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„Bin immer noch angepisst“Baumgart kommentiert Modeste-Show und pfeifende FC-Fans

Lesezeit 5 Minuten
Baumgart undf Modeste

FC-Trainer Baumgart und sein Stürmer Anthony Modeste

Köln – Der 11.11. ist zwar erst am kommenden Donnerstag, ziemlich jeck wurde es in Köln aber bereits am Sonntagabend. Der 1. FC Köln lag bis zur 86. Minute mit 1:2 gegen Union Berlin zurück, es drohte die fünfte Niederlage im fünften Bundesligaspiel gegen die „Eisernen“. Doch dann hatte Anthony Modeste seinen großen Auftritt. Er war wild, anarchisch und verrückt.

Mit einem herausragenden Kopfball in Uwe-Seeler-Manier hatte der Kölner Stürmer soeben das Tor zum 2:2-Endstand erzielt und seine Mannschaft abermals gerettet. Zuvor hatte es erstmals in der Ära von Trainer Steffen Baumgart Pfiffe gegen das eigene Team gegeben. Doch nun tanzte Müngersdorf plötzlich vor Glück. Und Modeste ganz besonders.

Die verrückte Modeste-Show und pfeifende Fans

Die Modeste-Show begann. Der Franzose, der seine Saisontore sieben und acht erzielt hatte, drehte jubelnd zur Kölner Bank ab, suchte und fand Trainer Steffen Baumgart und schnappte sich kurzerhand dessen längst Kult gewordene Schiebermütze. Dann türmte er sich vor dem Trainer auf und bat zum Schiebermützen-Tänzchen.

Auch Baumgart war in Ekstase. Aber anders. „Macht weiter“, brüllte der Coach seinen formidablen Angreifer an, und die Halsschlagader war deutlich sichtbar. Hinterher wollte er das allerdings nicht so verstanden wissen: „Tony hat das zweite Tor gemacht, da kann ich mich nicht ärgern.“ Aber wichtig sei eben auch: „So ein Spiel ist nicht vorbei, weil du dich über ein 2:2 freust“, erklärte Baumgart. „Du musst im Spiel bleiben.“

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Modeste klaute Baumgart nach seinem zweiten Treffer die Mütze.

Doch Baumgart musste nach dem turbulenten Spiel gegen seine „alte Liebe“ (der Coach spielte von 2002 bis 2004 für Union und hat in Köpenick weiter seinen Hauptwohnsitz) auch schwer durchatmen: „Ich bin immer noch angepisst. Es gab heute einiges, über das ich mich geärgert habe.“ Zum Beispiel über die Pfiffe einiger Fans. „Die Jungs machen einen sehr guten Job. Wir machen den Fehler, weil wir den Mut haben, hinten rauszuspielen. Warum müssen die Jungs Sorgen haben, einen Fehler zu machen? Dieses Stadion kann so eine Emotionalität entwickeln. Dann läuft es mal nicht gegen eine Mannschaft, die international vertreten ist und seine saubere Saison spielt. Und die Leute wissen bei 1:2 nicht, ob sie jubeln oder pfeifen sollen.“

Auch Kölns Sportchef Jörg Jakobs kommentierte die Pfiffe der eigenen Fans: „Da frage ich mich echt, was da die Vorstellung ist“, sagte er. Da sei „zu viel Erwartungshaltung dabei. Ich würde mir wünschen, dass die Mannschaft entsprechend unterstützt und gestärkt wird. Und nicht dem Unmut freiem Lauf gelassen wird. Das halte ich für kontraproduktiv. Aus meiner Sicht sollte im Stadion in Köln nur einer pfeifen, mal vom Schiri abgesehen. Und das ist unser Trainer.“

Fehlerhafte Defensive

Erneut hatte der FC ein unterhaltsames Spiel geboten. Aber auch eines, das fehlerbehaftet war. Der Baumgart-Fußball steht für Spektakel, ist aber aktuell anfällig. Und sein Team hat derzeit ein Problem in der Defensive. Der Coach ließ im Abwehrzentrum zuletzt viel rotieren, zu viel? Denn eingespielt wirkt die Verteidigung um den derzeit neben sich stehenden Rafael Czichos nicht. 20 Gegentore kassierte der FC bereits, der nun Tabellenelfter ist. In der Liga geht es eng zu. Vier Punkte Rückstand haben die Kölner auf Platz sechs, doch von Rang 16 trennen sie auch nur fünf Zähler.

Die Kölner, die im neuen Karnevalstrikot auflief, waren furios ins Spiel gestartet. Angetrieben von Baumgart, der bei acht Grad Celsius im dünnen Poloshirt in der Coaching Zone auf und ab tigerte, machte der FC sofort Dampf und ging bereits nach sieben Minuten in Führung. Nach einem starken Ballgewinn von Salih Özcan kam das Leder zu Florian Kainz, der sich ein Herz nahm und den Ball an den Querbalken jagte. Modeste hatte den Braten gerochen, war beim Abpraller zur Stelle und bugsierte den Ball im zweiten Versuch über die Torlinie. Köln feierte – und dies vielleicht etwas zu lange.

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Nur zwei Minuten später kassierte der FC den Ausgleich. Die Kölner ließen die Gäste zu leicht kombinieren und Julian Ryerson aus den Augen. Der traf mit einem Flachschuss zum 1:1, und man wurde den Gedanken nicht los, dass Timo Horn bei dem nicht wirklich platzierten Schuss ins kurze Eck hätte eingreifen können.

Das Gegentor zeigte Wirkung. Der FC verlor seine Linie. Und hatte in der 28. Minute auch mal Glück mit dem Videoschiedsrichter, dass nach Zweikampf von Timo Hübers an der Strafraumlinie gegen den äußert flinken Taiwo Awoniyi kein Elfmeter die Folge war. Es war eine richtige Entscheidung, aber eine von Zentimetern.

Kurz vor der Pause wurde der FC dann doch bestraft. Czichos rutschte der Ball im Aufbauspiel unerklärlich ab. Grischa Prömel schob zur Gäste-Führung ein. Fast wäre Union noch der Doppelschlag gelungen. Der kaum zu stoppende Awoniyi drehte sich um Hübers, schoss dann aber wuchtig über das Tor. Der FC wirkte angeschlagen.

Viel Ballbesitz, wenig Ertrag

Aber er kam nach der Pause besser aus der Kabine. Deutlich mehr Ballbesitz hatten die Kölner. Die Köpenicker ließen den FC gewähren, doch dem fiel lange Zeit wenig ein. Bis zur Endphase. In der drückten die Kölner und kamen zum verdienten Ausgleich. „Am Ende wurde der Mut belohnt“, fasste es Baumgart zusammen. Doch ganz glücklich wirkte der Trainer nicht. Modestes Tänzchen hin oder her. Der feierte nach dem Abpfiff dann einfach im „12. Mann“ hinter der Nordtribüne weiter.