Sind Hausaufgaben sinnvoll? Unsere Autorin hält sie für eine Quälerei für weniger erfolgreiche Schüler.
HausaufgabenDie nachmittägliche Quälerei bringt nichts
Das Schuljahr hat begonnen und bald heißt es wieder: Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht? Ist die Übung zu Hause noch zeitgemäß? Unsere Autorin Claudia Lehnen misst Hausaufgaben eine wichtige Aufgabe beim Verdrahten des Gehirns bei. Alexandra Ringendahl hält dagegen. Sie hält sie für eine Quälerei für weniger erfolgreiche Schüler.
Beim Thema Hausaufgaben zeigt sich mal wieder, wie stark die Beharrungskräfte im Bildungssystem sind. Hartnäckig hält sich in den Köpfen – auch mancher Eltern – die Annahme, dass mehr Hausaufgaben auch mehr Lernerfolg bedeuten. Dabei gibt es bis heute keine wissenschaftliche Studie, die – abgesehen vom Vokabellernen in Fremdsprachen – die Wirksamkeit von Hausaufgaben eindeutig belegen.
Die überwiegende Zahl kommt zu dem Ergebnis, dass sie nichts bringen. Gute Schüler werden durch Hausaufgaben nicht unbedingt noch besser, und schlechte Schüler begreifen bei der nachmittäglichen Quälerei zu Hause noch lange nicht, was sie schon am Vormittag nicht richtig verstanden haben.
Dem Ideal vom eigenständigen Lernen entsprechen sie nicht, und dem von Bildungsgerechtigkeit erst recht nicht: Wer daheim Eltern hat, die bei den Hausaufgaben helfen können, profitiert. Wer ohnehin auf sich allein gestellt ist, fällt weiter zurück. Und: Kontrolliert werden die Hausaufgaben von Lehrkräften, die 30 Schülerinnen und Schüler in der Klasse haben, am nächsten Tag in der Regel eh nicht, weil das schlicht nicht leistbar ist. Da, wo es kein individuelles Feedback gibt, bleiben die Lerneffekte gering.
Hinzu kommt, dass die Kinder und Jugendlichen im Ganztagsbetrieb inzwischen Tage haben, die bisweilen länger sind als die eines erwachsenen Arbeitnehmers. Das macht Hausaufgaben zur Zumutung, zumal ja ohnehin die Vorbereitung auf Klassenarbeiten und Tests noch außerhalb der Schule eigenverantwortlich zu Hause stattfindet.
Das hat auch das NRW-Schulministerium schon lange eingesehen: Bereits 2015 wurden die Hausaufgaben in der Sekundarstufe I in gebundenen Ganztagsschulen abgeschafft. Eigentlich. In dem entsprechenden Erlass steht, dass Lernzeiten an die Stelle von Hausaufgaben treten. Diese seien so in den Ganztag zu integrieren, „dass es in der Regel keine schriftlichen Aufgaben mehr gibt, die zu Hause zu erledigen sind.“ Selbst an Schulen ohne gebundenen Ganztag müssen die Schulen laut diesem Erlass sicherstellen, dass es an Tagen mit Nachmittagsunterricht sowie an Feiertagen und Wochenenden keine Hausaufgaben zu machen gibt. Auch für Grundschulen gibt es enge Vorgaben.
Viele Schulen überladen die Kinder mit Hausaufgaben
Soweit die Theorie. Längst nicht an allen Schulen wird das konsequent umgesetzt: Oft herrscht noch die Annahme, mehr hilft mehr. Es gibt Kinder, die Kölner Gymnasien besuchen und jedes Wochenende stundenlang über Hausaufgaben brüten und den Berg abarbeiten, den sie in der Woche nicht geschafft haben. Weil – gerade an Schulen, die den Ruf haben, besonders leistungsorientiert zu sein - einfach zu viele Aufgaben verordnet werden und die in der Lernzeit nicht bewältigt werden können. Oft bedeutet das Quälerei und Stress – für die Kinder, aber auch für die Eltern. Es belastet die Wochenenden vieler Familien, die eh am Limit laufen.
Aufgaben machen nur Sinn mit ansprechbaren Fachkräften vor Ort
Entscheidend für das Lernen sind aber nicht die Hausaufgaben, sondern die qualifizierte pädagogische Betreuung und auch das eigenständige Lösen von Aufgaben in der Schule. Es gibt viele Kölner Ganztagsschulen, die das längst so machen und alles komplett in die Schulzeit verlagert haben. Mit Fachkräften, die vor Ort ansprechbar sind, während die Kinder arbeiten. Nur so machen Lernaufgaben Sinn.
Das gilt um so mehr, da die meisten Kinder – zumindest ab der weiterführenden Schule - durch das zu Hause oftmals allzeit greifbare Smartphone zunehmend weniger in der Lage sind, dort ablenkungsfrei und fokussiert Aufgaben zu erledigen.
KI und ChatGPT tun da ihr übriges: Schon Ende vergangenen Jahres gaben in einer repräsentativen YouGov-Befragung 70 Prozent der Oberstufenschüler an, ChatGPT für Hausaufgaben zu nutzen. Wenn man Oberstuften-Lehrkräfte befragt, sagen die, dass es inzwischen quasi keinen mehr gibt, der sich nicht von künstlicher Intelligenz bei den Hausaufgaben unterstützen lässt. Vor diesem Hintergrund werden klassische Hausaufgaben – bis auf gegebenenfalls in Mathe - vollends anachronistisch. Längst geht es bei dem Thema um die viel grundsätzlichere Frage, wie Lernen angesichts von KI relevant bleiben kann. Es geht darum, wie man Aufgaben anders stellt und wie man auch das vertiefte Lernen in der Vorbereitung auf Klausuren mehr in den Unterricht integriert und weniger nach Hause auslagert.