Nach Siegesserie bei US-VorwahlenSieben Chancen und Risiken für Joe Biden
Washington – Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten hat der frühere US-Vizepräsident Joe Biden seine Siegesserie fortgesetzt. Nach übereinstimmenden Prognosen der Fernsehsender Fox News, CNN und NBC vom Dienstagabend (Ortszeit) konnte der gemäßigte Kandidat sich im wichtigen Vorwahlstaat Michigan gegen seinen Konkurrenten, den linken Senator Bernie Sanders, durchsetzen.
Biden siegte nach Vorhersagen von TV-Sendern bei den Vorwahlen in insgesamt sechs Bundesstaaten außerdem in Mississippi, Missouri und Idaho. Keinen eindeutigen Gewinner sahen die Sender zunächst in den Bundesstaaten Washington und North Dakota.
Die Abstimmung in Michigan - ein Industriestaat im Mittleren Westen der USA - galt in der Frage, wer US-Präsident Donald Trump herausfordern darf, als wichtiger Indikator für die Stärke der Bewerber. Sein Sieg in Michigan bringt Biden (77) einen besonderen Schub - und bedeutet für Sanders (78) einen herben Rückschlag.
Diese sieben Erkenntnisse kann man aus den jüngsten Vorwahlen gewinnen.
Joe Bidens Comeback ist kein Strohfeuer
Keine zwei Wochen ist es her, da war Bidens Wahlkampf beinahe schon totgesagt worden. Nach Niederlagen bei den Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und Nevada schien seine letzte Chance in South Carolina zu liegen.
Diese Chance konnte Biden dort Ende vergangenen Monats in einen spektakulären Erfolg verwandeln, dem am „Super Tuesday” eine ganze Siegesserie folgte: Biden gewann am Dienstag vergangener Woche in 10 von 14 Bundesstaaten gegen Sanders.
Die Fortsetzung folgte an diesem Dienstag vor allem mit dem Erfolg in Michigan. Auch in nationalen Umfragen hat Biden wieder klar die Führung übernommen.
Bernie Sanders strauchelt
Im Februar hatte es für Sanders noch rosig ausgesehen: Über längere Zeit führte er in nationalen Umfragen und startete stark in die Vorwahlserie. Doch Bidens plötzliches Comeback erwischte auch Sanders kalt und bremste seinen Lauf jäh aus.
Seine Konkurrentin Elizabeth Warren, die wie Sanders für eine linke Agenda steht, machte diesem am „Super Tuesday” noch Stimmen streitig und schied erst danach aus. Außerdem sprach sie ihm - zumindest bislang - nicht die erhoffte öffentliche Unterstützung aus.
Sanders hatte sehr auf einen Sieg in dem wichtigen Vorwahlstaat Michigan gehofft, um das Rennen zu drehen und zu Biden aufzuholen. 2016 hatte er dort bei der Vorwahl noch gewonnen. Doch der Befreiungsschlag für ihn blieb aus.
Noch ist das Rennen nicht gelaufen
Bei den Vorwahlen wurden bisher die Stimmen von knapp 47 Prozent der 3979 regulären Delegierten für den Parteitag der Demokraten im Juli vergeben, auf dem der Präsidentschaftskandidat gekürt wird. Derzeit hat Biden mehr Delegiertenstimmen als Sanders. Die Mehrheit dieser Stimmen wird in den kommenden Wochen aber erst noch verteilt. 1991 Delegiertenstimmen sind am Ende nötig für eine Nominierung.
Am kommenden Dienstag steht wieder eine wichtige Vorwahl-Runde mit Abstimmungen in vier Bundesstaaten an: Arizona, Florida, Illinois und Ohio. Insgesamt geht es um 577 Delegiertenstimmen - allein 219 davon in Florida. Dort liegt Biden in Umfragen weit in Führung. Sollte Biden in Florida und auch in den anderen Staaten siegen, könnte dies das Aus für Sanders bedeuten.
Bernie Sanders' Chance: die Debatten-Bühne
Am kommenden Sonntag steht in Arizona die nächste Fernsehdebatte an - dann nur noch zwischen Biden und Sanders. Biden hat sich in den vergangenen Monaten nicht als begnadeter Redner hervorgetan, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Mit Patzern, Versprechern und Aussetzern zog er viel Spott auf sich. Dass er durch das zusammengeschrumpfte Format viel Redezeit im TV-Duell mit Sanders bekommen wird, spielt ihm nicht in die Hände.
Sanders dagegen liegen öffentliche Debatten. Er dürfte dort glänzen und Biden zusetzen. Womöglich könnte ihm das Schwung für die nächsten Vorwahlen geben.
Biden kann auf schwarze Wähler bauen – und aufs Partei-Establishment
Schwarze sind bei den Demokraten eine wichtige Wählergruppe. Bidens Erfolge haben gezeigt, dass er auf ihre Unterstützung setzen kann. In südlichen Bundesstaaten, in denen relativ viele Schwarze leben, konnte er teils fulminante Siege verbuchen: etwa in South Carolina oder nun in Mississippi.
Auch die Parteiführung sähe lieber Biden als den selbst ernannten „demokratischen Sozialisten” Sanders als Kandidaten.
Donald Trump hat gewaltigen Rückhalt bei den Republikanern
Die Republikaner hielten am Dienstag zwar ebenfalls Vorwahlen ab, das aber pro forma. Donald Trump hat intern keinen ernsthaften Herausforderer und ist als Kandidat seiner Partei für die Wahl im November gesetzt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Republikaner haben daher in mehreren Bundesstaaten die Vorwahlen gleich ganz abgesagt. Von den bislang bei den Republikaner-Vorwahlen vergebenen Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im August hat Trump so gut wie alle gewonnen. Bei allen sechs Vorwahlen am Dienstag erklärte sich Trump zum Sieger.
Der unbekannte Faktor im US-Wahlkampf: das Coronavirus
Das Coronavirus breitet sich auch in den USA aus und beeinflusst dort inzwischen den Wahlkampf. Sowohl Biden als auch Sanders sagten am Dienstagabend Wahlkampfauftritte im US-Bundesstaat Ohio wegen Warnungen der dortigen Behörden vor Großveranstaltungen ab. Zudem wird die TV-Debatte zwischen Biden und Sanders am Sonntag in Phoenix entgegen der Planungen nun ohne Studiopublikum stattfinden.
Trump sagte am Samstag zwar noch, er wolle weiterhin „gewaltige” Wahlkampfveranstaltungen abhalten. Sein jüngster Wahlkampfauftritt liegt allerdings bereits mehr als eine Woche zurück – und neue Veranstaltungen sind derzeit nicht angekündigt. (rnd/cle/dpa)