Jagd auf die JachtenPutins Milliardäre fürchten um ihre schwimmenden Paläste
Die nächste „Monaco Yacht Show“ ist auf Ende September terminiert. Bislang war die Bootsmesse im Fürstentum für russische Liebhaber von Luxusjachten ein fester Ausflugstermin im persönlichen Kreuzfahrt-Kalender. Hier konnte man, so heißt es, Oligarchen wie Roman Abramowitsch oder Andrej Melnitschenko begegnen.
Im monegassischen Port Hercule ließen sie sich über neueste Ideen für Infinity-Pools, Hubschrauber-Landeplätze und vielleicht sogar über Raketenabwehrsysteme beraten. Angesichts von Kosten von einer halben Milliarde Euro und mehr für die teuersten Jachten sind schon mal ein paar Extras drin.
Jagd auf die Jachten
Doch inzwischen dürfte den russischen Besitzern maritimer Spielzeuge die Lust auf Monaco im Herbst vergangen sein: Auf ihre Mega-Jachten wird seit dem russischen Überfall auf die Ukraine international Jagd gemacht. Mehr als ein Dutzend der Superschiffe sind in den vergangenen Wochen vor allem in europäischen Häfen an die Kette gelegt worden. Die Besatzungen, sofern sie sich überhaupt noch an Bord befinden, dürfen nicht auslaufen. Vielen Crews wurde gekündigt.
Wichtiger als der sichergestellte Geldwert ist der Symbolgehalt der Bilder von den Aktionen in Barcelona, Rijeka, Gibraltar. Besonders die italienischen Behörden tun sich mit Diensteifer hervor: Mit Blaulicht kreuzten sie im Hafen von Triest auf und setzten Melnitschenkos „Sailing Yacht A“ während eines Werftaufenthalts fest.
Medienwirksam demonstrierten sie, wie ernst es ihnen mit den Sanktionen gegen Putins Milliardäre ist. Das futuristische Schiff mit den drei hoch in den Himmel ragenden Masten sah auch für denjenigen wirklich toll aus, der nicht wusste, dass es unterhalb der Wasserlinie über eine Panorama-Lounge und ein eigenes U-Boot verfügt.
Schwimmende Paläste
Die schwimmenden Paläste stehen mehr noch als Chalets in der Schweiz oder Herrenhäuser in England für den zweifelhaft erworbenen Reichtum im Dunstkreis Putins. Und was noch schöner ist: Nicht nur Polizei und Steuerfahnder können die Wege auf dem Wasser nachverfolgen, sondern über Tracking-Seiten auch Möchtegern-Kapitäne an Land.Vorausgesetzt die Crews der Edelschiffe stellen das automatische Identifikationssystem nicht unerlaubterweise ab. Das allerdings soll zurzeit immer häufiger geschehen.
Auf den Weltmeeren hat demnach eine regelrechte Flucht eingesetzt. Abramowitsch hat seine „Solaris“ und „Eclipse“ mittlerweile in türkische Gewässer gebracht. Letztere soll zuvor eine alles andere als energiesparende Rekordfahrt über den Atlantik hingelegt haben. Die Türkei hat sich bislang keinen Sanktionen angeschlossen.
Oligarchen-Jachten: Sichere Malediven
Beliebt sind bei den russischen Eignern auch die Seychellen, die Malediven und Dubai. Die Auslieferung des umstrittenen Eigentums müssen die Eigner hier nicht zu fürchten.
Mit besonderer Aufmerksamkeit wurde die hektische Fahrt der „Graceful“ verfolgt. Sie lag noch kurz vor dem Krieg in den Blohm-und-Voss-Docks in Hamburg. Dann verschwand sie über Nacht, ohne dass die Überholung abgeschlossen gewesen wäre, passierte den Nord-Ostsee-Kanal und hat inzwischen in Kaliningrad festgemacht. Das Schiff wird mit Präsident Wladimir Putin persönlich in Verbindung gebracht. Noch im Mai vorigen Jahre hieß er in Sotschi am Schwarzen Meer den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko an Bord willkommen.
Putin und Co.: Trend zur Zweit-Jacht
Auch die „Scheherazade“, die unter Flagge der Cayman Islands fährt und derzeit vor der toskanischen Küstenstadt Carrara liegt, soll Putin gehören. Das Anti-Korruptionsteam des in ein Straflager weggesperrten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat Indizien dafür zusammengetragen.
Plausibel klingt die Vermutung alle Mal: Der Trend zur Zweit-Jacht in russischen Milliardärskreisen ist offenkundig. Der angebliche Wert der 140 Meter langen „Scheherazade“: 700 Millionen Dollar. Branchenkenner schätzen, dass rund ein Drittel der teuersten und größten Schiffe russischen Eignern gehören. Bloß ist das im Einzelfall schwer nachzuweisen. Die Besitzverhältnisse werden gezielt verschleiert.
Für die Werften ist Diskretion ist oberstes Gebot
In Friedenszeiten lassen sich so lästige Steuern vermeiden. In Kriegszeiten helfen die undurchsichtigen Verträge, um Sanktionen zumindest zu verzögern. Unklar ist auch, wie es mit der „Dilbar“ von Putin-Freund Alischer Usmanow weitergeht. Das gigantische Schiff liegt derzeit eingerüstet im Dock von Blohm-und-Voss in Hamburg.
Diskretion steht an oberster Stelle, wenn es um Super-Jachten geht. Verschwiegenheitsklauseln muss in diesem Metier jeder unterzeichnen, auch der Kapitän auf der Brücke. Oftmals wissen nicht einmal die Arbeiter in der Werft, für wen sie gerade die teuren Licht- und Soundeffekte im schicken Lounge-Bereich installieren.
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Klar ist aber, dass deutsche Werften führend sind in diesem lukrativen Segment. Ein Blick auf die Website des Unternehmens Lürssen genügt, um sich davon zu überzeugen: Stolz werden dort eine ganze Reihe der Schiffe in voller Fahrt gezeigt, die nun ins Visier der Behörden geraten sind.
Bei der Konkurrenz von Nobiskrug heißt es: „Jedes unserer Superjacht-Projekte ist einmalig, aber dennoch haben sie eines gemeinsam: Auf Wunsch ihrer Eigner sind sie alle streng geheim.“ Und weiter: „Dank der Größe und Ausstattung unserer Fertigungsanlagen in Rendsburg und Flensburg können wir problemlos große Schiffsbauten bis 400 Meter Länge vor der Öffentlichkeit – auf Kundenwunsch bis zur ersten Seeerprobung – verbergen.“
Verlockend sind die Super-Jachten besonders, seit Kreuzfahrtschiffe in der Corona-Krise nur schwer Abnehmer finden. Auch die Meyer-Werft in Papenburg will deshalb in das Geschäft einsteigen und sieht sich in der Lage, auch die „scheinbar verrücktesten Ideen“ umzusetzen. Nun sieht alles danach aus, als sei auch dieser einträgliche Nischenmarkt erst einmal ausgetrocknet. Putins Oligarchen bevorzugen derzeit den Landgang.