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Volker Struth im Interview„Risse, Götze, Kroos, Reus – Das war wie im Märchenland“

Lesezeit 8 Minuten

KölnHerr Struth, was macht einen guten Spielerberater aus?

Die Schnellen fressen die Langsamen, das ist unser Motto. Natürlich braucht man eine hohe soziale Kompetenz. Fingerspitzengefühl. Ein guter Spielerberater braucht außerdem ein Netzwerk, um an Informationen zu kommen, bevor die in der Zeitung stehen. Auch dafür muss man jemand sein, mit dem andere gern zu tun haben.

Wo holen Sie die Spieler ab? Schon in der C-Jugend am Fußballplatz?

Ich halte nichts davon, wenn schon 14, 15-Jährige mit Beratern rumlaufen. Da trifft man die besten Entscheidungen noch im Familienkreis. Man muss unseren Kollegen, die zu junge Spieler angehen, auf die Finger hauen. Wenn die Spieler 16, 17 sind, ist es immer noch früh genug, um sich an einen Berater zu wenden.

Wie schaffen Sie es dann an den Tisch des Spielers?

Mit Beharrlichkeit. Nehmen wir mal das Beispiel Toni Kroos. Ich habe so lange mit seinem Vater telefoniert, bis ich endlich den Termin hatte. Genau so habe ich früher Kunden gewonnen, wenn ich eine Palette Kopierpapier verkaufen wollte. Es gibt in Deutschland mittlerweile 3500 Berater – mehr Berater als Spieler. Wenn wir hier sitzen und warten, bis das Telefon klingelt, dann ist es ganz schnell vorbei mit dem Erfolg.

Die Vertragsverhandlungen sind dann gar nicht mehr so schwierig?

Natürlich braucht man ein gewisses Geschick. Das habe ich mir dank meiner Vergangenheit in verschiedenen Branchen – und immer selbstständig – angeeignet. Man muss natürlich wissen, wie der Markt funktioniert. Wenn man mit Real Madrid am Tisch sitzt, sollte man die Kenntnis haben, was die Jungs da im Schnitt verdienen.

Als Sie anfingen, wussten Sie nichts über Vertragsgestaltungen im Profifußball?

Reiner Calmund hat mir sehr geholfen. Auch mein heutiger Partner Dirk Hebel war zu unserer Gründung schon einige Jahre in dem Business unterwegs. Richtig los ging’s im Mai vor zehn Jahren. Wir saßen in einem Kölner Restaurant: Vier Uhr morgens, die Stühle standen auf den Tischen, die Kellner schliefen. Wie das schon mal so ist, wenn man mit dem Calli essen geht (lacht). Da hatte der Calli die glorreiche Idee, dass ich mich mit Dirk Hebel zusammentun und Berater werden soll. Und das hat funktioniert.

Dann ging es schnell.

Wir haben SportsTotal 2007 gegründet und im Mai 2008 den ersten großen Transfer gemacht: Mladen Petric von Borussia Dortmund zum Hamburger SV. Der hat 2,5 Millionen Euro im Jahr verdient, dann schreibt man als Berater eine Rechnung über 250 000 Euro – dafür musste ich früher einige Schals stricken lassen. 2008 ist die deutsche U-19-Nationalmannschaft in Tschechien Europameister geworden, da hatten wir schon sechs Spieler auf dem Platz, zum Beispiel Marcel Risse. Bis 2010 kamen Mario Götze, Benedikt Höwedes, Toni Kroos, Marco Reus dazu, das war wie im Märchenland. Heute betreuen wir mit SportsTotal 80 Spieler, unter anderem Timo Horn und noch einige weitere Kölner.

Fußballer verweisen gern auf ihre Berater, wenn es um Wechsel geht. Wissen die dann wirklich nichts?

