Ein Drittel des Abschlussjahrgangs an nicht-gymnasialen Schulen ist nicht ausbildungsfähig.
Kommentar zu Pisa-StudieSchlechtes Zeugnis mit dramatischen Folgen für Deutschland
Eigentlich können die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie niemanden überraschen. Egal ob IQB-Bildungsstudie oder die jüngste IGLU-Lesestudie: Die sinkende Kompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler bei den basalen Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben wird seit Jahren in immer neuen Studien belegt.
Dramatisch ist, dass man sich an das Schlagwort der Bildungskatastrophe fast schon gewöhnt hat, ohne dass sich wirklich Entscheidendes geändert hätte. Aber diese neue Pisa-Studie gibt den Problemen nochmal eine neue Dimension, weil es nicht um Grundschüler geht, sondern um junge Menschen, die am Ende ihrer Schullaufbahn stehen.
Pisa-Studie Nie war die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland größer
Betrachtet man allein die Kompetenz Lesen, so lässt sich konstatieren: Jeder dritte 15-Jährige in Deutschland, der auf eine Haupt-, Real- oder Gesamtschule geht, erreicht beim Lesen nicht mehr das Niveau von Viertklässlern. Das bedeutet nichts weniger, als dass über ein Drittel der dortigen Abschlussjahrgänge schlicht nicht ausbildungsfähig ist.
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Es handelt sich um Hunderttausende Jugendliche, die eigentlich die Renten der Babyboomer erwirtschaften sollten. Jeder und jede von ihnen ist unverzichtbar, um das Sozialsystem aufrechtzuerhalten. Unverzichtbar, um den Fachkräftemangel in sämtlichen Bereichen aufzufangen. Unverzichtbar, weil sie mit dafür sorgen müssen, dass unsere Demokratie fortbesteht.
Das Beschämende ist, dass es mehr denn je die soziale Herkunft ist, die in Deutschland über gesellschaftliche Teilhabe entscheidet. Auch das belegt der neuerliche Pisa-Schock eindrucksvoll: Nie war die Differenz zwischen Gymnasiasten und denen, die einen nicht-gymnasialen Weg einschlagen, in Deutschland – einem der reichsten Industrieländer der Welt - so groß.
Pisa-Studie: Verheerendes Zeugnis für Bildungsgerechtigkeit in Deutschland
Dramatisch ist zudem, dass dieses Pisa-Debakel, das Deutschland ein verheerendes Zeugnis in Sachen Bildungsgerechtigkeit ausstellt, in eine Zeit der Multi-Krisen im Schulsystem fällt. Es gibt zu wenig Lehrkräfte.
Während die Gymnasien zumindest in NRW derzeit noch weitgehend ausreichend versorgt sind, ist der Mangel ausgerechnet an den Schulen besonders groß, wo die Ressourcen am dringendsten gebraucht würden: an den Grundschulen, den Haupt- und Realschulen. Auch die Zahl der Quereinsteiger – also der nicht voll ausgebildeten Lehrkräfte – ist dort am höchsten, wo doch die größte didaktische Kompetenz so nötig wäre.
Ergebnisse der Pisa-Studie: Es braucht einen nationalen Bildungsgipfel
Was es jetzt braucht, ist eine konzertierte Aktion und ein Abschied vom förderalistischen Klein-Klein. Ein nationaler Bildungsgipfel wäre ein Anfang. Der Zusammenschluss „Bildungswende jetzt“ hat sich mit 150 Verbänden in diesem Jahr mit Demonstrationen in ganz Deutschland außerdem dafür eingesetzt, dass ein Sondervermögen für Bildung von 100 Milliarden Euro – ähnlich der „Bazooka“ in der Corona-Krise – aufgelegt wird. Das wäre bitter nötig, wiewohl es in diesen finanzpolitischen Zeiten wohl ein frommer Wunsch bleiben wird.
Aber zumindest erste Schritte müssten sofort gegangen werden. Statt die Lehrpläne weiter zu überfrachten, muss der Fokus nicht nur an den Grundschulen, sondern eben auch in den ersten Jahren an den weiterführenden Schulen mit individueller Förderung darauf gelegt werden, dass zunächst alle die basalen Kompetenzen Lesen, Schreiben und Mathematik beherrschen.
Außerdem müssen die besten Lehrerinnen und Lehrer und die beste Personalausstattung noch konsequenter dorthin, wo die Probleme am größten sind. Dafür müssten Anreizsysteme geschaffen werden: Die von der SPD in NRW vorgeschlagene Gehaltszulage für Lehrkräfte, die an Brennpunktschulen unterrichten, wäre zum Beispiel ein Anfang.