Keine 24 Stunden nach dem 5:1 in Kiel stellte der FC-Vorstand Horst Heldt frei.
„Meine Enttäuschung war extrem groß“, sagt Heldt nun und wirft Fragen auf.
Die Aufarbeitung eines gebrochenen Verhältnisses beim 1. FC Köln.
Köln – Horst Heldt hat komplizierte Wochen hinter sich, doch als er am Dienstag von seinen kurzfristigen Plänen berichtete, wirkte er beinahe heiter. Einen Lieferwagen habe er gemietet, in den werde er am Mittag die letzten Sachen werfen und anschließend gen Süden fahren, nach München, wo seine Familie lebt. Der 51-Jährige fährt gern Lieferwagen, und so räumte er ein paar Fahrräder, die Carrerabahn seines Sohnes und einige Koffer ins Gepäckabteil und begab sich auf die Autobahn, um seinen Ein-Mann-Umzug zu vollziehen. Es war die nächste lange Autofahrt, zuletzt hatte Heldt die Nacht zum Sonntag auf der Autobahn verbracht, da war er aus Kiel zurück nach Köln gereist. Als er am Dienstagabend also München erreichte, hatte er eine herzeigbare Deutschland-Tour von Nord nach Süd absolviert.
Es hatte sich einiges geändert seit Samstag. Zunächst hatte der 1. FC Köln im letzten Spiel der Saison ein fulminantes 5:1 über Holstein Kiel geschafft und damit die Relegation gewonnen. Auf dem Rasen von Kiel hatte Heldt mit der Mannschaft, Trainer Friedhelm Funkel und seinem Geschäftsführer-Kollegen Alexander Wehrle gefeiert, sich dann aber dazu entschieden, im Auto nach Hause zu fahren – Heldt fliegt ungern. Auf der Fahrt war er ein wenig zur Ruhe gekommen, die Freude über die Leistung der Mannschaft war groß. „Jeder hat in diesem Moment eine Glückseligkeit gespürt“, beschrieb Heldt.
„Ich wollte schnelle Klarheit, weil Ungewissheit das Schlimmste ist“
Doch echte Erleichterung stellte sich nicht ein, denn seine Zukunft war nicht geklärt. Schon vor dem Spiel gegen Schalke hatte Heldt den Vorstand darum gebeten, ihm eine Tendenz zu geben. „Ich wollte schnelle Klarheit, weil Ungewissheit das Schlimmste ist. Wir sind in der Liga geblieben. Alle haben sich tierisch gefreut, ich auch, ich war glücklich. Aber wenn nicht ausgesprochen ist, wie es weitergeht, kann man nicht runterfahren.“
Der 1. FC Köln prüft, die Abfindung für den entlassenen Geschäftsführer Horst Heldt zumindest in Teilen nicht auszuzahlen. Dem 51-Jährigen steht ein Betrag von rund einer Million Euro zu, allerdings gibt es den Verdacht, Heldt habe im Zuge seiner Entlassung interne Vorgänge im Verein öffentlich gemacht. (ksta)
Der Vorstand kam Heldts Wunsch nach, selbst wenn das bedeutete, dass dem 1. FC Köln die Möglichkeit genommen wurde, sich wenigstens einmal volle 24 Stunden an einem sportlichen Erfolg zu erfreuen: Für 13 Uhr wurde Heldt in den Mediapark geladen, wo Vizepräsident und Fondsmanager Eckhard Sauren im 21. Stock des Kölnturm seine Geschäftsräume hat. Heldt hatte wenig geschlafen, war jedoch frisch – anders als sein leicht verstimmter Kollege Alexander Wehrle, der noch mit der Mannschaft das Erreichen des Saisonziels gefeiert hatte. Die Geschäftsführer begaben sich in Saurens Büro, um die Saison Revue passieren zu lassen, so hatte es jedenfalls Heldt verstanden. Der Vorstand mit den Vizepräsidenten Carsten Wettich und Sauren sowie Präsident Werner Wolf diskutierte rund zwei Stunden mit Heldt. Das Gespräch sei ruhig verlaufen, berichtete der. Nach etwa zwei Stunden eröffnete der Vorstand dem Sportchef allerdings, er sei entlassen.
Es gibt unterschiedliche Versionen dieser Momente über den Dächern der Stadt. Der Vorstand legt großen Wert darauf, Heldt habe seit Tagen gewusst, dass es für ihn nicht weitergehe beim 1. FC Köln.
Tatsächlich hatte Heldt bereits vor dem Spiel gegen Schalke von Eckhard Sauren erfahren, es würde „eng“ für ihn, sollte der Abstieg nicht vermieden werden. Das berichtete Sauren am Montag in einer Pressekonferenz: „Im Falle des Klassenerhalts habe ich ihm gesagt, dass wir das anschließend analysieren und besprechen müssen. Er hat geahnt, dass es enger werden würde“, sagte Sauren.