Natürlich legen wir die Verhandlungsziele gemeinsam mit den Jungs fest. Dass sie dann nicht jeden Tag Wasserstandsmeldungen abgeben, hat einen entscheidenden Grund: Die wollen sich auf das nächste Spiel, die nächste Herausforderung konzentrieren. Das mag jetzt wie eine Phrase klingen, aber: Sie stehen jede Woche im Scheinwerfer. Jede Unkonzentriertheit kann bedeuten, dass man eine Woche am Pranger aushalten muss. Das kann man nur vermeiden, wenn man sich auf seine Arbeit konzentriert und ein Vertrauter im Hintergrund die Dinge professionell regelt.

Will ein Berater eigentlich ständig, dass Spieler wechseln, damit Provisionen fällig werden?

Nein. Wir bekommen zehn Prozent vom Gehalt, fertig. Daher ist es aus wirtschaftlicher Sicht egal, wo ein Spieler aktiv ist. Weit häufiger ist die sportliche Situation für einen Wechsel ausschlaggebend.

Wenn ein Spieler allerdings nach China geht und plötzlich das Fünffache verdient, wirkt sich das ja durchaus auf ihre zehn Prozent aus.

Geld verdient man in diesem Geschäft genug, da muss man nichts Unlogisches machen. Aber wenn irgendwann mal einer zu mir kommt und unbedingt nach China will, dann muss ich dem auch erklären, was da alles eher nicht so gut ist: die Luft, womöglich das Essen – und einige kulturelle und politische Themen. Die englische Premier League ist etwas anderes. Natürlich haben wir einen Mitarbeiter, der in England ein Netzwerk unterhält. Weil unsere Spieler das von uns erwarten und weil das eine interessante Liga ist. Dass es da auch noch viel Geld zu verdienen gibt, ist ja keine Straftat. Der Markt gibt es her: Wenn die Menschen dort einfach doppelt so viele Pay-TV-Abos abschließen wie in Deutschland, dann ist mehr Geld im Umlauf.

Wie sind denn die Verdienstmöglichkeiten? Im Vergleich zum Handel mit Bürobedarf?

Zwischen Bürobedarf und Spielerberatung habe ich ja noch eine Menge anderer Dinge gemacht. Ich bin selbstständig seit ich 25 bin. Zwischendurch war ich auch einer von Deutschlands größten Merchandising-Händlern. Diese ganzen Etappen und die einfachen Verhältnisse, in denen ich aufgewachsen bin, sind der Grund dafür, dass es mir heute ganz gut geht.

Volker Struth über Reichtum, RB Leipzig und den schlechten Ruf der Spielerberater

Haben Sie sich daran gewöhnen müssen, reich zu sein?

Reichtum hat für mich eine andere Bedeutung als einfach nur Geld zu haben. Ich habe nichts geschenkt bekommen, sondern mir alles hart erarbeitet. Mir ist wichtig, für meine engsten Freunde der geblieben zu sein, der ich immer war. Dass ich wirtschaftlich ausgesorgt habe, ist ein beruhigendes Gefühl. Aber wenn ich nachher im Rheinpark eine Runde joggen gehe, mich gesund fühle und den Dom sehe – dafür muss ich nicht reich sein.

Es wird in Zukunft noch mehr Geld in die Branche kommen. Der Fußball boomt weltweit.

Auch das hat zwei Seiten. Durch das viele Geld werden die negativen Umstände noch mehr hervortreten. Zum Beispiel Neid und Missgunst.

Erklären Sie sich damit auch, was nun in Dortmund beim Spiel gegen RB Leipzig passiert ist?

Bei diesem Thema werde ich emotional, weil das eine typisch deutsche Diskussion widerspiegelt. Diesen Neid – so etwas gibt es in Amerika, England oder Spanien überhaupt nicht. Sponsoren, Investoren und auch Berater haben im Ausland ein ganz anderes Ansehen als hier bei uns. Die werden als wichtige Mitspieler in diesem Business angesehen. Oder schauen Sie sich den Super Bowl in den USA an: Da erhält der Eigentümer des Klubs als Erster den Pokal. Weil Athleten und Zuschauer anerkennen, dass diese Leute Geld in den Sport pumpen und so Höchstleistungen ermöglichen. In der Premier League ist jeder Klub Inhaber-geführt. Bei uns müssen erfolgreiche Menschen oft mit übler Nachrede und Respektlosigkeiten leben. Den Populismus, der in unserer Gesellschaft grassiert, halte ich für bedenklich und in den aktuellen Ausprägungen sogar für gefährlich.

