Corona hat dem Schüler-Austausch einen Dämpfer verpasst - nun soll es wieder losgehen. Zwei Schülerinnen berichten, was die Reise mit ihnen gemacht hat.
„Selbstständiger und selbstbewusster“So stürzen sich zwei Schülerinnen in das Abenteuer Auslandsaustausch
USA, Kanada und Neuseeland – diese Länder belegen die drei Spitzenplätze bei den Top Ten der beliebtesten Ziele für den Schüleraustausch. Großbritannien, Irland und Australien folgen, es dominiert unübersehbar die englische Sprache. Frankreich belegt den siebten Platz.
Doch gleichgültig, wo die Sehnsuchtsorte von deutschen Schülerinnen und Schülern liegen und welche Sprache dort gesprochen wird: die Pandemie hat in den vergangenen Jahren allen die gleichen Probleme bereitet. So stellt Michael Eckstein, Vorsitzender der Stiftung Völkerverständigung in Hamburg, fest: „Ein erheblicher Anteil der früheren Anbieter derartiger Programme ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Manche Firmen haben ihre Tätigkeit eingestellt, andere sind nur noch als Internetseite existent, ohne Fachpersonal. In letzter Zeit bekommen wir auch immer wieder Berichte, dass Anbieter ihre vertraglichen Leistungen nicht erbringen.“
Das Ende der Pandemie löst allerdings auch auf diesem Feld eine Trendumkehr aus: 2023 soll dem Austausch einen neuen Schub geben.
Kölner Schülerin Charlotte reist nach Utah: „Der Austausch hat mir wahnsinnig viel gebracht“
Die Kölner Schülerin Charlotte Stüttgen – sie besucht aktuell die Jahrgangsstufe 11 des Liebfrauen-Gymnasiums in Lindenthal – war im vergangenen Jahr in den USA, Corona zum Trotz. „Charlotte ging mit der Organisation Northwest Student Exchange aus Seattle nach Amerika“, erzählt ihre Mutter. „Während der Corona-Zeit haben sich nach Aussage der Organisation weniger Familien angeboten, Austauschschülerinnen und -schüler aufzunehmen.“ Corona wirkte sich auch auf die Vorabtreffen aus, die als Zoom-Meeting stattfanden – dort wurden Fragen etwa zum Verhalten im anderen Land geklärt.
In den USA reichte der Impfschutz aus, Einschränkungen habe sie nicht erlebt, sagt Charlotte. „Der Austausch hat mir wahnsinnig viel gebracht. Das waren Erlebnisse, die mir niemand mehr nimmt, und natürlich hat sich auch mein Englisch enorm verbessert. Ich würde auch sagen, dass ich durch diese Erfahrung selbständiger und selbstbewusster geworden bin und besser als früher auf andere zugehen kann.“
Aber wie organisiert man einen Aufenthalt am besten? Neben zahllosen Online-Plattformen gibt es Informationsmöglichkeiten wie die Jugendbildungsmesse JuBi, die über Themen wie Schüleraustausch, High School-Aufenthalte, Gastfamilie, Sprachreisen, Au-Pair, Work & Travel, Freiwilligendienste, Studium sowie Praktika im Ausland Auskunft geben.
Emely will für den Austausch nicht bis nach dem Abi warten
Emely Bark, die zurzeit die 10. Klasse der Gesamtschule in Dormagen-Nievenheim besucht, hat sich im Gespräch mit ihrer Familie entschieden, nicht erst nach dem Abitur, sondern schon jetzt den Schritt ins Ausland zu wagen: „In diesem Jahr zwischen Juni und August geht es los in die USA. Wo genau ich dort sein werde, weiß ich noch nicht.“
Emely hat sich intensiv im Internet informiert und auf diesem Weg mit vielen Organisationen auseinandergesetzt und sich Kataloge schicken lassen – auch sie reist nun wie ihre Freundin Charlotte mit dem Northwest Student Exchange in die USA; die Non-Profit-Organisation hat eine Dependance in Berlin. „Auf Instagram gibt es Info-Angebote, auf Youtube berichten Leute aus allen möglichen Ländern, während sie noch im Austausch sind“, erzählt sie. „Eine Freundin von mir will den Austausch über das PPP machen.“
Das PPP, das Parlamentarische Patenschafts-Programm des Deutschen Bundestags, gibt seit 1983 jedes Jahr Schülerinnen und Schülern sowie jungen Berufstätigen die Möglichkeit, mit einem Stipendium des Deutschen Bundestages ein Austauschjahr in den USA zu erleben. Zeitgleich sind junge Amerikaner zu Gast in Deutschland.
Auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bietet Programme an, das Stipendium ist ein Beitrag zu den Reisekosten, Ziele sind Australien, Frankreich Québec in Kanada, Neuseeland und die Schweiz. Im Gegensatz zu Angeboten von Organisationen wie dem Student Exchange beruht der Austausch auf Gegenseitigkeit, das heißt, für die Dauer von bis zu sechs Monaten nehmen die deutschen Familie ebenfalls einen Gast auf.
Ein Land, das man aus dem Kino kennt
Anders als Charlotte, die mit ihrer Familie vor dem Austauschjahr bereits auf Urlaubsreisen das Land kennenlernte, war Emely noch nie in den USA. Es ist ein Land, das sie aus dem Kino und dem Fernsehen kennt: „Ich freue mich darauf, es real kennenzulernen, die High School, die vielen sportlichen Aktivitäten, Football zum Beispiel. Vor allem hoffe ich natürlich, dass mich der Aufenthalt weiterbringt, was die Sprache betrifft.“
Ein bisschen Bammel habe sie auch – „ich hoffe, dass ich mich mit meiner Gastfamilie verstehe und dass ich schnell Freundinnen und Freunde finde.“ Sollte sie sich mit der Gastfamilie nicht verstehen, müsste sie sich an ihren Koordinator wenden und ihm erklären, was nicht passt. „Wir als Familie sind dabei außen vor“, sagt ihr Vater Stefan Bark. „Auch besuchen dürfen wir unsere Tochter während des Jahres nicht. Erst am Ende können wir sie abholen – das haben wir auch geplant.“ Zudem soll die Kommunikation auf eine Stunde pro Woche beschränkt bleiben, und das umfasst alles: Telefon, Whatsapp, E-Mail. „Ziel ist, dass die Jugendlichen sich vor Ort selbstständig entwickeln. Sie sollen selbst mit Problemen fertig werden, auch wenn das in der Pubertät vielleicht schwieriger ist als in zwei, drei Jahren nach dem Abitur“, so Bark.
Ein Jahr ohne die Eltern
Charlotte Stüttgen empfand es herausfordernd, ein Jahr allein in einem anderen Land zu verbringen, „ohne meine Eltern“. Die ersten Monate hatte sie so gut wie kein Heimweh, weil es so viel Neues zu entdecken gab – „schwieriger wurde es um Weihnachten herum, da wäre ich gerne bei meiner Familie gewesen. Aber meine Gastfamilie hat mich gut unterstützt und mich abgelenkt, und es war auch schön, Weihnachten einmal in den USA zu erleben. Im Frühjahr war ich dann schon wieder eher traurig, dass ich bald gehen musste.“
Ihr Domizil lag in einer kleineren Stadt in Utah, nicht weit entfernt von Salt Lake City, dem spirituellen Zentrum der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, deren Anhänger früher unter dem Namen „Mormonen“ bekannt waren. Der Kirche gehörte auch die Gastfamilie an, bis auf den Vater, der ausgetreten ist.
Auch wenn sie zu Beginn des Austauschjahrs die Vielfalt der Kurse auf der amerikanischen Highschool verwirrte, hat sie sich im Handumdrehen eingelebt: „Es war ein bisschen, wie man es aus Filmen kennt - die Sportteams, das Anfeuern durch die Mitschüler, auch die Offenheit und Freundlichkeit der Schülerinnen und Schüler. Außerdem ist das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern sehr locker.“ Zu vielen ihrer amerikanischen Mitschüler hat sie dauerhaft Freundschaften geknüpft, auch zu anderen Austauschschülern aus Frankreich, Italien und Spanien. Nur eins hat Charlotte in Utah richtig gefehlt: „Das deutsche Essen.“ Zum Beispiel das Brot.
Infos
Das PPP ist ein gemeinsames Programm des Deutschen Bundestages und des US-Kongress’ – unter der Voraussetzung, dass Corona den Austauschplänen keinen Strich durch die Rechnung macht, kann man sich vom kommenden Mai an für das Jahr 2024/25 bewerben, Interesse an gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der USA sollten die Jugendlichen mitbringen.
Über das Austauschprogramm der NRW-Landesregierung informiert das Bildungsportal
Die Stiftung Völkerverständigung gibt eine Broschüre zum Schüleraustausch heraus. Sie kann bei der Stiftung bestellt werden: „Auf in die Welt 2022, 48 Seiten, broschiert, 12,99 Euro, per Mail an: bestellung@aufindiewelt.de.
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