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Sterben für PutinGefallene Soldaten stammen aus Russlands ärmsten Regionen

Lesezeit 5 Minuten
Putin unbekannter Soldat

Wladimir Putin (r.) bei einer Kranzniederlegung am Grabmal des Unbekannten Soldaten

Eine Organisation, die sich „Asiaten Russlands“ nennt, hat die „katastrophale Statistik“ toter Soldaten in Wladimir Putins Reich kritisiert. Das „Institute for the Study of War“ (ISW), ein US-Thinktank, stützt sich dabei auf Äußerungen von Wassili Matenow, dem Gründer der Organisation „Asiaten Russlands“.

Dieser setzt sich innerhalb Russlands für „gefährdete und zahlenmäßig kleine Völker, die vom russischen Staat diskriminiert werden“, ein. Im Moment gehe es Matenow „in erster Linie darum, den Krieg, in den ausnahmslos alle Völker hineingezogen wurden, zu beenden!“

Matenow begründet, „die Statistik der zivilen Todesopfer in der Ukraine ist erschreckend, ebenso wie die katastrophale Statistik der toten Soldaten, die nationalen Minderheiten entstammen“. Auch die Organisation „Mediazona“ erklärt, dass die meisten der toten Soldaten aus den armen Regionen Dagestan und Burjatien stammen, wo der durchschnittliche Monatslohn um die 200 Euro liege.

80 Prozent der Kriegstoten sind Kasachen

80 Prozent der Kriegstoten aus der Region Astrachan gehören der Minderheit der Kasachen an, berichtete der Sender „Radio Liberty“, dabei sei nur jeder sechste Bewohner und jede sechste Bewohnerin dort kasachischer Herkunft.

Auch beim Sold wird unterschieden. Kämpferinnen und Kämpfern aus den ethnischen Minderheiten zahlt der russische Staat dem ISW zufolge nach dem 30-tägigen Training rund 3000 Euro. Kampfunerfahrene Soldatinnen und Soldaten erhalten dagegen bis zu 5000 Euro und eine entsprechend höhere Rente.

Laut dem ISW, das sich auf ukrainische Quellen stützt, sollen die russischen Behörden zudem im Todesfall die Familien von Soldatinnen und Soldaten, die ethnischen Minderheiten entstammen, diskriminieren. So zahle man den Familien verstorbener Streitkräfte aus Moskau dreimal so viel wie den Familien von Soldatinnen und Soldaten aus der Region Burjatien, die von Minderheiten dominiert ist.

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Denn Russland, mit seinen 144 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, ist ein Vielvölkerstaat. Zwar bilden die Russinnen und Russen mit 79,8 Prozent die Mehrheit, doch leben fast 100 weitere Völker in dem Riesenreich, zu dem auch mehrheitlich muslimisch geprägte Republiken wie Inguschetien, Tschetschenien oder Dagestan gehören.

Insgesamt leben in Russland über 160 Nationalitäten. Die zahlenmäßig größten davon sind Russen, gefolgt von muslimischen Tataren (3,8 Prozent), Ukrainern (3 Prozent), Weißrussen (1,2 Prozent) und den kleinen Völkern der Tschetschenen, Baschkiren und Armeniern. Zudem gibt es Tschuwaschen, Mescheten, aber auch Deutsche, Nachkommen der einst unter Katharina der Großen eingewanderten Bauern und Handwerker.

Wie schwer sich Russland vor allem mit seiner etwa 10 Prozent starken muslimischen Minderheit tut, wurde in der Teilrepublik Tatarstand deutlich, in deren Hauptstadt Kasan nur weniger als die Hälfte der 1,3 Millionen Einwohner Russinnen und Russen sind.

Unmut über Putins Russifizierung

Seit Langem betreibt Putin eine Politik der Russifizierung. So wurde im November 2017 Tatarisch als Pflichtfach an den Schulen Tatarstans abgeschafft. In der Mittelstufe werden seitdem nur noch nur zwei optionale Stunden statt der früheren fünf Pflichtstunden angeboten. Dem vorausgegangen war eine Rede Putins im russischen Rat für interethnische Angelegenheiten, in der er betonte, dass in seinem Land Russisch als Sprache Vorzug genieße.

