Zurück zur D-Mark, weg mit der EURealitätsferne Forderungen im neuen AfD-Wahlprogramm
Die AfD fordert nicht die Wiedereinführung der Raucherbereiche in Bahn und Flugzeug. Das ist aber auch fast der einzige Punkt, in dem sich die Partei nicht vom Motto „Zurück in die Zukunft“ leiten lässt. Der Leitantrag zum Programm für die Bundestagswahl, der am Wochenende beim Parteitag in Dresden abgestimmt wird, ist voller Formulierungen, die eine Rückkehr eine vermeintlich bessere bundesdeutsche Vergangenheit fordern.
Die EU soll „zurückgeführt“ werden in einen „Staatenbund souveräner Staaten“. Die D-Mark wird „wiedereingeführt“, im Staatsangehörigkeitsrecht zum Abstammungsprinzip „zurückgekehrt“, die „bewährten Diplom- und Magisterstudiengänge“ wieder eingeführt, Deutschland muss „wieder“ ein „Land der Spitzenforschung“ werden. Familien bestehen aus „Vater, Mutter und Kindern“, in Kindergärten und Grundschulen haben „Genderwahn und Klimahysterie“ nichts verloren, „deutsches Kulturgut“ jedoch umso mehr. Die Wehrpflicht für Männer soll wieder eingeführt und durch ein Gemeinschaftsdienstjahr für alle, die nicht Wehrdienst leisten, ergänzt werden.
Der Klimawandel soll nicht bekämpft, sondern positiv durch „Anpassung“ begleitet werden. Entgegen der Forschung behauptet die AfD: „Es ist bis heute nicht nachgewiesen, dass der Mensch, insbesondere die Industrie, für den Wandel des Klimas maßgeblich verantwortlich ist.“ Das Wahlprogramm fordert den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Deutschland soll mit fossilen Energien, neuen Kernkraftwerken und russischem Gas über die Pipeline Nord Stream 2 der Zukunft begegnen.
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Ein Kapitel zur Sozialpolitik fehlt allerdings. Die Einführung einer „aktivierenden Grundsicherung“ gehört zu den 170 Änderungsanträgen, über die in Dresden abgestimmt werden soll.
Im Vordergrund des zweitägigen Parteitags wird eine andere Frage stehen: Schaffen es die zerstrittenen Vorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla, die AfD auf einen gemeinsamen Wahlkampfkurs zu setzen?
Oder kommt es auch auf diesem Parteitag zum Eklat, ähnlich wie in Kalkar im November 2020? Dort wurde ein Missbilligungsantrag radikaler Meuthen-Gegner nur mit knapper Mehrheit von der Tagesordnung genommen. In Dresden liegt sogar ein Abwahlantrag gegen den Parteichef vor. Eine hitzige Debatte darüber könnte die Parteitagsregie und die mühevolle Suche nach einem Kompromiss für den Wahlkampf zunichte machen.
Erst dann wird sich zeigen, ob es eine haltbare Absprache für die Spitzenkandidatur gibt. Eigentlich soll in Dresden gar kein Spitzenteam gekürt werden. Laut Mitgliederumfrage soll die Basis per Online-Abstimmung über die Kandidaten abstimmen.
Nach letztem Stand wird der Parteitag aber zumindest eine Vorentscheidung treffen. Co-Parteichef Tino Chrupalla gilt als gesetzt, der Osten und die Vertreter und Sympathisanten des rechtsextremen Ex-„Flügels“ stehen fest hinter ihm. Für ihn wäre eine Ausrufung zum Spitzenmann in Dresden ein Heim-Triumph. Am liebsten würde er ihn alleine genießen, doch Meuthens Gefolgsleute wollen ihm Joana Cotar aus Hessen zur Seite stellen. Sie will „die Partei befrieden“ , bekommt aber Gegenwind aus Ex-„Flügel“-Kreisen.
Interessenkollision vorgeworfen
In einer AfD-typischen Kampagne wird Cotar eine Interessenkollision mit den Geschäften ihres Bruders vorgeworfen. Die Bundestagsabgeordnete ist digitalpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, ihr vier Jahre jüngerer Bruder erfolgreicher Finanzinvestor im Tech-Bereich. Dass AfD-Positionen die Börsenkurse der Tech-Konzerne in New York beeinflussen, scheint doch eher weit hergeholt.Bundestags-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, die 2017 als Spitzenkandidatin an der Seite von Partei-Senior Alexander Gauland stand, hält sich über eigene Ambitionen bedeckt.Auch Chrupalla schweigt. Er wird die lautesten unter seinen Unterstützern wie Parteivize Stephan Brandner davon überzeugen müssen, Cotar an seiner Seite zu akzeptieren - und sich gleichzeitig von ihr freie Hand für den Wahlkampf im Osten ausbitten.
In seiner Parteitagsrede wird Chrupalla höchstwahrscheinlich den Schulterschluss mit den Protestbewegungen auf der Straße fordern, damit die AfD vom Unmut über die Corona-Politik profitieren kann. Bisher gelingt es der Partei nicht, hier nennenswert zu punkten.
Wie radikal das Andocken an die Corona-Proteste erfolgt, wird auch von der Programmdebatte abhängen. In einer „Corona-Resolution“, die zur Abstimmung steht, wird das sofortige Ende aller Maßnahmen und die Abkehr von einer „Politik der Angst“ verlangt.