1. FC Köln auf TalfahrtMarkus Gisdol stellt die Charakterfrage
- Der Aufsteiger holte aus den vergangenen sieben Geisterspielen nur drei von 21 möglichen Punkten.
- Die Mannschaft investiert nicht mehr alles, der Trainer prangert das erstmals auch öffentlich an. Er will dies Saison noch nicht abhaken.
- Markus Gisdol ist allerdings auch gefordert, neue Lösungen zu finden. Vor dem Derby gegen Leverkusen gelang ihm das in der Hinrunde schon einmal.
Köln – Beim 1. FC Köln ist man nach Spiel gegen Union Berlin (1:2) und vor dem Duell gegen Bayer 04 Leverkusen fast wieder an dem Punkt angelangt, an dem der Aufsteiger in der Hinrunde schon einmal war. Nach dem sportlichen Offenbarungseid am 8. Dezember in Berlin (0:2) war beim FC nicht nur die Stimmung auf dem Tiefpunkt, sondern es ging auch die Angst vor dem erneuten Abstieg um. Für viele war es zudem nur eine Frage der Höhe, wie hoch die Niederlage gegen die Werkself ausfällt.
Es kam anders, der FC setzte nach dem Derby-Coup gegen Bayer (2:0) zum ungeahnten Höhenflug an. Jetzt, nach dem höchst bedenklichen Rückspiel gegen Union und nur drei erzielten Punkten aus den letzten sieben Geisterspielen, hat sich der Wind wieder gedreht. Und beim 1. FC Köln wird vor dem Derby am Mittwoch (20.30 Uhr) erneut lamentiert, kritisiert und orakelt, warum nichts mehr klappen will. Einzig die Abstiegsangst erscheint nahezu unbegründet. Dem eigenen Höhenflug und der Unfähigkeit der Konkurrenz sei Dank.
„Ich erwarte, dass jeder einzelne mehr investiert"
Doch das Klima wird wieder rauer, der Tonfall nach dem Abpfiff am Samstag deutlich schärfer. Cheftrainer Markus Gisdol, der sich zuletzt stets schützend vor seine Spieler gestellt hatte, sprach diesen erstmals eindeutig ab, alles gegeben zu haben. „Ich hatte den Eindruck, dass wir für die Bedeutung des Spiels zu wenig investiert haben. Der Gegner hatte mehr Spannung, wollte es mehr und hat uns so den Zahn gezogen. Ich habe keine Lust die Saison austrudeln zu lassen“, sagte der Coach und wirkte reichlich konsterniert. Und Gisdol stellte erstmals die Charakterfrage: „Das war heute zu wenig, das können wir besser. Ich erwarte dass jeder einzelne mehr investiert. Ich sehe, wo die Meter fehlen. Überall machen wir einige Meter zu wenig. Das müssen wir ansprechen. Ich möchte nicht zulassen, dass wir denken, die Saison ist vorbei. Wenn Pause ist, ist Pause. Jetzt aber noch nicht.“
Das sind harte Wortmeldungen, die sich mit Fakten unterfüttern lassen. Seine Mannschaft lief insgesamt fast neun Kilometer weniger als die der Berliner. Schon in den vergangenen Partien spulten die Kölner Spieler weniger Meter ab als die Gegner, doch diese Differenz am Samstag war frappierend. Eigentlich schien Gisdol die läuferischen Defizite des Teams durch seine Arbeit abgestellt zu haben, doch nach der Corona-Pause hapert es wieder da. Schon sein Vorgänger Achim Beierlorzer hatte der Mannschaft fehlende Laufbereitschaft und Aggressivität vorgeworfen, jetzt macht auch Gisdol ähnliche Erfahrungen. „Es war zu wenig, das muss uns allen klar sein. Am Mittwoch wartet der nächste Brocken. Egal, was es im Moment ist, aber es muss weg“, legte Verteidiger Rafael Czichos den Finger in die Wunde. Offensivspieler Mark Uth, der selbst viel zu wenig investierte, redete immerhin die Lage nicht schön: „Wir müssen uns noch einmal strecken, wir sind noch nicht durch. Man macht sich schon Sorgen, im Fußball ist schon alles passiert.“
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Den Worten sollten jetzt aber auch wieder Taten folgen. Der FC hatte sich nach dem Debakel in Berlin viel aufgebaut und ist jetzt wieder drauf und dran, fast alles zum Einsturz zu bringen. Auch wenn das Saisonziel Klassenerhalt unter der Woche feststehen könnte (Bremen spielt Dienstag gegen Bayern, Düsseldorf Mittwoch in Leipzig), so würde der FC dennoch bei weiteren Pleiten mit einem schlechten Gefühl in die Sommerpause und einer gewaltigen Hypothek in die neue Saison gehen. Von einer Aufbruchsstimmung wäre am Geißbockheim jedenfalls nicht zu spüren.
Trainer muss neue Lösungen finden
Schon einmal bewies Markus Gisdol in dieser Saison, dass er in schwierigen Situation Lösungen findet. Das war damals im Dezember der Fall. Jetzt ist der 50-Jährige wieder gefragt, er muss an den richtigen Stellschrauben drehen, um etwas zu verändern. Ein Ansatz könnte sein, auch in seinem System wieder flexibler zu werden und nicht mehr permanent an der 4:2:3:1-Formation festzuhalten. Gegen Union reagierte Gisdol, stellte zur Pause auf 3:5:2 um.
Modestes Berater meldet sich zu Wort
Vielleicht wäre es auch mal ein Gedanke, den wiedererstarkten Anthony Modeste von Beginn an zu bringen und somit auf eine Doppelspitze zu setzen. Der Franzose scheint in seiner Rolle als Back Up gewissen Frust zu schieben. Jedenfalls lässt sich das aus Aussagen seines Beraters schließen. „Er will zeigen, dass er noch da und noch lange nicht am Ende ist“, sagte Patrick Mendy gegenüber „fussballtransfers“ und fügte kryptisch an: „Wir werden die Saison beenden und dann werden wir sehen, was am Ende passiert und was die Zukunft bringt.“ Modeste, den der FC erst in der vergangenen Saison mit immensem Aufwand aus China zurückgeholt hatte, besitzt in Köln als aktiver Spieler eigentlich noch einen Kontrakt bis 2023. Darüber hinaus soll er einen Anschlussvertrag über fünf Jahre erhalten haben. Zoff und einen nervigen Transfer-Poker mit dem Torjäger wie 2017 kann der 1. FC Köln in diesem Sommer aber mal gar nicht gebrauchen.
Bangen um Talente-Trio
Im Hinspiel gegen Leverkusen hatte FC-Trainer Markus Gisdol viel Mut bewiesen und überraschend gleich drei Talente in der Startelf gebracht. Doch vor dem Rückspiel bangt der FC um den Einsatz von Noah Katterbach ( 19) und Jan Thielmann (18), der von Linksaußen Ismail Jakobs (20) scheint aufgrund muskulärer Probleme sogar ausgeschlossen. Linksverteidiger Katterbach hatte sich im Training am Sprunggelenk verletzt, probierte es am Samstagmorgen und kam zur Erkenntnis, dass ein Einsatz nicht möglich ist. Thielmann machte beim Warmlaufen einen falschen Schritt und zog sich eine Blessur an den Adduktoren zu. Simon Terodde und Marcel Risse fallen ohnehin noch aufgrund von Knie-Problemen aus. (LW)