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Spielen, erziehen, Ratschläge gebenWas Großeltern bei den Enkeln dürfen und was nicht

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Liebhaben reicht: Großeltern sind nicht die Eltern - und sollten sich deshalb auch nicht so verhalten. 

Berlin – Vor acht Jahren hat Detlef Untermann Platz geschaffen. In seinem Büro, seinem Haus, in seinem Alltag. Der 66-jährige Berliner wurde Großvater – und stand mit seiner Frau vom ersten Tag an parat, wenn er gebraucht wurde. Dass seine Tochter das Baby zum Arbeiten mit in seine Agentur nahm? Eine Selbstverständlichkeit.

Keine ungefragten Erziehungstipps geben

So viel Harmonie zwischen Großeltern, Kindern und Enkelkindern ist aber nicht immer selbstverständlich, erklärt Andrea Hagen-Herpay vom Deutschen Hebammenverband. „Es kommt vor, dass junge Eltern sich von den Erwartungen der Großeltern überrollt fühlen und ungefragte Ratschläge und Erziehungstipps regelrecht ablehnen.“ Zu Recht, sagt die beratende Hebamme. „Großeltern sollten niemals Lehrmeister sein. Die Erziehung ist Elternsache, und das müssen Großeltern auch dann aushalten, wenn sie anderer Meinung sind.“

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Andrea Hagen-Herpay

Der Wunsch, aktiv am Leben der Enkel teilzunehmen, entspricht einer neueren Entwicklung. „Menschen werden heute im Durchschnitt schon mit 55 Jahren Großeltern. Sie haben dadurch ungefähr 20 gute Jahre mit ihren Enkeln. Die wollen sie von Anfang an auskosten“, erläutert Eckart Hammer, Professor für Soziale Gerontologie an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.

Aber wie können sie das tun, ohne die jungen Eltern mit ihrer Fürsorge zu überfordern? „Sie sollten sich bewusstmachen, welche Unterstützung vor allem nach der Geburt wirklich guttut“, sagt Andrea Hagen-Herpay. Das seien meist pragmatische Dinge wie kochen, einkaufen, Wäsche waschen oder das Baby im Kinderwagen herumschieben, damit die Mutter sich ausruhen kann.

Großelternkurse für Austausch mit anderen

Um in die neue Rolle zu finden, bietet der Deutsche Kinderschutzbund spezielle Großelternkurse an. „Diese Vorbereitungskurse werden stark nachgefragt“, sagt Präsident Heinz Hilgers. „Aufgrund der schlechten Betreuungssituation werden Großeltern heute oft viel stärker ins alltägliche Familienleben eingebunden. Darauf wollen sie sich vorbereiten.“

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Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds

In den Kursen haben werdende und frischgebackene Großeltern die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und zu verstehen, was heute anders ist als früher. Hilgers' Tipp für ein schönes Miteinander nach der Geburt des Enkelkindes: Direkt nachfragen, was die Kinder brauchen - und die junge Familie gleichzeitig nicht mit ständiger Anwesenheit erdrücken. „Großeltern machen schon dann alles richtig, wenn sie ihren Kindern das Gefühl vermitteln, dass sie immer für sie da sind.“

Großeltern als gute Freunde, nicht Erzieher

Dieses Gefühl hat auch Detlef Untermann seinen beiden Töchtern gegeben. Bis heute haben er und seine Frau feste Betreuungszeiten für die Enkel. Untermann genießt seine große Familie und schreibt sogar ein Blog über sein Leben als Opa. Sein Erfolgsgeheimnis? „Wir unterstützen, mischen uns aber nicht in die Erziehung ein“, erklärt er. „Natürlich sehen wir manche Dinge anders als unsere Kinder, aber wir würden nie dagegen arbeiten.“ Er selbst sieht sich eher als guter Freund seiner Enkel. Eine Konstante, auf die sich alle verlassen können.

„Gute Einstellung“, sagt Professor Eckart Hammer. „Großeltern sollten es genießen, dass sie ihre Elternpflichten erledigt haben. Sie sollten auf keinen Fall Ersatzeltern für die Enkel spielen.“ Für sie gelte ein klares Nicht-Einmischungsgebot. Wichtigste Regel: Im Zweifel haben die Eltern Recht. „Wer sich nicht daran hält, kassiert schnell einen Platzverweis.“

Vor allem Großmütter hätten jedoch manchmal Probleme, sich in diese neue Rolle einzufinden. „Als Oma setzen sie häufig ihre Mutterrolle fort“, sagt Hammer. „Großväter hingegen entdecken sich oft ganz neu und versuchen, mit den Enkelkindern das nachzuholen, was sie vielleicht bei ihren eigenen Kindern verpasst haben.“

„Ich verbringe mit meinen Enkelkindern mehr Zeit, als ich es mit meinen eigenen Kindern gemacht habe“, sagt auch Opa-Blogger Untermann. Damals war er der Hauptverdiener der Familie. Seine Rolle war eine andere. „Nun genieße ich, dass ich einige Dinge nachholen kann und sehr viel vom Alltag meiner Enkel miterlebe.“

Mehr Schokolade, mehr Zeit - gar kein Problem

Genau so sollten Großeltern ihre Rolle verstehen, sagt Hammer. „Sie sind Zeitmillionäre und dürfen gern auch mal andere Regeln aufstellen als die Eltern.“ Und wenn es bei Oma und Opa mal ein Stück Schokolade mehr als zu Hause gibt? Kein Problem, sagt der Experte. „Kinder können das wunderbar trennen, solange es nicht um essenzielle Erziehungsfragen geht.“

Sein Tipp für neue Großeltern: Die Enkel nicht zum zentralen Altersprojekt machen. Wer mit Haut und Haaren Oma und Opa sei, werde es schwerhaben, wenn die Enkel sie mal nicht mehr so stark brauchen. Auch Detlef Untermann hat sich diesen Ausgleich geschaffen. Er ist immer noch berufstätig und engagiert sich ehrenamtlich.

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Eckart Hammer rät außerdem: „Großeltern sollten es sich gut überlegen, nur für die Enkelkinder in eine andere Stadt zu ziehen.“ Für viele ältere Menschen käme das einer Entwurzelung gleich, die sie erst so richtig spüren, wenn das Enkelprojekt abgeschlossen ist. „Großeltern sind dann im Schnitt 75 Jahre alt“, sagt Eckart Hammer. „Dann sollten Hobbys, Freunde und Vereine auf sie warten.“ Es sei dann Zeit, erneut Platz zu schaffen - dieses Mal wieder fürs eigene Leben. (dpa/tmn)