Sie und Ihre Kollegen aus der Beraterbranche gelten vielen als Menschenhändler. Wie leben Sie mit Ihrem Ruf?

Wenn ein Spieler wie Ömer Toprak von Bayer Leverkusen zu Borussia Dortmund wechselt, dient das seiner sportlichen Entwicklung und seiner Existenz. Ich habe einen Markt erkannt, in dem sehr viel Geld verdient wird. Aber ich handle doch nicht mit Menschen. So etwas ist doch absurd. Manager gibt es in der Musikbranche, beim Film – überall. Nur im Fußball wird darüber diskutiert. 1985, als Boris Becker Wimbledon gewonnen hat, saß Ion Tiriac auf der Tribüne, das hat da keinen interessiert. Ich stelle den Vereinen und Spielern mein Netzwerk zur Verfügung. Dafür werde ich bezahlt.

Man kann davon ausgehen, dass Vertragsverhandlungen mit Bundesliga-Managern kein Spaß sind. Weil der eine grundsätzlich mehr haben will, als der andere geben möchte.

Klar, da geht es heftig zur Sache. Und jetzt stellen Sie sich vor, da säße nicht ich oder einer meiner Kollegen mit dem Manager. Sondern ein 20-jähriger Spieler, der gerade seinen ersten richtigen Vertrag aushandelt. Wir sind ja nicht vom Himmel gefallen. Es wird irgendwann irgendwo auf diesem Planeten in irgendeiner Kabine ein Gespräch gegeben haben, bei dem herauskam, dass der Spieler mit der Nummer acht das Dreifache verdient von dem mit der Drei. Dieser Markt ist entstanden, weil es einen Bedarf gab. Die Spieler haben irgendwann bemerkt: Ich kann das nicht selbst verhandeln – und ich will das auch nicht. Zu dem Calmund, zu dem Hoeneß – da muss einer rein, der in der Lage ist, vor einem solchen Gegenüber nicht einzuknicken. Dafür sind wir da.

Das heißt, dass Sie harte Verhandlungen nicht unangenehm finden?

Der liebe Gott hat mir ein paar Sachen mitgegeben, die ich kann. Ich kann keine Wohnung tapezieren und auch kein Auto reparieren. Aber das Verhandeln liegt mir.

Sie setzen sich also gern mit Managern an den Tisch, denen Sie ein Dorn im Auge sind?

Ich drehe das jetzt mal um: Es gibt mittlerweile viele Manager, die zu mir sagen: „Ein Glück, dass Du hier sitzt und nicht irgendein Ahnungsloser, der mir erzählt, dass sein Spieler völlig irreales Geld verdienen muss, weil er von irgendwem irgendwas gehört hat.“ Aber klar ist natürlich: Am liebsten würden die Manager der Klubs mit den Spielern allein da sitzen.

Und dann?

Wenn ich Verträge durchlese, die ohne Berater geschlossen worden sind, dann sage ich mir: Gut, dass es Leute wie uns gibt. Man muss sich mal die Beispiele angucken, wenn 16-, 17-jährige Spieler mit ihren Eltern beim Verein verhandeln. In was für Knebelverträge die manchmal geraten können. In unserer Branche sollte man endlich mal die Guten von den Schlechten trennen. Man wird damit im Übrigen auch den Spielern nicht gerecht. Das sind doch clevere Jungs. Die kommen aus guten Häusern, sind wohl erzogen. Die geben ihre Karrieren doch nicht aus der Hand, sondern wollen jemanden an ihrer Seite haben, der ihre Interessen professionell vertritt und dem sie menschlich voll vertrauen können.

Das Gespräch führte Christian Löer