Köln – Am Freitagmittag absolvierte die Mannschaft des 1. FC Köln ihr Abschlusstraining noch am Geißbockheim, um 17 Uhr hob dann der Charter-Flieger mit ihr ab in Richtung Hauptstadt. „Die Anspannung wird mit jeder Stunde größer werden“, prophezeite FC-Trainer Friedhelm Funkel vor dem Keller-Duell am Samstag (15.30 Uhr) bei Hertha BSC.
Seine Schützlinge haben das Überleben in der Bundesliga zwar nicht mehr in der eigenen Hand, der Trainer-Veteran gab sich dennoch zuversichtlich: „In den Gesprächen ist deutlich rauszuhören, dass wir dran glauben, die Klasse zu halten. Egal wie. Die Mannschaft hält zusammen, sie steht zusammen. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch am 34. Spieltag noch die Möglichkeit haben, in der Bundesliga zu bleiben.“ Vielleicht auch über die Relegation.
Doch verlieren ist verboten. Denn bei einer Niederlage bei Hertha und gleichzeitigen Siegen von Bremen in Augsburg und Bielefeld gegen Hoffenheim wäre der vorzeitige Abstieg besiegelt. Es wäre der siebte Gang in die Zweitklassigkeit binnen 23 Jahren. Doch noch will Funkel „darüber nicht nachdenken“.
Gegner Hertha, der selbst ernannte „Big City Club“, war in dieser Saison schon tief gefallen, berappelte sich nach dem Ende seiner Quarantäne aber und hat seitdem einen Lauf. „Viele hatten ja schon gesagt: Jetzt steigt Hertha ab“, sagte Trainer Pal Dardai voller Genugtuung nach dem 2:1-Sieg am Mittwochabend bei Absteiger Schalke. Sein Team hatte gerade das vierte Spiel in zehn Tagen nach der Quarantäne ungeschlagen überstanden und aus diesen acht Punkte geholt. Sechs Spieltage vor dem Saisonende hatte sich die Hertha komplett in Isolation begeben müssen. Und besann sich auf die Grundtugenden. Auf die Frage, ob ein Ruck durch die Mannschaft gegangen sei, antwortete Torwart Alexander Schwolow: „Ja. Genau so fühlt es sich an.“ Plötzlich laufe „jeder für den anderen. Wir sind eine verschworene Gemeinschaft geworden“, sagte Schwolow. Sein Trainer sieht das ähnlich. „In der Quarantäne hat sich etwas entwickelt“, sagte Dardai: „Jeder war für jeden da.“
Hertha gehen die Offensivspieler aus
Doch die späte Aufholjagd hat Kraft und Personal gekostet. Und das sollte die Chancen für den 1. FC Köln erhöhen. Die Hauptstädter haben zwar einen großen, ausgeglichenen Kader, doch vor allem in der Offensive kaum noch Spieler. Gegen den FC fehlen Cunha, Piątek, Mittelstädt, Ex-Weltmeister Khedira, Arsenal-Leihgabe Guendouzi, Netz (alle verletzt), Lukebakio und Darida (beide gesperrt). Ein Wiedersehen mit Jhon Córdoba, der in Vorsaison noch für den FC auf Torejagd ging, wird es nach dessen Bänderblessur auch nicht geben.
Beim Gast stehen die personellen Vorzeichen besser. Zwar ist fraglich, ob Jonas Hector spielen kann. Der Kapitän fehlte im Abschlusstraining, stieg allerdings danach in den Mannschaftsbus. Doch ansonsten stehen Funkel alle Spieler zur Verfügung, auf die er setzt. Auf Emmanuel Dennis trifft das nicht mehr zu, die Winter-Leihgabe wurde aus dem Kader verbannt. Da der Stürmer nicht mit der Mannschaft ins Quarantäne-Hotel ging, wird er nicht mehr zum Einsatz kommen. So muss man zu dem Urteil kommen, dass sich die Ausleihe des Angreifers vom FC Brügge als Flop entpuppte. Dennis kam auf 473 Bundesliga-Minuten und null Tore (ein Tor im Pokal). Schon seit Wochen wirkte es, als habe er mit dem FC gedanklich abgeschlossen. Dafür wurde Dennis aber noch bestens entlohnt: Der 23-Jährige erhält für insgesamt vier Monate rund 450 000 Euro Gehalt. Inklusive Leihgebühr wird den FC dieses Missverständnis rund 850 000 Euro gekostet haben.
Große Verluste im Fall des Abstiegs
Diese Summe ist aber vergleichsweise wenig zu dem, was für den FC in den letzten beiden Saisonspielen auf dem Spiel steht. In denen geht es auch um die mittelfristige Zukunft des Klubs. Ein erneuter Abstieg wäre sportlich einschneidend, aber finanziell nicht existenzgefährdend, wie Geschäftsführer Alexander Wehrle erneut untermauerte: „Nein, das wäre er nicht. Die DFL hat uns ligaunabhängig die Lizenz ohne Auflagen erteilt.“ Doch Wehrle fügt an: „Natürlich wäre ein Abstieg mit erheblichen Umsatzverlusten bei Zuschauer-, TV- und Sponsoring-Einnahmen verbunden. Alleine bei den TV-Geldern hat uns der letzte Abstieg rund 15 Millionen Euro gekostet.“
Dazu kommt: Bereits rund 63 Millionen Euro Umsatz brachen durch die Corona-Pandemie weg. Der Einstieg eines Investors würde sicherlich vieles erleichtern, der Vorstand will aber auf diesen verzichten. Doch auch unabhängig davon würde der FC im Fall des Abstiegs in eine Zweitliga-Saison mit dem Ziel Wiederaufstieg gehen. „Wir sind weiterhin stabil aufgestellt und das ligaunabhängig“, sagt Wehrle. Doch noch hat der Kölner Geschäftsführer die Hoffnung, dass die Mannschaft das sportliche Debakel verhindern kann.
Hertha BSC: Schwolow - Klünter, Stark, Dardai - Zeefuik, Ascacibar, Khedira, Torunarigha - Dilrosun, Radonjic - Ngankam. - 1. FC Köln: T. Horn - Schmitz, Bornauw, Czichos, J. Horn - Skhiri, Meyer - Kainz, Duda, Jakobs - Andersson.