Das Desaster der abgelaufenen Saison wird nicht kleiner, wenn man darüber redet. Doch nun ist es an der Zeit, alle Kraft auf den Wiederaufstieg zu lenken.
Kommentar zum 1. FC KölnNach der großen Aussprache muss der Blick nach vorn gehen
Es gehört eine Menge Mut dazu, sich nach dem Desaster der vergangenen Saison mit 1200 Vereinsmitgliedern in Klausur zu begeben und eine Fragerunde mit offenem Ende anzusetzen. Zumal die Spitze des 1. FC Köln nach der Erfahrung des Januar-Stammtischs wusste, dass man nicht mit Halbwahrheiten und Ausweichmanövern davonkommen würde.
Die Lehre damals war: Die Mitglieder des 1. FC Köln, zumal die, die sich zu einer Abendveranstaltung aufmachen, um in der Hoffnung auf Antworten stundenlang auf polsterlosen Stühlen zu verharren, postulieren schon durch ihre Anwesenheit einen Anspruch auf Wahrheit. Wer einen Saal mit 1000 Menschen um diese Wahrheit betrügen will, muss sehr gut lügen können.
Es ging um Rechtsfragen, nicht um Befindlichkeiten der Fans
Zwar blieb die Präsentation des Gutachtens zur Haftungsfrage in der Potocnik-Affäre so unspektakulär wie erwartet. Doch das ist die Natur derartiger Gutachten. Es ging um eine saubere Aufarbeitung; darum, zu klären, wer Fehler gemacht hat – und ob es jemanden gibt, der dafür haften muss. Das Gutachten behandelte Rechtsfragen, keine Befindlichkeiten. Und da war klar, dass es nicht möglich sein würde, den materiellen Schaden etwa des Abstiegs rechtssicher der Transfersperre zuzuordnen. Und überhaupt – wie sollte man das beziffern? Die Wertzuwächse, die sich nun andere Vereine in die Bilanzen schreiben können, weil sie Spieler verpflichteten, die Köln nicht holen konnte? Oder die fehlenden Medien- und Sponsoring-Erlöse deutlich jenseits der Marke von 30 Millionen Euro – und das allein im ersten Jahr? Eine juristische Unmöglichkeit.
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Wer derlei Zusammenhänge vor mehr als 1000 überwiegend bitter enttäuschten Mitgliedern zu erläutern hat, darf nicht auf Applaus hoffen. Vor allem, wenn die Fans im Saal einen völlig anderen Schadensbegriff haben als die Juristen. Denn den Menschen, die den 1. FC Köln ausmachen, geht es um die persönliche Enttäuschung und die Demütigung, die ihr Verein sowohl auf dem Fußballplatz als auch in den Verhandlungssälen erlitten hat. Da liegt es nahe, dass man jemanden sehen will, der Verantwortung übernimmt und persönliche Konsequenzen zieht. Entsprechend groß bleibt der Ärger bei vielen, dass außer Jörg Jakobs niemand gehen musste.
Die FC-Verantwortlichen versuchten, mit Demut und Offenheit zu überzeugen. Zwar blieben sie hier und da stur bei ihren Behauptungen, die bereits in zwei Gerichtsverfahren nicht verfangen haben. Uneingeschränkter Wahrheitsanspruch und die Herabsetzung der Gegenseite – das sind grundsätzlich Maßnahmen, die sich eine in einem Rechtsstreit unterlegene Partei sparen sollte. Doch auch bei den Verantwortlichen des 1. FC Köln sind die Verletzungen schwer.
FC-Spitze gelingt es, die Menschen im Saal für sich einzunehmen
Allerdings geriet der Auftritt von Geschäftsführung und Präsidium aufrichtig genug, um die Mehrheit der Menschen für sich einzunehmen. Und tatsächlich gibt es mittlerweile Faktoren, die zuversichtlich stimmen. Zwar war der sportliche Abstieg ein zu hoher Preis für das enorme Sanierungstempo, die Transfersperre das Resultat eines amateurhaften Risiko-Managements, und man darf das Gute im Schlechten nicht überbewerten. Doch scheint der FC immerhin robust genug, um dieses in jeder Hinsicht selbstverschuldete Drama überleben zu können. Der Exodus der letzten Leistungsträger ist ausgeblieben. Weil zudem ein Trainer gefunden ist, kann der 1. FC Köln nach der großen Aussprache vom Mittwoch nun den Blick nach vorn richten, die Saison abhaken – und alle Kraft auf das Projekt Wiederaufstieg richten.