„Wir steigen nicht ab“
Nach außen wurde in den letzten Tagen der Saison allerdings überhaupt nicht kommuniziert. In der Woche vor dem Spiel in Kiel hatte die „Bild“-Zeitung dann Fragen an den FC-Vorstand geschickt, darunter die nach dem Verfahren mit Heldt im Fall des Abstiegs. Die Frage wurde lediglich mit „Wir steigen nicht ab“ beantwortet, was eigentlich nur den Schluss zuließ, dass sich die Frage nach Heldt im Fall des Klassenerhalts nicht stellte. Entsprechend überraschend kam die Entlassung.
Die Stimmung im Turm war anschließend ruiniert. Die vorbereitete gemeinsame Erklärung zur Trennung sah sich Heldt nicht mehr an. Der Vorstand bedauert das, man fand die Erklärung gut und auch Heldts Aussage darin. „Meine Enttäuschung war nach dem Verlauf des Termins extrem groß“, sagt Heldt.
Inkonsistenzen der Darstellung
Die Version, Heldt habe alles gewusst, hat zahlreiche Schwachstellen. Zwar kursierten sogar schon vor dem letzten Bundesligaspiel gegen Schalke Gerüchte, Heldt werde nach der Relegation abberufen und durch Jörg Jakobs ersetzt, einmal mehr waren Fragmente aus den Beratungen der Gremien öffentlich geworden. Doch hatte der Gemeinsame Ausschuss, der die Trennung von einem Geschäftsführer beschließen muss, erst am Sonntagvormittag getagt – und zwar nach Informationen dieser Zeitung mehr als eine Stunde lang. Nach der Erzählung des Vorstands hatte Heldt also schon seit Tagen etwas wissen sollen, das erst am Sonntagmorgen beschlossen wurde.
Seine ersten Anrufe nach dem Erlebnis im Kölnturm galten seiner Frau und Steffen Baumgart, dem neuen FC-Trainer, mit dem er in den vergangenen Wochen im Austausch gestanden hatte. Schon am Samstagabend nach dem Schlusspfiff im Kieler Stadion hatte er zunächst seine Frau angerufen – und dann Baumgart zum Job in der Bundesliga gratuliert.
In der Nacht zum Dienstag räumte Heldt sein Büro am Geißbockheim aus. Inhaltlich wollte er nicht weiter auf das Ende seiner Kölner Dienstzeit eingehen. Als er im November 2019 übernahm, stand der FC mit einem Bein in der Zweiten Liga, es gab Aufgabetendenzen. Dann aber hatte die Mannschaft die Rettung geschafft, auch in dieser Saison hatte der FC das Ziel Klassenerhalt erreicht. „Wenn man Ziele formuliert, sollte man auch daran gemessen werden“, findet Heldt.
Die Lücken im Kader
Dennoch war vieles schiefgelaufen, darunter mehrere Transfers; insgesamt war der Kölner Kader so angelegt, dass die Verletzungen mehrerer Leistungsträger offenbart hatten, dass die zweite Reihe nicht stark genug besetzt ist – und besonders in der Offensive Lücken klafften. Die Gründe der Entlassung wollte Heldt nicht in Frage stellen. Womöglich passte er nicht zum Kölner Vorstand, der viel Wert auf Prozesse und Konzepte legt – und ihn dennoch verpflichtet hatte.
Heldt ist ein Manager, der für seine Arbeit nicht viel mehr braucht als sein Telefon, mit dem er sein bemerkenswertes Netzwerk im Profifußball pflegt. Er ist keiner, der viel niederschreibt; der große Teams koordiniert. Doch Heldt beschwert sich nicht, Entlassungen gehören zum Geschäft. „Es ist das legitime Recht des Vorstands. Ich kann nicht solche Entscheidungen bei Trainerwechseln treffen und mich bei anderen darüber beschweren.“
Kein sonniger Sonntag
Sogar der Zeitpunkt so kurz nach dem Spiel in Kiel sei für ihn in Ordnung gewesen, schließlich habe er um rasche Klarheit gebeten. Wobei der Vorstand in diesem Fall wohl besser darauf geachtet hätte, Fans, Mitarbeitern am Geißbockheim, der Mannschaft und damit dem gesamten Verein zumindest für diesen einen sonnigen Sonntag die Möglichkeit zu geben, den ersten großen Sieg seit einer Ewigkeit zu genießen.
Doch sogar im Versuch, Heldt einen Gefallen zu tun, traf der Vorstand die falsche Entscheidung – und verschickte am Sonntagabend um 18.30 Uhr die Mitteilung von der Entlassung an die Redaktionen, die eigentlich von den Kölner Heldentaten in Kiel hatten berichten wollen, von Andersson, Kainz und Funkel.
Doch das war dem seit seiner Präsentation vor nun zwei Jahren so ungeschickt auftretenden wie netzwerkenden Vorstand einmal mehr missglückt, Heldt war enttäuscht. „Ich hätte mir einen anderen Ablauf gewünscht.“