Köln – In der Nachbetrachtung des Spiels bei Borussia Dortmund sprachen die Kölner viel von den Abständen, die zu groß gewesen waren. Dabei ging es nicht um das grundsätzliche Leistungsniveau, obgleich der FC auch dort weit von Borussia Dortmund entfernt gewesen war. Es ging schlicht um die Distanz der Kölner Profis zum jeweiligen Gegenspieler – gemessen in Metern und Zentimetern. Und die hatte nicht gestimmt, was eine 1:5-Klatsche zur Folge gehabt hatte, die erste Niederlage nach vier Kölner Siegen in Serie.
Gegentreffer durch die Mitte
Schon nach 53 Sekunden etwa hatte Marco Reus einen langen Pass seines Abwehrchefs Mats Hummels kontrollieren können, ohne dabei körperlichen Kontakt zu einem Kölner zu haben. Reus wiegt keine 80 Kilo, ihn kann man schieben, rempeln, nerven. Wenn man ihm jedoch Platz lässt, wirft er die Bewegungsmaschine an, verteilt die Bälle oder läuft einem einfach davon. Vor dem 1:0 des BVB legte er auf Sancho ab, dessen Pass Guerreiro ins Tor schob. Das 2:0 nach einer knappen halben Stunde erzielte Reus selbst, weil er, erneut nach einem weiten Ball von Hummels, unbehelligt auf Horn hatte zulaufen und vollenden können, weil Czichos und Bornauw zwischen sich einen riesigen Abstand gelassen hatten und Timo Horn erst aus seinem Tor gekommen war, als Reus den Ball längst kontrollierte. „Das zweite Tor ärgert mich am meisten. Über die langen Bälle von Hummels haben wir immer wieder gesprochen“, sagte FC-Trainer Markus Gisdol.
Rafael Czichos hatte Dortmunds Jadon Sancho bereits vor dem 0:1 allenfalls eskortiert. „Wenn du so ins Spiel startest, ist das sehr ungünstig. Wir waren in der ersten Halbzeit zu undiszipliniert“, sagte Czichos hinterher. „Wir wollten tiefer anlaufen, um die Räume hinter der Abwehr nicht zu groß werden zu lassen. Das ist uns nicht gelungen.“ Auch vor dem entscheidenden 0:3 kurz nach der Pause hatten die Kölner dem Gegner alle Chancen gegeben: Reus fand unendliche Weiten vor sich, im Strafraum war Sancho für Reus leicht anzuspielen, denn überall standen Räume offen. Sancho wackelte noch einmal mit dem Oberkörper, während Czichos rückwärts taumelte, dann jagte der Engländer den Ball einfach in den Winkel.
„So kommst du unter die Räder“
Es war Sanchos zehnter Treffer in den jüngsten zehn Partien, hinzu kommen sieben Vorlagen. Die Kölner verteidigten also nicht nur schlecht. Sie spielten auch gegen Offensivkräfte in großer Form. „In den Zweikämpfen waren wir immer einen Schritt zu spät, und so kommst du hier unter die Räder“, merkte Czichos an.
Der 29-Jährige spielt zwar seine erste Saison in der Bundesliga, hatte sich aber zuletzt stabilisiert. In der Hinrunde hatten zwar mehrere seiner Fehler direkt zu Gegentoren geführt, außerdem war er im Heimspiel gegen Augsburg mit einer Gelb-Roten Karte vom Platz gegangen. Doch Czichos’ Selbstbewusstsein ist intakt, das bewies er in der vergangenen Woche, als die Kölner intensiv um die Verpflichtung des Innenverteidigers Benedikt Höwedes kämpften. „Sollte er kommen, wird man sehen, wie der Trainer plant, aber ich gehe schwer davon aus, dass ich am Samstag spielen werde“, hatte Czichos nach dem Heimsieg über Wolfsburg zum Jahresauftakt gesagt. Die Notwendigkeit, die Verteidigung zu erweitern, scheint Czichos aus nachvollziehbaren Gründen nicht zu sehen: „Er ist jetzt schon der dritte oder vierte Innenverteidiger, der hier genannt wurde. Noch habe ich hier aber keinen Neuen gesehen“, sagte er.
Dabei könnte es bleiben, ohnehin sollten die Kölner ihre Personalplanung nicht von einem Resultat im Signal Iduna Park abhängig machen, vor allem neuerdings nicht mehr. Denn dort spielt nun Erling Haaland, der 19-Jährige aus Norwegen, der nach den Eindrücken seiner ersten beiden Auftritte für Dortmund eine Qualität in die Bundesliga bringt, die es so womöglich noch nie gegeben hat. Haaland ist nicht nur trotz seiner Größe von 1,94 Metern sagenhaft schnell. Er verfügt offenbar zudem über ein herausragendes Gefühl im linken Fuß, mit dem er den Ball am Freitag aus unglaublichem Winkel zum 5:1 ins Tor schob, nachdem er den diesmal konsequent aus seinem Tor stürzenden Timo Horn düpiert hatte. Zuvor hatte Haaland eine Szene zum 4:1 genutzt, die Horn ermöglicht hatte, indem er eine Flanke an den Elfmeterpunkt gepritscht hatte. Am Ende hatte Dortmund 60 Prozent Ballbesitz und 14:11 Torschüsse – mit Haaland und gegen eine Mannschaft, die so viele Fehler macht wie die aus Köln, bedeutet das ein 5:1. Gnadenlose 35 Prozent der Torschüsse wurden zu Treffern. Womöglich wird sich die Bundesliga an derartige Zahlen gewöhnen müssen.
„Richtig einordnen“
Die Kölner dagegen nicht. Spiele gegen Dortmund haben sie für dieses Jahr hinter sich, am kommenden Sonntag spielen sie daheim gegen Freiburg, das ist ein anderes Kaliber. „Das Spiel war nicht so deutlich wie das Ergebnis. Wir haben aber verdient verloren. Das tut weh, weil die fünf Gegentore weh tun. Wir haben es einem starken BVB zu leicht gemacht. Wir müssen es richtig einordnen. Wir haben zuletzt vieles gut gemacht. Heute haben wir es nicht so konsequent gemacht wie zuletzt“, sagte Geschäftsführer Horst Heldt.
Markus Gisdol wirkte nach dem Spiel gelassen, nach vier Siege in Serie sind die Kölner nicht mehr in der Position, Wunder vollbringen zu müssen, um im Rennen zu bleiben. Sie dürfen sogar auf einen Lerneffekt hoffen. „Unsere jungen Spieler haben heute Lehrgeld gezahlt. Das werden wir analysieren, damit wir sie in den nächsten Wochen wieder in die Spur bringen.“