gab er einmal zu, gelegentlich Gespräche mit Pflanzen zu führen.

Erschwerend hinzu kam laut MacLaran, dass jüngst auch die Netflix-Serie „The Crown“ seine gefühlige, ja „jammernde“ Seite betont habe. Die Serie, die in der vergangenen Staffel die Beziehung und Ehe zwischen Charles und Diana und seine Affäre mit Camilla in den Blick nahm, rief außerdem dunkle Erinnerungen wach. Vorgeworfen wurde ihm in den vergangenen Jahren überdies, dass er es, anders als die Queen, mit der politischen Neutralität nicht so genau nahm. Denn der „rebellische Prinz“, wie ihn der Journalist und Biograf Tom Bower einst bezeichnete, missachtete immer mal wieder die Regeln des königlichen Protokolls.

So zog er im März dieses Jahres im Rahmen einer feierlichen Rede etwa Parallelen zwischen einem Verbrechen in der englischen Küstenstadt Southend-on-Sea, wo ein Politiker erschossen wurde, und den Geschehnissen in der Ukraine. Beides seien „Angriffe auf die Demokratie, auf eine offene Gesellschaft, auf die Freiheit selbst“, sagte er.

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Beim Bad in der Menge: Charles III

Der 73-Jährige feuert damit eine Debatte an, die er schon vor Jahren losgetreten hatte, indem er unter anderem Briefe an den früheren Premierminister Tony Blair schrieb. Darin hatte er sich zum Beispiel über die Ausrüstung der Armee im Irak-Krieg beklagt. Provokant war das deshalb, weil sich britische Monarchen eigentlich nicht in die Politik einmischen dürfen.

Und dies galt, einer jahrhundertelangen Tradition folgend, nicht nur für Elizabeth II., sondern auch für den Rest der königlichen Familie. Er wusste dies, hielt sich aber nicht daran.Charles selbst ist die Diskussion darüber, ob er ein gutes Staatsoberhaupt sein wird, jedenfalls schon lange leid. Auf die Frage, ob er seine politischen Kämpfe weiter ausfechten werde, wenn er einmal König sei, betonte er gegenüber der BBC vor einiger Zeit: „Ich bin ja nicht dumm.“ Ihm sei klar, dass die Rolle als Souverän eine völlig andere sei. Im Anschluss an seine Rede am Samstag sagte er: „Ich bin mir des großen Erbes und der Pflichten und schweren Verantwortung des Monarchen, die mir nun übertragen wurden, zutiefst bewusst.“

Viele Biografen sind sich jedoch sicher, dass er seine neue Position nutzen wird, um für die Themen zu kämpfen, die ihm am Herzen liegen: vielleicht nicht so lautstark wie zuvor, aber mit der gleichen Hingabe – und mit einer Premierministerin, die ihm einmal die Woche zuhören muss.

In anderen Worten: Charles könnte die Audienzen als eine gute Gelegenheit betrachten, die neue Regierungschefin Liz Truss mit seinen Ansichten zu „bombardieren“, wie es ein Journalist der Tageszeitung „The Guardian“ umschrieb. Dazu zählt womöglich auch sein Engagement für den Erhalt des Planeten. Seit Jahrzehnten, lange bevor es die Fridays-for-Future-Bewegung gab, wirbt Charles für Umwelt- und Klimaschutz.

Sohn William wird stark involviert

MacLaran fiel auf, dass Charles in seiner Rede darauf verwies, dass sein Sohn William in Zukunft in seiner Rolle als Prince of Wales stark involviert sein werde. „Ich denke, er tat dies in dem Wissen, dass William und Catherine sehr beliebt sind“, sagte MacLaran. Aus ihrer Sicht ist dies ein kluger Schachzug.Man vermutet außerdem, dass die Monarchie unter seiner Regentschaft schlanker wird. Einen Vorgeschmack darauf, wie ein verkleinertes britisches Königshaus unter König Charles III. aussehen könnte, bekam die Welt zum Abschluss der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Thronjubiläum der Queen.

Damals umgaben die Königin nur von wenigen Familienmitgliedern auf dem Palast-Balkon: Charles, seine Frau Camilla, Enkelsohn Prinz William nebst Ehefrau Herzogin Catherine sowie deren Kinder Prinz George, Prinzessin Charlotte und Prinz Louis. Gerüchten zufolge möchte er Charles außerdem aus dem Buckingham-Palast ausziehen, um ihn in ein Bürogebäude und ein Museum umzuwandeln.

Als Staatsoberhaupt, so betonen Fachleute, könnte er sich zudem offener gegenüber Gläubigen aller Religionen zeigen. Hierauf wies er auch in seiner Rede zur Nation hin, als er sagte: „Was auch immer Ihr Hintergrund oder Ihre Überzeugung sein mag, ich werde mich bemühen, Ihnen mit Loyalität, Respekt und Liebe zu dienen.“ Entsprechend könnten auch Rituale während der Krönungszeremonie, die aus Pietätsgründen wohl erst mit einigem Abstand von der Beerdigung stattfindet, einen Hinweis auf seine künftige Regentschaft geben.

Abschied von der Queen

Zunächst steht auch noch der Abschied der Queen im Vordergrund. Deren Staatsbegräbnis ist für den 19. September geplant, wie der Palast bekannt gab. Am Buckingham-Palast riss auch am Wochenende der Strom an Trauernden nicht ab.

Schon am frühen Morgen fanden sich Tausende Menschen ein, um Blumen oder Karten niederzulegen, Kerzen anzuzünden oder innezuhalten. Damit das Anwesen nicht in dem Blumenmeer versinkt, dürfen alle Sträuße nur zwölf Stunden lang davor liegen, bevor sie in den angrenzenden Green Park gebracht werden.