AboAbonnieren

Unklare Vergabe?Heftige Kritik an 160 Millionen Euro zur Schließung von Funklöchern

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Die bundeseigene Infrastrukturgesellschaft unter Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer

  1. Mit Fördermitteln soll eine Ende 2020 gegründete bundeseigene Infrastrukturgesellschaft bundesweit Funklöcher schließen.
  2. Unklar ist jedoch, ob die unter Hoheit von Bundesverkehrsminister Scheuer arbeitende MIG sich ausschließlich um das 4G-Netz kümmern soll - oder weitere Aufgaben hat.
  3. Trotzdem hat der Haushaltsausschuss des Bundestags gerade 160 Millionen Euro freigegeben - im Blindflug, wie die Opposition meint.

Beste Freunde werden Andreas Scheuer und Sven-Christian Kindler wahrscheinlich nicht mehr. Ob Bahn, Straßenbau oder Pkw-Maut - dem Bundesverkehrsminister von der CSU wird von dem niedersächsischen Haushaltspolitiker der Grünen im Bundestag häufig und gern auf die Finger geklopft.

Zur Zeit gibt es zwischen den beiden eine Auseinandersetzung über die in Naumburg (Sachsen-Anhalt) angesiedelte bundeseigene Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft (MIG). Sie soll mit Fördermitteln in Höhe von 1,1 Milliarden Euro rund 5000 Mobilfunkstandorte errichten und Funklöcher im 4G-Netz schließen.

Inzwischen gibt es jedoch im zuständigen Bundesverkehrsministeriums „konzeptionelle Vorüberlegungen“, den Auftrag auf den Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes auszuweiten.

Unklarer Auftrag für „Funkloch-Gesellschaft“

Das bringt die Grünen auf die Palme.Erstens, weil sie glauben, dass die Bundesnetzagentur die Aufgaben der „Funkloch-Gesellschaft“ MIG kostengünstiger erledigen könnte.

Zweitens, weil sie seit sieben Monaten Scheuer auffordern, ihnen den Geschäftsbesorgungsvertrag vorzulegen. Der regelt, was die Gesellschaft konkret tut, wo sie einkauft oder wann sie wen als Unterauftragnehmer beauftragt.Und drittens, weil der Haushaltsausschuss des Bundestags mit den Stimmen der Koalition der MIG im März - quasi als Blankoscheck, findet Grünen-Politiker Kindler - 160 Millionen Euro für die operative Tätigkeit nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag frei gegeben hat.

Der Haushaltsexperte der Grünen will wissen, wofür. „Im März hat die Koalition Scheuer Millionen für sein neues Funkloch-Amt bewilligt, aber bis heute kennt niemand die finalen Verträge, die mit diesem Beschluss freigegeben wurden“, so Kindler. „Selbst jetzt, nachdem das Geld freigegeben wurde, bleiben die Verträge im Tresor des Bundesverkehrsministers. Was will Andreas Scheuer hier verbergen? Vielleicht, wie teuer der ganze Spaß mit seinem Funkloch-Amt am Ende wirklich wird?“

Groko sieht keinen Handlungszwang

Obwohl auch der Bundesrechnungshof in zwei Berichten das Grundgerüst der MIG bemängelte, sehen die Koalitionäre keinen Handlungszwang. Im Gegenteil: Sie halten die Zusage der Bundesregierung, den Geschäftsbesorgungsvertrag dem Parlament vorzulegen, für ein großes und unübliches Entgegenkommen - zumal der entsprechende Antrag der Oppositionsfraktionen vom Haushaltsausschuss abgelehnt worden war.

SPD-Haushaltspolitiker Gustav Herzog erwartet von dem Bundesverkehrsministerium, dass die MIG „jetzt endlich“ ihre operative Arbeit aufnimmt. „Mit dem Beschluss des Telekommunikationsgesetz (TKMoG) sind weitere Voraussetzungen geschaffen worden, den Ausbau der Mobilfunkversorgung voran zu treiben. Ich bezweifle allerdings, dass permanente Fragen der Opposition nach dem Sachstand den Prozess beschleunigen.“

96,5 Prozent von einem Mobilfunknetzbetreiber versorgtHerzog betont die Unterschiede beim Umgang mit den beiden Mobilfunkstandards 4G (LTE) und 5G. Bei 5G gebe es ein großes eigenwirtschaftliches Interesse der Telekommunikationsunternehmen am Ausbau. Erst mit der für 2023 oder 2024 erwarteten Auktion von Frequenzen, die Ende 2025 auslaufen, sei absehbar, „ob für die MIG überhaupt ein Bedarf oder gar eine Notwendigkeit besteht“, so Herzog. „Die MIG sollte sich durch erfolgreiche Arbeit ganz schnell selbst überflüssig machen.“

Nach Angaben der Bundesnetzagentur vom vergangenen Herbst sind 96,5 Prozent der Fläche Deutschlands von mindestens einem Mobilfunknetzbetreiber mit 4G beziehungsweise LTE versorgt - es bleiben also 3,5 Prozent der Fläche, wo gar kein Empfang in diesem Übertragungsstandard möglich ist.

Hinzu kommen „graue Flecken“, wo nur ein bis zwei der drei deutschen Mobilfunknetze empfangbar sind - diese Löcher will die Telekommunikationsbranche mit Kooperationen untereinander schließen. Der Ausbau des ultraschnellen 5G-Netzes wird noch Jahre dauern.