Vor knapp einem Jahr hat Innenministerin Nancy Faeser den einstigen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik wegen etwaiger Russlandnähe entlassen. Jetzt ist die Affäre Thema im Innenausschuss.
Vorwürfe in der Affäre SchönbohmNancy Faeser steht am Mittwoch Rede und Antwort
Zweimal hat die Bundesinnenministerin einen Aufritt im Bundestags-Innenausschuss verweigert. Jetzt kommt sie doch. „Ich werde in der nächsten regulären Sitzung des Innenausschusses am kommenden Mittwoch da sein, und dann können alle ihre Fragen stellen“, sagte Nancy Faeser zuletzt der „tageszeitung“. An diesem Mittwoch (20. September) um 10 Uhr soll es losgehen.
Die SPD-Politikerin, derzeit auch als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der hessischen Landtagswahl im Rennen, war zuletzt enorm unter Druck geraten wegen einer Affäre, die bereits fast ein Jahr zurückliegt und längst niemanden mehr zu interessieren schien. Dabei geht es um die Entlassung des einstigen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, wegen etwaiger Russland-Nähe. CDU und CSU haben das Thema im Zuge des Hessen-Wahlkampfes nun wieder aufgebracht. Mit Erfolg.
Eigentlich gab es für Schönbohms Entlassung durchaus Gründe. Der erste Grund liegt in der Berufung des heute 54-Jährigen im Jahr 2016. Denn der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) holte mit Schönbohm einen Mann, der als Sohn des einstigen CDU-Innenministers von Brandenburg, Jörg Schönbohm, zwar parteipolitischen Stallgeruch mitbrachte, von der Sache aber wenig verstand. Arne Schönbohm hatte Management studiert. Dabei wird das BSI wegen zunehmender Cyberangriffe auf Wirtschaftsunternehmen und staatliche Stellen täglich wichtiger.
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Schönbohm: Genug Abstand zu den Mächtigen in Russland?
Zweitens – und dies ist der Kern der Affäre – stand nach dem russischen Angriff auf die Ukraine plötzlich die Frage im Raum, ob Schönbohm eigentlich genug Abstand zu den Mächtigen in Moskau hält. Er war nämlich Mitbegründer und bis 2016 Vorsitzender des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland (CSRD). Und dessen heutigem Chef Hans-Wilhelm Dünn – einem Schönbohm-Freund – werden überaus zweifelhafte Russland-Verbindungen nachgesagt. Dennoch ließ es sich Schönbohm nicht nehmen, noch im September 2022 auf dem Jubiläumskongress des CSRD aufzutreten und sich dort mit Dünn fotografieren zu lassen.
Die Vorwürfe gegen Dünn sind jedenfalls massiv. So nahm er an einer Konferenz teil, bei der Berichten zufolge Vertreter russischer Nachrichtendienste anwesend waren. Ferner hielt Dünn offenbar Kontakt zu einem russischen Agenten. Verdächtig war schließlich, dass dem CSRD die Firma Protelion angehörte, die von einem ehemaligen KGB-Mitarbeiter gegründet wurde und deren Produkte mutmaßlich russische Stellen nutzten. Spätestens nach einer Sendung von Jan Böhmermann im ZDF stellte sich daher nicht allein im Bundesinnenministerium die Frage, wie zwielichtig womöglich der BSI-Chef selbst sein könnte, wenn er einen wie Dünn weiter hofiert.
Ein Disziplinarverfahren kam nicht zustande
Schwierigkeiten bereitet Faeser jetzt, dass sie gegen Schönbohm wohl nichts Konkretes in der Hand hatte. Ein Disziplinarverfahren kam nicht zustande. Schönbohm, der wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und auf Schadenersatz klagt, wurde auf den weit weniger bedeutenden Chefposten der Bundesakademie für Verwaltung abgeschoben – doch bei gleichbleibenden Bezügen. Hinzu kommt, dass in die Prüfung der Vorwürfe das Bundesamt für Verfassungsschutz einbezogen war. Daraus leitet die Union den Verdacht ab, die Ministerin habe den ihr unterstehenden Inlandsgeheimdienst gezielt instrumentalisiert, um Schönbohm am Zeug zu flicken.
Aus ihrem Umfeld verlautet mittlerweile, dass es weitere Gründe für eine Abberufung gegeben habe, so etwa umstrittene Bewertungen von Cyber-Angriffen auf die Ukraine oder Fragen der Personalführung. Ohnehin sei es ein völlig normaler Vorgang, einen leitenden Beamten zu versetzen. Dafür brauche es kein Disziplinarverfahren. Zur Rolle des Verfassungsschutzes werde sich bei der Sitzung dessen Präsident Thomas Haldenwang äußern, heißt es. Probleme bereitet Faeser auf jeden Fall, dass sie den Innenausschuss-Sitzungen zweimal fernblieb. Das wirkte wie ein Schuldeingeständnis.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor der heutigen Sitzung: „Die Umstände der Abberufung des ehemaligen BSI-Präsidenten Schönbohm durch die Bundesinnenministerin müssen aufgeklärt werden. Bislang hat die Ministerin die Ungereimtheiten und Widersprüche nicht nachvollziehbar erklären können. Mit Ausreden hat sie sich einer Befragung im Innenausschuss bislang entzogen, obwohl die Vorwürfe schwerwiegend sind.“
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), sagte dem RND: „Die Opposition hat das Recht und auch die Pflicht, die Regierung scharf zu hinterfragen, zu befragen und zu kontrollieren.“ Und im Fall Schönbohm gebe es gewiss Fragen. „Aber die CDU ist auch in der Verantwortung, Sicherheitsbehörden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht mit schwersten Vorwürfen zu überziehen, ohne für diese Vorwürfe irgendeine Substanz zu präsentieren. Das wäre schlecht und verantwortungslos gegenüber den Tausenden von Beamten, die jeden Tag für unsere Sicherheit arbeiten. Insofern rate ich allen, deutlich abzurüsten - obwohl Wahlkampf ist.“ (RND)