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BildungsvergleichDeutsche Schülerinnen und Schüler schneiden in Pisa-Studie so schlecht ab wie noch nie

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Kinder sitzen in einem Klassenzimmer. Am Dienstag, 5. Dezember, wurden die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie vorgestellt.

Kinder sitzen in einem Klassenzimmer. Am Dienstag, 5. Dezember, wurden die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie vorgestellt. (Symbolbild)

Die OECD haben am Dienstag die Ergebnisse der Schul-Studie Pisa vorgestellt – die Bilanz für deutsche Schulen ist verheerend.

Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben in der Pisa-Studie zum internationalen Vergleich von Lernleistungen so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Laut den am Dienstag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin veröffentlichten Ergebnissen verschlechterten sich die Leistungen in den drei untersuchten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz deutlich.

Pisa-Studie: Schulschließungen in Corona-Pandemie hatten Folgen für Bildung

Als einen Grund sieht die OECD die Folgen der Schulschließungen in der Coronapandemie - allerdings gebe es in Deutschland wie in vielen anderen Ländern einen auch schon vor der Coronakrise begonnenen Trend zu schlechteren Schulleistungen.

Im Jahr 2001 hatte die erste Pisa-Studie mit deutscher Beteiligung wegen der schlechten Ergebnisse für einen Bildungsschock gesorgt, der aber zu mehr Anstrengungen in der Bildungspolitik und danach auch besseren Pisa-Ergebnissen führte.

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Pisa-Studie kompakt: fünf zentrale Ergebnisse für Deutschland

  1. In allen drei Kategorien Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften sind die Ergebnisse 2022 schlechter als 2018.
  2. Insgesamt erzielten deutsche Schülerinnen und Schüler 2022 das schlechteste Ergebnis seit Einführung der Studie.
  3. Der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die nicht ein Basis-Level der Bildung erreichen, ist extrem gestiegen: Für den Berufseinstieg fehlt es an Grundfähigkeiten bei zwölf Prozent mehr Schülerinnen und Schülern in Mathematik, elf Prozent mehr beim Lesen und elf Prozent mehr bei Naturwissenschaften.
  4. Ungleichheit: Die Lücke zwischen den besten und den schlechtesten Leistungen blieb fast unverändert, insgesamt nahm das Niveau ab.
  5. Internationaler Vergleich: Im Vergleich mit den 80 anderen Nationen verfehlten deutsche Schülerinnen und Schüler knapp den Durchschnittswert in Mathematik und beim Lesen, in Naturwissenschaften schloss Deutschland leicht über dem OECD-Schnitt ab.

Zuletzt gab es im Jahr 2018 eine Pisa-Studie. Damals ließen die Leistungen der deutschen Schüler in den untersuchten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz wieder nach.

Der Rückgang der Leistungen in den Bereichen Mathematik und Lesekompetenz von 2018 zu den Tests der neuen Studie sei so groß wie der typische Lernfortschritt, den Schülerinnen und Schüler im Alter von etwa 15 Jahren während eines ganzen Schuljahres erzielen, erklärten die Studienmacher.

690.000 Schülerinnen und Schüler aus 81 Ländern nahmen an Pisa-Test teil

An dem 2022 an den Schulen für die neue Veröffentlichung organisierten Pisa-Test nahmen etwa 690.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren aus 81 Ländern teil, in Deutschland waren es 6116 Teilnehmer. In den Bereichen Mathematik und Lesekompetenz waren die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler nahe am Durchschnitt der OECD-Staaten, im Bereich Naturwissenschaften etwas darüber.

Doris Lewalter, Nationale PISA-Projektleiterin, spricht bei der Vorstellung der Pisa-Studie 2022 in der Bundespressekonferenz.

Doris Lewalter, Nationale PISA-Projektleiterin, spricht bei der Vorstellung der Pisa-Studie 2022 in der Bundespressekonferenz.

In allen drei getesteten Kompetenzbereichen liegen die Schülerinnen und Schüler aus Singapur weit vorn. Insgesamt schneiden asiatische Länder und Volkswirtschaften am besten ab, so gehören auch Japan, Südkorea und getrennt betrachtete chinesische Regionen in allen Bereichen zu den leistungsstärksten. Aus Europa holten nur die Schüler aus Estland in allen drei Bereichen Ergebnisse, mit denen sie in der Spitzengruppe landeten.

Bildungsökonom Ludger Wößmann warnt vor Folgen verfehlter Bildungspolitik

Kurz vor der Veröffentlichung der neuen Pisa-Ergebnisse hatte der Bildungsökonom Ludger Wößmann vor den Folgen einer verfehlten Bildungspolitik gewarnt. „Die Bildungskrise ist unser größtes Standortrisiko“, sagte der Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomik in München der „Wirtschaftswoche“. „Denn wie produktiv sich Kinder und Jugendliche später in die Gesellschaft einbringen können, hängt ganz wesentlich von ihrer Bildungsleistung ab.“ Am Dienstagvormittag werden die neuen Ergebnisse der Schulleistungsuntersuchung Pisa veröffentlicht.

Auch mit Blick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel könne sich Deutschland die Bildungskrise nicht weiter leisten, sagte Wößmann. Unter Menschen mit akademischem Abschluss oder Berufsausbildung seien zwei bis drei Prozent arbeitslos, unter solchen ohne Abschluss aber 20 Prozent. Die Bildung sei also der beste Ansatzpunkt. „Ohne Frage brauchen wir auch Fachkräfteeinwanderung“, so Wößmann weiter. „Aber das Wichtigste wäre doch, diejenigen für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, die schon da sind.“

Der Lehrermangel wird sich nach Wößmanns Einschätzung noch weiter verschärfen. „Nicht zuletzt durch die Migrationszuflüsse wird der Bedarf an Lehrkräften noch größer.“ In erster Linie müssten die Länder mehr Lehrkräfte ausbilden, forderte er. Denkbar seien auch Zulagen, „um mehr Lehrkräfte an Schulen in Brennpunkten zu bringen“. (mab/dpa/afp)