Daraufhin kam es in Tatarstan und dem benachbarten Baschkirien zu nicht genehmigten Demonstrationen. Der Unmut in der wohlhabenden Republik, die mit ihrer Ölindustrie als eine der wenigen Regionen zu den Nettoeinzahlern in den russischen Haushalt gehört, war groß.

Der Krieg, der mit dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 begann, droht die Risse innerhalb des Vielvölkerstaates noch zu vertiefen. Früh berichtete die britische BBC über Präsident Wladimir Putins zentrale Strategie, seine Soldatinnen und Soldaten vor allem aus ethnischen Minderheiten zu rekrutieren anstatt auf eine generelle Mobilmachung zu setzen, weil das zu Unruhen innerhalb Russlands führen könne. Dafür wird jetzt über Spannungen in den ethnischen Enklaven Russlands berichtet.

Proteste in Sibirien und desertierte Soldaten

Das „Institute for the Study of War“ (ISW) verwies auf einen Bericht des russischen Bloggers Rybar vom 18. Juli, laut dem sich in der autonomen Teilrepublik Tuwa in Sibirien eine Anti-Kriegs-Bewegung via Telegram verabredet haben soll. Die Kriegsgegner, bestehend aus der Minderheit der Tuwaren, würden Anti-Kriegs-Materialien verbreiten und angeblich die Unzufriedenheit der Minderheit mit dem russischen Regime anstacheln.

Zuvor hatte es bereits Berichte über eine Bewegung der ethnischen Minderheit in Burjatien in Süd-Sibirien gegeben. Die Bewegung teilte mit, 150 Soldatinnen und Soldaten aus ihren Reihen, die bereits in der Ukraine dienten, wären desertiert und wollten zurück nach Russland. Die russischen Behörden hatten den Soldatinnen und Soldaten aus Burjatien zuvor mit Strafverfolgung gedroht, sollten sie ihren Kriegsdienst vorzeitig quittieren.

Laut der ukrainischen Zeitung „Kyiv Post“ sagte die Anführerin der Bewegung in Burjatien, dass die Soldatinnen und Soldaten „ihre eigenen Leben und die der anderen gerettet“ hätten. „Es ist es nicht wert, für Putins Ambitionen zu kämpfen. Während du stirbst, isst er gut, schläft er ruhig und baut sich einen neuen goldenen Palast“, so Alexandra Garmaschapowa.

Berichte über Gefechte zwischen russischen Einheiten

In einer besetzten Gemeinde im Gebiet Cherson soll es nach ukrainischen Angaben sogar zu einem Gefecht zwischen zwei unterschiedlichen Einheiten Russlands gekommen sein. Einen entsprechenden Bericht veröffentlichte das ukrainische Verteidigungsministerium auf seiner Webseite. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben aus dem Kriegsgebiet bekanntlich nicht.

Bei den Kämpfen der beiden russischen Gruppen sollen etwa 50 tschetschenische Kämpferinnen und Kämpfer auf ebenso viele Soldatinnen und Soldaten aus der Volksgruppe der Burjaten geschossen haben. Nach Angaben der Ukraine soll es bei dem Streit unter anderem um eine Ungleichbehandlung zwischen den beiden Truppen gegangen sein.

Kadyrow ist Anhänger Putins

Unabhängige Beobachterinnen und Beobachter zählen im Ukraine-Krieg bislang mindestens 20 Bataillonen, die aus ethnischen Minderheiten zusammengesetzt sind. Vier davon allein stammen aus der kleinen, nur 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden tschetschenischen Teilrepublik. Was vor allem daran liegt, dass Tschetscheniens Präsident Ramzan Kadyrow ein besonders willfähriger Anhänger Putins ist.

Dass Putin ethnische Minderheiten als „Kanonenfutter“ verheizt, wie es der britische Geheimdienstchef Richard Moore ausdrückt, sei Ausdruck eines „von tiefem Chauvinismus“ durchdrungenen Denkens, äußerte der Mainzer Slavistikexperte Rainer Goldt gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Damit setzt „eine der letzten Kolonialmächte“, als die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Russland Ende Juli bezeichnet hatte, eine hässliche Tradition früherer Imperien fort.