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US-Einreisestopp für EuropäerEU-Spitze reagiert scharf

Lesezeit 3 Minuten
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Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, in Brüssel

Brüssel – US-Präsident Donald Trump hat die EU-Spitze mit seinem Einreisestopp für Flugpassagiere aus Europa völlig überrumpelt. Doch die erste Reaktion aus Brüssel war deutlich.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel erklärten in scharfem Ton, dass sie nicht das geringste Verständnis für die Entscheidung Trumps aufbringen.

EU-Kommission: „Wir schießen nicht aus der Hüfte”

„Die Europäische Union missbilligt die Tatsache, dass die US-Entscheidung eines Einreisestopps einseitig und ohne Rücksprache getroffen wurde“, hieß es in einer Stellungnahme. Das Coronavirus sei eine „globale Krise, die nicht auf einen Kontinent begrenzt ist und Zusammenarbeit statt einseitiger Aktionen nötig macht“.

Wie eine europäische Reaktion auf den Einreisestopp aussehen könnte, blieb zunächst offen. EU-Kommissionssprecher Eric Mamer sagte, zunächst müsse die neue Lage analysiert werden: „Es ist nicht EU-Art, aus der Hüfte zu schießen.“

Trump hatte in einer Fernsehansprache am Mittwochabend angekündigt, dass die USA ihre Grenzen für Staatsbürger der 26 Schengen-Staaten schließen werden. Der Einreisestopp gelte vom frühen Samstagmorgen mitteleuropäischer Zeit an für 30 Tage.

Irland und Großbritannien nicht betroffen

Nicht-Schengen-Staaten wie Großbritannien oder Irland sind nicht betroffen, obwohl dort das Corona-Virus auch grassiert. Dass Trump einen Unterschied zwischen Schengen-Staaten und Nicht-Schengen-Staaten macht, stieß im Europaparlament auf heftige Kritik.

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Der irische Premierminister Leo Varadkar war am Donnerstag zu Besuch bei US-Präsident Donald Trump. 

Dem US-Präsidenten gehe es „nicht um sinnvolle Vorsorge“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Europa-SPD, Tiemo Wölken, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND): „In den vergangenen Wochen hat Trump das Coronavirus stets klein geredet und sich nicht sonderlich um Vorsorgemaßnahmen gekümmert. Jetzt, wo der Wahlkampf in die heiße Phase kommt, versucht er sich in brachialem Aktionismus.“

Scharfe Kritik aus dem Europaparlament

Unangebrachte Schuldzuweisungen seien „das Letzte, was wir in der jetzigen Situation brauchen“, sagte Wölken: „Trump sollte verstehen, dass die Welt an einem Strang ziehen müssen, um diese Pandemie zu bekämpfen.“ Der US-Präsident Trump hatte gesagt, die Infektionen in den USA seien auf Reisende aus Europa zurückzuführen. Er sprach von einem „ausländischen Virus“.

Michael Gahler (CDU), Außenpolitiker der europäischen Konservativen, nannte Trumps Entscheidung ein Ablenkungsmanöver. „Mich irritiert, dass Trump zum Beispiel die Briten ausgenommen hat“, sagte Gahler dem RND. Der US-Präsident wolle offenbar davon ablenken, dass das amerikanische Gesundheitssystem große Probleme habe, auf den Coronavirus-Ausbruch zu reagieren.

„Das ist ein typischer Trump“, kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. „Er hat gemerkt, dass er wegen seines schlechten Managements der Gesundheitskrise innenpolitisch unter Druck gerät. Jetzt versucht Trump, die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung zu lenken und legt das Problem bei den Europäern ab“, sagte Bütikofer dem RND.

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Die Entscheidung könnte eine Gefahr für die allgemeine Gesundheit darstellen, sagte der Fraktionschef der europäischen Linken, Martin Schirdewan, dem RND: „Die Ausnahme von Großbritannien ist ein unverantwortlicher Irrsinn. In ihrer nationalen Verblendung möchten Trump und Johnson hier nebenbei der EU eins auswischen, erhöhen damit aber nur die globalen Gefahren durch die Corona-Pandemie."

Kritik an Trump auch aus Großbritannien

Selbst in der Regierung des britischen Premierministers Boris Johnson regte sich Unverständnis. Was Einreisestopps angehe, lasse sich die Regierung von wissenschaftlichem Rat leiten, sagte der britische Schatzkanzler Rishi Sunak am Donnerstag in der BBC.

Und einer dieser Ratschläge laute: „Es gibt keinen Beleg, dass Maßnahmen wie Grenzschließungen oder Reiseverbote einen wesentlichen Effekt auf die Verbreitung der Infektion haben werden.“